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Mittwoch, 9. Mai 2012

Ich mit ohne Mama

Was ich noch gar nicht erzählt hatte: ich war im Rahmen der Leipziger Buchmesse vor ein paar Wochen auf einer ganz und gar fantastischen Lesung. Von Doro Zachmann und ihrem Sohn Jonas. Den der eine oder andere als "Knüller", aus dem Buch "Bin Knüller" kennt.

In dem neuen Buch "Ich mit ohne Mama", das Doro Zachmann gemeinsam mit ihrem Sohn geschrieben hat, geht es vor allem um das Erwachsen-Werden eines jungen Menschen mit Down-Syndrom. Dem Streben nach Eigenständigkeit, der zunehmenden Bewusstwerdung und Auseinandersetzung mit der Diagnose Down-Syndrom und klar, der Hingezogenheit zum anderen Geschlecht...

Begeistert hat mich vor allem Jonas selbst. Wie selbstbewusst und natürlich, unglaublich witzig und direkt er auf der Bühne agierte. Seiner Mutter klar zu verstehen gibt, dass sie keine Ahnung hat von Männersachen, sprich Bartwuchs, Rasieren und ihm das bitte gefälligst alleine überlassen soll. Dass er in der Auswahl seiner Musik und vor allem deren Lautstärke verdammt nochmal überhaupt nicht von ihr reglementiert werden möchte und mit stärkstere Zurückweisung reagiert, wenn sie ihre mütterliche Autorität dafür missbraucht. Wie er kämpft für sein Recht auf seinen eigenen Weg, wie jeder andere Heranwachsende auch, aber dazu noch mit einem entwaffnenden Charme. Und mit welch beneidenswertem Selbstbewusstsein er gesegnet ist, von dem man sich so gerne ein klitzelkleines Scheibchen abschneiden würde. Als seine Mutter ihm vorschlägt, einen Fanbrief -in dem sich eine junge Frau bei ihm für seine wunderbare Gesellschaft, seinen Humor und seine Fähigkeiten als Tänzer bedankt - als Andenken über sein Bett zu hängen, ist sein Kommentar: "Mama, den kannst du ruhig haben. Das weiß ich doch alles schon."

Bewundernswert auch Doro Zachmann, die Mutter. Wie herzlich und natürlich sie zusammen mit Jonas auf der Bühne agiert. Ihn respektiert und ernst nimmt, in allen seinen Äußerungen, mit seiner ganzen Art. Und das scheinbar von Kindesbeinen an, das hat mich sehr beeindruckt. Ihre Fähigkeit, ihren Sohn genauso wie er ist anzunehmen, ihm seine Eigenheiten als Teil und Ausdruck seiner Persönlichkeit zu lassen und sich wirklich ernsthaft mit ihm auseinanderzusetzen. Ihm zum hundertsten Mal, aber ganz ruhig und bestimmt zu erklären, dass er eine halbe Stunde eher mit dem Bus abfahren muss, um pünktlich um 14 Uhr beim Arzt zu sein. Weil der Bus eben eine halbe Stunde Fahrzeit braucht. Und fünf Minuten nicht reichen. Um ihm wirklich dabei zu helfen, unabhängig zu werden. Welche Geduld und Ruhe, da bräuchte ich auch mal mehr davon. Oder ihn gehen zu lassen, als er abends Wut entbrannt das Haus verlässt, weil er nicht weiter Fernseh schauen darf. Und erst Stunden später reumütig aus dem nächsten Dorf anruft, dass er jetzt zurückkommt, während sie fast gestorben ist vor Sorge. Ihm aber zugetraut hat, dass er das schafft, alleine in der Nacht seinen Weg zu finden. Und genau deswegen wahrscheinlich so viel schafft, weil sie es ihm von Anfang an zugetraut hat.

Nein, ich kann es gar nicht angemessen wiedergeben, diese wunderbare Lesung, die - wirklich ganz objektiv - mehr als kurzweilig war, liebevoll und sehr persönlich von beiden gestaltet und mit einer kleinen Tanzeinlage von Jonas noch zusätzlich aufgepeppt. Aber falls die beiden mal auf ihrer Lesetour in eurer Stadt gastieren sollten, ich kann euch einen Besuch der Lesung nur wärmstens empfehlen. Mir hat es einen sehr schönen Abend und ein neues Vorbild für Lola beschert, die allerdings schon heute in ihrem selbstbewusstsein und in ihrem Hang zur Komik nur wenig nachsteht.

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