Seiten

Freitag, 29. Januar 2010

Recht auf Regelschule!

Behinderte Kinder haben ab sofort das Recht auf einen Platz in einer allgemeinen Schule!!!

Dieser Anspruch gilt für jedes Kind individuell, unabhängig von den Schulgesetze des jeweiligen Bundeslandes.

Bund und Länder sind gehalten, inklusive Bildung so schnell wie möglich zu verwirklichen und dafür auch Qualitätsmaßstäbe festzelegen.

Dies sind zwei wichtige Ergebnisse eines Rechtsgutachtens eines führenden deutschen Völkerrechtlers, Professor Dr. Eibe Riedel. Das Gutachten wurde vom Elternverband „Gemeinsam Leben, Gemeinsam lernen“ gemeinsam mit dem Sozialverband Deutschland (SoVD) in Auftrag gegeben und heute auf einer Pressekonferenz in Berlin vorgestellt.

Auch wenn sich die Bundesländer mit der Anpassung ihrer Schulgesetze Zeit lassen, nicht zuletzt mit dem Hinweis auf leere Haushaltskassen, müssen Kinder und Eltern "eine Zuweisung zur Sonderschule gegen ihren erklärten Willen schon jetzt nicht mehr dulden“, so Camilla Dawletschin-Linder, Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft „Gemeinsam leben –gemeinsam lernen“.

Das Gutachten kann man sich im Internet unter www.gemeinsam-leben-nrw.de anschauen.

Weitere Details auch in einem Blog-Artikel des Arbeitskreises Down-Syndrom e.V.

Das ist schonmal gut, dass wir einen Rechtsanspruch darauf haben. Aber die Schule muss ja auch dazu in der Lage sein. Und einverstanden.

Also, soll ich jetzt schon mal zur Schule um die Ecke und Interesse bekunden? Damit Lola in 4 Jahren nicht dem allgemeinen Lehrplan hinterherjagen muss, aber trotzdem mit den anderen Schülern zusammen lernen darf? An wen kann ich mich in Leipzig konkret wenden, um das vorzubereiten? Oder muss ich zum sächsischen Kultusminister?

Mittwoch, 27. Januar 2010

Und der Ausweis?

Darf ich mich outen? Ich hab ihn immer noch nicht, den 'Schwerbehindertenausweis'. Ich hab's nicht geschafft. Dabei könnte ich dann kostenlos als Begleitperson mit Lola durch ganz Deutschland reisen, vielleicht sogar weiter. Und Steuervorteile hätten wir auch. Dieser Ausweis bedeutet also: bares Geld. Beim Blick in die Haushaltskasse sollte ich es mir noch mal überlegen.

Und doch: ich hab es noch nicht über's Herz gebracht. Irgendetwas in mir sagt: ich will diesen Ausweis nicht.

Will ich es immer noch nicht wahrhaben? Renne ich weg davor? Habe ich es immer noch nicht realisiert: dass ich ein 'behindertes' Kind habe? Vielleicht, ja, vielleicht will ich es wirklich nicht wahr haben. Dass sie so 'behindert' ist, wie durch diesen Ausweis suggeriert wird.

Ich will keine Abfindung für Lola. Keine monetäre Entschädigung. Denn so erscheint mir das Geld. Abgesehen davon, dass ich es nur 'gewinne', wenn ich viel Bahn fahre und viel Geld verdiene. Geringverdienenden, weniger reiselustigen Leuten bringt der Ausweis keine finanziellen Vorteile. Oder ich kenne sie nicht.

Ich will keinen Exoten-Ausweis, sondern ich will, dass Lola dazu gehört. Dass sie auf eine normale Schule gehen kann - wie jedes andere Kind auch. Und dass man ihr dort hilft, wenn sie Hilfe braucht. Und allen anderen Kindern auch, die Unterstützung brauchen. Egal welcher Art. Und nicht, dass man sie abschiebt und ihnen dann auch noch per Ausweis den Aussonderungsstempel aufdrückt.

Ich glaube, ich werde es auch in den nächsten Monaten nicht schaffen, diesen Ausweis zu beantragen. Wahrscheinlich ticke ich nicht ganz richtig. Vielleicht ist es aber auch nur an der Zeit, die Uhren umzustellen.

Dienstag, 26. Januar 2010

Integration lohnt sich!

In den meisten anderen europäischen Ländern ist sie längst normal: die 'Schule für alle'. Auch hier ist es nur noch eine Frage der Zeit. Denn spätestens seit der Behindertenrechtskonvention gilt auch für Deutschland, dass niemand wegen seiner Behinderung aus dem allgemeinen Schulsystem ausgeschlossen werden darf.

Leider lassen die schulrechtlichen Änderungen und die konkreten Planungen für eine inklusive Schule in den meisten Bundesländern noch auf sich warten.

Nicht zuletzt, weil einzelne vermeintlich liberale Politiker das staatliche Recht auf Zwangseinweisung in die Sonderschule nicht aufgeben wollen.

Oder weil behauptet wird, dass ein integratives Schulsystem zu teuer ist, was aber schlichtweg falsch ist! Hier ein kleiner Auszug aus einer sehr detaillierten Untersuchung diesbezüglich, die ich auf der Seite von mittendrin e.V. gefunden habe, einem Kölner Verein, der sich deutschlandweit für 'Die Schule für alle' engagiert.
Weiterhin wurde die Vermutung bestätigt, dass integrativer Unterricht besonders kostengünstig ist, wenn er in erheblichem Umfang durchgeführt wird, also nicht nur in vereinzelten Ausnahmefällen, wobei allerdings eine Kostenersparnis auch schon bei einem relativ geringen Anteil von nicht aussonderndem Unterricht festzustellen ist. Selbstverständlich sollte sein, dass zumindest ein Teil der eingesparten Kosten (z. B. 50%) in nötige Umbaumaßnahmen oder Lehrerfortbildungsmaßnahmen investiert werden. weiterlesen

Montag, 25. Januar 2010

Logo - ist doch logo!

Logopädie bekommt ein Kind üblicherweise erst, wenn es seine ersten Worte spricht. Oder wenn es sie mit etwa 2.5 Jahren immer noch nicht spricht, alle anderen Kindern aber schon etwa 50-100 Worte. So die Information, die ich meist bekam. Um mit einem jüngeren Kind in logopädische Behandlung zu kommen, braucht es eine medizinische Indikation wie z.B. eine Schluckstörung. Auch bei Kindern mit Down-Syndrom. Dabei weiss man doch, dass Kinder mit Down-Syndrom die stärkste Beeinträchtigung im sprachlichen Bereich zeigen.

Warum solange mit der Sprachtherapie warten? In den ersten zwei Jahren sind die Kinder besonders sensibel für den sprachlichen Input. Da bilden sich die wichtigsten sprachlichen Kategorien. Da fangen die Kinder an zu essen und zu trinken. Genau da sollte die Therapie anfangen, je früher desto besser.

Endlich habe ich eine Therapeutin gefunden, die das genauso sieht. Seit einem Monat ist sie in Leipzig. Durch Zufall habe ich sie gefunden. Sie hat vorher in Nürnberg gearbeitet, in Zusammenarbeit mit dem Down-Syndrom Infocenter. Hat dort die Down-Syndrom Sprechstunde mitgemacht. Jetzt ist sie in Leipzig - und ist fantastisch!

Sie kombiniert eine Reihe unterschiedlicher Therapieansätze, wie Padovan, Castillo-Morales, Kon-Lab, die Gebärdenunterstützte Kommunikation (GuK), Lautgebärden. All die Therapieansätze, mit denen ich auch schon mal gearbeitet habe, aber immer das Gefühl hatte, ich verzettele mich oder das würde sich ausschließen. Endlich eine Therapeutin, die das alles integrieren kann. Ich bin begeistert!!!

Besonders interessant für uns: sie hat auch schon mit einem kleinen deutsch-spanisch aufwachsendem Jungen gearbeitet, der mittlerweile acht Jahre alt ist - und beide Sprachen sehr gut spricht!!! Das macht Mut! Es ist möglich, ganz konkret!

Sie hat sich heute Lola angeschaut - und war sehr begeistert über Lolas Gebärden. War erfreut über ihre vielen 'Worte', ihre grosse Aufmerksamkeit, ihr waches Interesse. 'Da kann man viel machen', sagte sie. Und ich dachte nur 'Ja, sag ich doch!' Auch wenn ich bisher nicht immer wusste, was genau.

Mundschluß und Mundmotorik sind bei Lola natürlich verbesserungsfähig. Zunge draussen, Kauen mit offenem Mund, keine Rotation beim Kauen. Klar, denn da hab ich bisher nix gemacht. Das ganze eher als 'ästhetische Angelegenheit' abgetan. Aber für die Lautbildung ist es eben doch entscheidend. Nächste Woche gibt's also Mundübungen nach Padovan kombiniert mit Castillo-Morales.

Und dann auch sprachrhythmische Übungen nach Kon-Lab, damit Lola Spanisch und Deutsch anhand des Sprachrythmus unterscheiden lernt. Und mit Lautgebärden könnten wir dann auch bald anfangen, so die Therapeutin.

Grosses Programm! Genau das, was ich immer gesucht habe. Ab jetzt jede Woche. Ich bin sooo gespannt....

Sonntag, 24. Januar 2010

Lola im Fernsehen

Am nächsten Samstag kommt ein Beitrag über Lola im Fernsehen!!! Im MDR um 11:05 Uhr. In der Sendung selbstbestimmt!

Die Farbfilmer, Stephan Liskowsky und Dinah Münchow, haben Lola anderthalb Tage lang begleitet - sie waren mit bei der Tagesmutter, bei der Frühförderung, bei uns zu Hause. Lola war sehr professionell und hat sich von der laufenden Kamera und dem Monster-Mikro überhaupt nicht beeindrucken lassen. Im Gegenteil, sie hat sich von ihrer charmantesten Seite gezeigt.

Ich bin schon so gespannt auf die Sendung. Unsere kleine grosse Lola!!!

Hier alle Sendetermine, auch auf anderen Kanälen:

30.01.2010 | 11:05 Uhr | MDR
01.02.2010 | 09:20 Uhr | MDR
09.01.2010 | 10:35 Uhr | RBB
12.02.2010 | 11:30 Uhr | 3sat
16.02.2010 | 06:00 Uhr | 3sat

Samstag, 23. Januar 2010

Vorbild Pineda?

Neulich wurde ich gefragt, ob Pablo Pineda - der erste europäische Hochschulabsolvent mit Down-Syndrom - ein Vorbild für mich sei.

Ich bin sehr froh, dass es jemanden wie Pineda gibt. Weil er zeigt, dass es möglich ist. Dass Menschen mit DS auch dieses Potenzial haben.

Ein direktes Vorbild für Lola ist er jedoch nicht. Das wäre wie Albert Einstein oder Pina Bausch als Vorbild für Greta.

Aber sein Selbstbewußtsein, sein Kämpfergeist, sein unbeugsamer Wille, wie auch seine Einfühlsamkeit und seine Leidenschaft, das sind Eigenschaften, die ich mir für meine kleine Lola wünschen würde.

Auf dass sie ihren Weg geht - egal mit welchem Bildungsgrad. Dass sie ihre Stimme findet, ihren eigenen Ausdruck, ihr persönliches Ziel im Leben. Dass sie glücklich wird. Das wünsche ich mir für sie. Wie auch für Greta. Und für alle anderen Menschen, egal mit wie vielen Haaren auf dem Kopf oder Chromosomen im Erbgut.

Freitag, 22. Januar 2010

Eine Hymne an den türkischen Minibus

Als ehrgeizige junge Studentin der Volkswirtschaft habe ich mich schon früh im Studium für ein Auslandspraktikum beworben. Beim Bewerbungsgespräch wurde ich gefragt, was ich tun würde, wenn ich ein Praktikum bei einem Werkzeugmechaniker in der Türkei bekäme. Ich war etwas geschockt von dieser Aussicht, antwortete aber, dass ich mich auch darauf einlassen wollte: ich würde mich über die dortige Kultur informieren und alles dafür Nötige lernen. Das war sicher ein Testfrage in Bezug auf meine Bereitschaft, mich auf Fremdes einzustellen.

Ein paar Monate später wurde ich angerufen. Herzlichen Glückwunsch, Sie haben einen Praktikumsplatz in Adana bekommen, im Osten der Türkei. Ich war perplex. Sollte das ein Scherz sein? So ernst war meine Antwort gar nicht gemeint gewesen.

Im Juni desselben Jahres ging ich für 8 Wochen nach Adana, einer pilzartig auswuchernden Metropole der Baumwollindustrie in der Cukurova-Ebene, nicht allzu weit von der syrischen Grenze entfernt. Niemand in Deutschland kannte Adana, und kein Tourist kam je in diese Stadt. Im Viertel, wo ich wohnte, zogen manche Leute ihre Waren im Eselskarren zum Markt, ein Einäugiger sammelte den Müll in unserem Haus auf. Die Kinder begrüßten mich lauthals schreiend mit 'abla, abla' (grosse Schwester), ihre Väter saßen vor dem Haus, tranken Cai und spielten Brettspiele. Ich arbeitete in einem winzigkleinen Unternehmen der Baumwollproduktion - in der Verwaltung. Die anderen Mitarbeiter sprachen nur Türkisch. Dass beste an der Arbeit war die Klimaanlage. Anstatt zu 'arbeiten' lernte ich Türkisch aus einem Buch, was mir meine Mutter geschickt hatte.

Nach Ablauf meines Praktikums besuchte mich mein damaliger Freund. Wir trafen uns in Antalya und wollten mit dem Bus weiter zu einem beliebten Strand für jugendliche Aussteiger aus dem Westen. Laut Lonely-Planet fuhr ein 'Dolmus' (Minibus) vom Busbahnhof aus. Also fuhren wir dorthin und warteten sicher eine Stunde. Als der 'Dolmus' endlich losfuhr, gondelte er gemütlich durch ganz Antalya, hielt an vielen Ecken an, um mit Bündeln beladene ältere Frauen aufzunehmen und sie dann und wann auch wieder auszuspucken. Nach einer guten halben Stunde erkannte ich die Gegend um unser Hotel, wo wir am Morgen zum Busbahnhof aufgebrochen waren. Ich schüttelte amüsiert den Kopf. Aber mein Freund war sichtlich erregt über diesen vollkommen unsinnigen Umweg, die Langsamkeit des 'Dolmus', die ständigen Halte. Ich hatte Sorge, er würde gleich hyperventilieren. Denn klimatisiert sind diese Minibusse nicht.

Da erst merkte ich, wie mich die letzten sechs Wochen in der Türkei verändert hatten. Sechs Wochen, in denen nur selten etwas so geklappt hatte, wie von mir geplant. Wo ich bei 45 Grad Hitze am Busbahnhof stand und wartete, mich aber niemand wie verabredet abholte. Wo mitten in der Nacht, im tiefsten Anatolien, dann doch kein Anschlussbus nach Istanbul fuhr. Wo ich zusammen mit Hühnern und auf dem Boden schlafenden Kleinkindern reiste. Weil mich ein Wildfremder am Arm genommen hatte und mich in diesen Bus gesteckt hatte. Wo mich die Leute zum Essen oder auf einen Cai einluden, weil sie sahen, dass ich wartete. Wo die Pläne nicht aufgehen - und dahinter eigentlich das Leben erst anfängt.

Seinen Rückflug nach Deutschland eine Woche später hat mein Freund dann verpasst, weil der Flieger ein paar Stunden früher als ursprünglich angekündigt losging. Da grinste er nur - und wir waren glücklich, dass wir noch zwei Tage länger am Meer hatten, bis zum nächsten Flieger.

In Schreiblaune...

Lola quengelte, jammerte, streckte ihre Arme hoch. Was wollte sie? Ich nahm sie auf den Schoß, saß mit ihr am Tisch, während ich versuchte, einen Brief zu schreiben. Was ausserordentlich schwierig war. Sie quengelte weiter.... Was wollte sie nur?


Sie wollte selber schreiben!!! Als ich sie ALLEINE am Tisch sitzen liess, mit dem Stift in der Hand und einem Papier - da war sie glücklich. Und schrieb und schrieb und schrieb.....

Freitag, 15. Januar 2010

Ein Schritt vor, zwei Schritte zurück

Heute war Frühförderung. Ich bin ganz viele Fragen los geworden, die mich schon seit längerem jucken. Und ich habe Antworten bekommen - die ich euch nicht vor enthalten will.

Lola ist zur Zeit recht anhänglich. Sie verfolgt mich krabbelnd, ihr Buch hinter sich herziehend, will unbedingt lesen, singen, alles benannt bekommen. Am besten ständig. Und wenn ich einmal angefangen habe, darf ich auch nicht mehr aufhören. Was ja sehr schön ist, dass sie so neugierig ist. Aber wirklich entspannt und gut gelaunt bin ich nicht bei solchen Leseattacken. Und sie brüllt und schreit jämmerlich, wenn ich dann versuche, aus dem Zimmer zu gehen. Was tun, war meine Frage? Und meine Frühförderin meinte, dass ich ruhig auf Lola eingehen darf, SOLANGE es mir Spass macht. Und ihr dann verständlich machen sollte, dass ich jetzt anderes zu tun habe. Und das dann auch tun soll. Auch wenn sie quengelt und meckert. Das muss sie lernen.

In Phasen der zunehmenden Mobilität, wie sie Lola gerade durch das Krabbeln hat, suchen die Kinder oftmals die Rückversicherung zu den Eltern. Und sind besonders anhänglich. Sie befinden sich in einem Prozess der langsamen Ablösung. Doch das ist zunächst verunsichernd für sie. Wichtig wäre für Lola, dass ich ihr immer durch Worte und Gebärden ankündige, was ich jetzt machen werde. "Ich gehe jetzt in die Küche. Ich will kochen. Kommst du mit?" Dann langsam gehen und sie einladen, mit zu kommen. Dann kann sie sich darauf einstellen.

Es kommt auch häufig dazu, dass die Kinder parallel Rückschritte machen, wenn sie in einem anderen Bereich neue Fähigkeiten gewonnen haben. Lola steckt zur Zeit alles in den Mund, beisst darauf herum, leckt daran. Das macht sie eigentlich schon lange nicht mehr. Einfach ignorieren, geht vorbei!

Anderer Problembereich. Lola will sich gerne alleine anziehen. Und sie versucht es auch. Und schreit und brüllt und bäumt sich auf, wenn ich es machen will. Bleibt nicht mehr liegen, sondern rollt davon. Lasse ich es sie alleine machen, haben wir aber ein Problem. Ein Arm im rechten Hosenbein, der Kopf im linken Hosenbein, Body um den Hals geschlungen, Pullover über den ansonsten nackten Beinen. So weit kommt sie in etwa alleine.

Bei der Vorstellung grinste unsere Frühförderin nur und meinte, dass sich auch das mit den besseren feinmotorischen Fähigkeiten von Lola lösen wird. Bis dahin soll ich versuchen, sie so weit wie möglich mit ein zu beziehen. Ihr die Sachen so angeben, dass sie sie selber anziehen kann. Sie auffordern, aufzustehen, damit sie die Hose selber runter- oder hochziehen kann. Und, ganz wichtig, die Sachen schon immer so in einem Stapel vorzubereiten, dass Lola sie einen nach dem anderen in der richtigen Reihenfolge wegnehmen kann. Also zuoberst der Body, dann die Hose, dann der Pulli. Das nennt man wohl 'Backing-Up'. Dadurch lernen die Kinder die richtige Reihenfolge des Anziehens, noch bevor sie die Kleidungsstücke zuordnen können. Und klar, am besten nur Klamotten, die sie selber recht einfach an- und ausziehen kann. Weite Pullover, Leggings oder weite Hosen. Nix mit komplizierten Knöpfen oder Reißverschlüssen.

Nach einer schönen Stunde Frühförderung sind wir inzwischen wieder zu Hause. Lola sitzt seit eineinhalb Stunden in ihrem Zimmer. Ab und zu höre ich ein "Da", "Mmh" oder ein dumpfes Scheppern. Ich kann in Ruhe an meinem Computer sitzen. Ob ich mal nachgucken will, was sie gerade macht?



Chaos in ihrem Zimmer - und Lola mittendrin, lesend.


Kaum sieht sie mich, kommt sie auf mich zugeschossen und hält mir ein Buch hin. Na klar ....

Donnerstag, 7. Januar 2010

Lolas Augenbrauen

Heute früh in der Straßenbahn saßen zwei junge asiatisch aussehende Frauen und unterhielten sich angeregt. Dabei schauten sie häufiger Lola an. Verstanden habe ich kein Wort. Aber ich habe mich gefragt, ob ihnen etwas an Lola auffiel. Würde Lola in Asien mit ihrem Down-Syndrom vielleicht weniger auffallen als hier in Deutschland?

Als die eine der beiden Frauen ausstieg, kam ich mit der anderen ins Gespräch. Auf Deutsch natürlich, was sie sehr gut sprach. Irgendwann fragte sie mich, ob Lola gezupfte Augenbrauen habe. Die sähen so perfekt aus. Darüber habe sie vorher mit ihrer Freundin gerätselt.

Michel aus dem Morgenland

Greta kam gestern nachmittag mit einer selbst gebastelten Krone aus dem Kindergarten nach Hause. Gestern war der 6. Januar: Heilige Drei Könige.


"Greta, wie heißen die noch, die Könige? Caspar, Balthasar und ... ?", frage ich.

"... Michel!", schießt Greta stolz heraus. "Michel aus dem Morgenland."

Greta hat das Buch 'Michel aus Lönneberga' zu Weihnachten bekommen und liebt es.

Sonntag, 3. Januar 2010

Einmal Pfadfinder, immer Pfadfinder

Als junges Mädchen war ich bei den Pfadfindern. Wir sind zusammen auf 'Fahrt' gegangen, haben irgendwo in Wäldern oder Scheunen geschlafen, haben die Nächte am Feuer durchsungen und durchzecht.


Ein Haufen wild zusammen gewürfelter junger Leute, die nicht viel gemeinsam hatten. Ausser dass sie 'Wuppis' waren (aus Wuppertal) und die 'Fahrt' liebten - die Natur, das Wandern, das Abenteuer, das Singen und das Feuer.


Egal wer, man gehörte dazu. Mein Kopf ist noch heute voller Lieder und Bilder, voller Geruch von verrauchten Klamotten, Heu im Schlafsack, verklebtem Tschai (ein Rotweingebräu) auf der Hose und dem feuchten Tau auf den Zelten am frühen Morgen - wenn wir bei Morgengrauen aufbrachen - oder nach einer wild durchfeierten Nacht ins Zelt gingen.

15 lange Jahre lang hatte ich mit den Pfadfindern nichts mehr zu tun. Die Zeiten waren einfach vorbei.


Dieses Jahr hingegen kam mir zu Ohren, dass eine Gruppe von Leuten aus unserem 'Stamm' (so nennt man die Gruppe, der man zugehört), zusammen Silvester feiern wollten. Und so fuhr ich mit, zusammen mit den Mädels, die von Pfadfindern nicht viel kennen, ausser ein paar Liedern, die ich ihnen zum Einschlafen singe.

Und es war eines der schönsten Silvester, die ich in den letzten Jahren gefeiert habe. Es war wie früher - allerdings ohne Feuer und ohne Zelte.


Wir hatten ein grosses Selbstversorgerhaus gemietet. Und wir hatten an Masse zugenommen, denn aus den sieben Leuten aus unserem Stamm waren im Laufe der Jahre neunzehn geworden - mit Partnern und Kindern.

Aber das Grundgefühl, das unkomplizierte Zusammensein, das Einfach-nur-dasein-können und den Dingen seinen Lauf lassen, das war dasselbe.


Wir sind alle grund-verschieden, waren es immer: aber da gibt es ein Grundeinverständnis, einen Zusammenhalt, eine Unverstelltheit, die ich so nie wieder erlebt habe.


Wir nehmen uns als die, die wir sind. Vielleicht kennen wir uns einfach gut genug - aus den extremsten Situationen. Vorzumachen brauchen wir uns nichts.


Von den Jungs lasse ich mich sogar anpflaumen, zurechtweisen, oder auf den Arm nehmen - ohne beleidigt zu sein. So sind sie halt - waren es immer. Und irgendwie habe ich gemerkt, dass ich sie gerade deswegen so gerne mag.


Und so waren diese Tage über Neujahr eine Zeit ohne Zeit. Loslassen, nichts tun, Kaffee trinken, zusammen sitzen und erzählen, von alten Zeiten oder den Kindern und dem Leben.


Und die Dinge geschahen und die Kindern spielten und der Schnee fiel - dicker und dicker.