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Donnerstag, 16. Oktober 2008

Laß es mich alleine machen....

Was braucht es zur guten Entwicklung eines Kindes? Haben Kinder eine stabile emotionale Bindung, gibt man ihnen genug Dinge und Raum zum Entdecken und schränkt sie in ihrer Bewegung nicht ein, entwickeln sie sich ganz von alleine. Allerdings auch in ihrem eigenen Tempo - der eine schneller, der andere langsamer. Es ist deshalb wichtig, dem jedem Kind innewohnenden Drang nach Entwicklung zu vertrauen und dem Kind die Zeit zu geben, die es braucht. Das glaube ich ganz feste, und nicht nur ich, sondern auch Emmi Pikler, über deren Konzept in der letzten 'Leben mit Down-Syndrom' ein sehr schöner Artikel erschienen ist. Und was sie auch in ihrem schönen Buch 'Laßt mir Zeit' ganz wunderbar beschreibt ....


Von aussen in die vermeintlich zu langsame motorische Entwicklung einzugreifen, indem man Bewegungen anbahnt oder das Kind in Positionen bringt, die es selber noch nicht einnehmen könnte (es z.B. hinsetzt oder hinstellt) bringt wenig, wenn es nicht sogar schadet. Weil man das Kind dadurch abhängig macht von der Hilfe von aussen. Viel wichtiger ist es, ihm die Freude am Entdecken und an der eigenen Bewegung zu lassen und ihm Selbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten zu schenken. Denn um sich weiter entwickeln zu können, muss man wissen, wie man Dinge lernt: man muss gelernt haben zu lernen. Das ist die Grundlage für Eigenständigkeit, für Autonomie.


Und weitestgehende Autonomie im Leben, das ist es, was ich mir für Lola wünsche. Dass sie lernt, alleine zu essen, sich alleine anzuziehen, vielleicht sogar selber zu kochen und einzukaufen, sich selber in der Stadt fortzubewegen, ob nun zu Fuß, in der Tram oder auf dem eigenen Fahrrad. Dass sie lernt, mit anderen Menschen umzugehen, Freunde zu finden, ihre Wünsche und Probleme mitzuteilen, auch mit Frustrationen umzugehen und Konflikte auszutragen. Ja, dass sie es lernt, ihr Innerstes auszudrücken. All das wünsche ich mir für Lola. Ob sie nun auf eine Regelschule geht oder in die Förderschule, alleine wohnt oder in einem Wohnprojekt oder bei uns, auf dem ersten Arbeitsmarkt arbeitet oder in einer Werkstatt (wieviele Menschen leben nicht von staatlichen Geldern), alleine in Urlaub fährt oder mit der Familie, all das ist irgendwie 'Jacke wie Hose'.


Und damit Lola es eines Tages schafft, so gut wie möglich eigenständig zu leben, vielleicht noch viel besser als ich es mir heute vorstellen kann, will ich mich in Geduld üben und sie lieber alleine machen lassen als fördernd (und fordernd) von aussen einzugreifen. Ganz konkret heisst das: ruhig abwarten und ihr vertrauen; ihr genug Spielzeug und interessante Gegenstände auf dem Boden anbieten, die sie anregen, sich zu bewegen, egal ob rollend, robbend oder irgendwann mal krabbelnd. Und die sie erkunden kann, egal ob im Liegen, im gestützten Seitsitz oder irgendwann mal im Sitzen. Klar geht manches im Sitzen einfacher. Hält man in der einen Hand die Kugel, in der anderen Hand die Schüssel, kann man das Konzept von Inhalt und Behälter ganz anders erfassen. Aber zur Not geht das auch im Liegen, wenn man ausreichend flache Behälter hat.


Wichtig ist vor allem, dass die Intiative vom Kind ausgeht. Denn sucht sich ein Kind ein Spielzeug selber aus und zeigt auch länger Interesse daran, wird es viel mehr darüber lernen und behalten, als wenn ihm der Erwachsene von aussen was hinstellt, was es gar nicht interessiert. So gibt es sogar eine Studie, die zeigt, dass Kinder mit Down-Syndrom besser das Wort für ein selbstgewähltes Spielzeug lernen als für eines, das die Mutter ausgesucht hat. Was wieder mal die Wichtigkeit von Eigeninitiative und Autonomie im Lernprozess zeigt.

Also, was braucht es zur guten Entwicklung eines Kindes?

1.) Liebe, Liebe, Liebe
2.) eine interessante Umgebung, die zum Entdecken und Nachahmen einlädt,
3.) genug Bewegungsfreiheit, drinnen und draussen.

Der Rest kommt von ganz alleine .... bei den einen früher, bei den anderen später.

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