Am Wochenende hatte ich ein sehr schönes längeres Telefonat mit meinem Vater, auch bekannt als PM, den ich eigentlich 'nur' angerufen hatte, um ihn zum bestmöglichen Vorgehen bei einer Mandelentzündung zu befragen (mein Vater ist Arzt). Da er im Zug saß und sechs Stunden Fahrzeit vor sich hatte, hat er mich an seinen vielen Gedanken zur Besonderheit seiner Enkelin Lola teilhaben lassen. Naja, nicht direkt zu ihr, aber doch zum Umgang mit 'besonderen' Menschen ...
Zum einen erzählte er mir von einem interessanten Artikel über 'besondere' Menschen, den er in einem ärztlichen Fachbuch gefunden hatte. Wie er später fest stellte, war der Artikel allerdings 25 Jahre alt. Darin wurde berichtet, dass die Entwicklungschancen von 'besonderen' Kindern in der gebildeteten Oberschicht SCHLECHTER seien als in weniger gebildeten Familien. Warum? Weil die weniger gebildeten Leute weniger Probleme mit einem Kind mit 'geistiger Behinderung' hätten als die bürgerliche Oberschicht. Für die stelle 'solch ein Kind' ein echtes Makel dar und wurde am liebsten versteckt, denn eine erfolgreiche Rechtsanwaltkarriere würde es bestimmt nicht haben. Die 'einfacheren' Leute hatten viel weniger Probleme mit ihrem Kind, zumal seine Zukunftsaussichten in ihren Augen ja gar nicht so dramatisch anders waren und schleppten es einfach überall hin mit. Mein Vater erwähnte in diesem Zusammenhang auch die Tendenz früherer Zeiten, die Kinder als eine Gabe Gottes zu sehen, die man so zu nehmen habe, wie sie kämen, und jedes fand irgendwo seinen Ort. Im Gegensatz zur heutigen Erwartung an ein Designer-Baby.
Zum anderen erzählte mir mein Vater von einem sehr interessanten Beitrag in den Sternstunden, den er zusammen mit meiner Mutter angeschaut hatte, wo über einen Schweizer Pädagogen berichtet wurde. Dieser meinte, dass es gerade für 'entwicklungsverzögerte' oder 'behinderte' Kinder am besten sei, wenn man sie möglichst viel selber machen lasse, ihnen sehr viele Anreize zur Erkundung ihrer Umgebung, zum Spielen, zum Entdecken gäbe und möglichst wenig in ihre Entwicklung eingreife. Denn sie sollten vor allem Eigeninitiative entwickeln, Lust am Entdecken im eigenen Spiel. Dann würde automatisch die motorische Entwicklung mit ihrer psychischen Entwicklung harmonisieren, was das wichtigste wäre. Groß angelegte Schulungsprogramme würden den jedem Kind inne wohnenden Entdeckungsdrang nur negativ beeinflussen. Dazu gab es dann auch einen Bericht aus einer Dresdner Schule, einer 'freien Schule', in einem der Problembezirke von Dresden, wo man den Kindern nur wenig Stoff frontal vorsetzt, sondern sie ganz viel selber machen lässt, in ihrem eigenen Rhythmus, je nach ihrem Interesse. Und diese Schule hatte beim Sächsischen Bildungstest kurioserweise am besten abgeschnitten, bei weitem!!!
Und meine Gedanken dazu? Nur soviel:
Auch heute, 25 Jahre später, ist gewiß einiges dran an der Beobachtung, dass es Akademikern schwerer fällt, mit der 'geistigen Behinderung' ihrer Kinder umzugehen....
Und nächste Woche habe ich einen Termin bei Monika Aly von der Pikler-Gesellschaft. Die Vordenkerin der Gesellschaft, Emmi Pikler, war eine grosse Verfechterin der autonomen Entwicklung des Kindes ('Laßt mir Zeit').
Ich habe bei "PM" gestöbert. Schön, wie er über dich und Lola schreibt. Ihr seid bestimmt eine ganz tolle Familie :o)
AntwortenLöschenIch hatte gestern in der hiesigen GB-Schule ein gutes Gespräch, wo es um die Erziehung zur Selbstbestimmung und Eigeninitiative der Schüler ging.
Dein Posting zu "Perspektiven e.V." hat mich echt traurig gemacht. Schlimm, was es so alles gibt :o(
Liebste Grüße und dem Hals weiterhin alles Gute,
Eva