Seiten

Montag, 30. Januar 2023

Die neue Küchenkraft!

 

Voller Vorfreude, mit einem Rucksack voller Wechselsachen und Frühstücksvesper, marschierte Lola heute früh zu ihrem ersten Tag im Betriebspraktikum, in der Küche einer integrativen Kita. "Bin nervös", murmelte sie mir dann doch zu, kurz bevor wir das Gebäude betraten. 

Doch kaum angekommen, winkte sie nur ein kurzes 'Hallo' zu den beiden anderen Küchenkräften, die sie vom Vorstellungsgespäch kannte, und verschwand in der Garderobe zum Umziehen. Um 13 Uhr könnte ich sie wieder abholen, rief mir die Küchenchefin zu, grinste und meinte, das würde schon klappen. Als ich wohl etwas verunsichert guckte. 

Zu Hause machte ich mir doch meine Gedanken, wie sie das machen würde dort. Ohne Schulassistenz, die sie in der Schule eigentlich rund um die Uhr betreut. Mit fremden Leuten, in neuer Umgebung. Bei einer "richtigen echten Arbeit". Sie, die sonst alle fünf Minuten über Müdigkeit klagt, Bauchschmerzen, oder Film oder Handy gucken will. 

Doch als ich sie am Mittag wieder abholte, empfing mich der dritte Küchenmitarbeiter schon mit einem breiten Grinsen und einem Daumen hoch. Und Lola schoss mir strahlend wieder aus der Garderobe entgegen. Nachgefragt, wie sie sich so gemacht habe über den Tag, erzählten sie mir, dass es super lief. Am Morgen hatte sie Gurken geschält und geschnitten, das Essen zu den Kindern gebracht, Wäsche im Haus verteilt und nach dem Mittag das Geschirr mit abgewaschen. Kleine Pausen dazwischen, alles bestens. 

Auf dem Nachhauseweg erzählte sie mir dann noch lang und breit, dass sich der Himmel nachher verdunkeln und es Regen geben werde (stimmte tatsächlich), und welche Lieblingsmusik sie in Radio Leipzig beim Schnippeln gehört hatten. Glücklich und zufrieden! 

Wie stolz bin ich auf Lola, und freue mich für sie über diesen wunderbaren ersten Arbeitstag. Es war herrlich, sie so zufrieden zu sehen. Zu erleben, dass sie dort eine Arbeit gefunden hat, die sie wirklich gut kann, die ihr Spass macht, mit netten Leuten. Etwas Sinnvolles, wo sie beitragen kann und sich gebraucht fühlt. Und ja, das wäre tatsächlich eine Stelle am ersten Arbeitsmarkt, wo sie mit ihren Fähigkeiten (und ihrem Tempo) wirklich arbeiten kann.


Und am Abend schrieb sie dann noch - allerdings mit deutlich mehr Unwillen, einen kurzen Praktikumsbericht für die Schule. Dann war die Energie aber auch raus...


Donnerstag, 26. Januar 2023

Was macht mich glücklich?

Was macht mich eigentlich so glücklich, dass ich morgens schon aus dem Bett schieße und gar nicht erwarten kann, dass der Tag beginnt. (Was gerade eher selten der Fall ist leider...)

Was definitiv hilft, um mich gut zu fühlen:

Draussen in der Natur sein, auf steile Berge wandern, im Garten die Rosen schneiden oder Unkraut jäten (ja, das mag ich wirklich! Nichts hilft besser gegen innere Anspannung und Wut)

Backen, aus irgendwelchen Gründen fühle ich mich immer glücklich danach. Letzte Woche habe ich mit den zerhexelten Resten der Weihnachts-Hexenhäuser Schoko-Muffins gebacken. Vanillekipferl sind aber auch super. Ein Gefühl von Kindheit und Wärme. Kochen ist Liebe, hat mir ein Freund neulich gesagt. 

Tanzen, mit richtig lauter Musik, so richtig Handbangen zu den 'Ärzten'! Natürlich auch gepflegter, zu Tangorhythmen von irgendeinem guten Tänzer mich über das Parkett 'tragen' lassen. Also geführt werden! (endlich mal keine Entscheidungen treffen)

Durch mir fremde Städte laufen und sie Strasse für Strasse entdecken, ohne System. Und ewig in Cafes sitzen und den Leuten an den Nachbartischen heimlich zuhören. Und sie zeichnen. Wie neulich im Cafe Jelinek in Wien. 

 

Mit einer guten Freundin im Abendwind auf dem Dach ihres Altbaus sitzen, direkt auf der Dachpappe, die noch warm ist von der Julisonne, und mit Prosecco anstossen, auf die Liebe und die Kinder und die nicht mehr vorhandene Jugend. Wie lange habe ich das nicht mehr getan, vielleicht fühle ich mich deswegen gerade so alt. 

Ach, und noch so viel mehr, was ich mir lange schon viel zu selten gönne, eingespannt in den Alltag mit drei Kindern und der Arbeit. Dabei ist es doch gerade das Zusammensein mit anderen Menschen (nicht ausschließlich den eigenen Kindern und dem Partner), was nachweislich glücklich macht!!! 

Habe ich heute früh in der SZ gelesen, in einem Interview mit Waldinger, einem Harvard Psychiatrieprofessor, der in einer Langzeitstudie mit 724 Amerikanern - über 85 Jahre hinweg - feststellen konnte, dass vor allem eines über das Glück von Menschen entscheidet: ihre Beziehungen!!! 

Nicht unbedingt die Beziehung zum Ehepartner, wobei eine glückliche da sicher auch Vorteile bringt, nein, vor allem die sozialen Beziehungen, die ein Mensch hat, tragen zum Glück bei: wenn er sich eingebunden fühlt, zusammen mit anderen etwas erlebt, beiträgt - Gemeinschaft erlebt.

Der glücklichste Mensch der Studie war ein Lehrer, der seine Arbeit liebte, das Unterrichten, ebenso wie seine Familie und seine beiden Kinder. Und dem es vor allem wichtig war, für andere Menschen etwas zu tun, und nicht so sehr, um sich selber zu kreisen und um sein eigenes Wohlbefinden. 

Da werde ich mir doch gleich mal das Buch "The good life: Lessons from the World's longest study on happiness" bestellen, das Waldinger gerade veröffentlicht hat, und mir das im Detail durchlesen.



Oder aber: mich endlich wieder mit all den alten Freunden treffen, die ich schon viel zu lange nicht mehr gesehen habe: um nächtelang zu diskutieren, wild zu tanzen, gemeinsam durch Flußauen zu wandern, und so viel mehr. 

Vielleicht ist es einfach das, was mich dann wieder aus dem Bett treibt. Und mich zu einer glücklichen Mutter macht, die ihren Kindern zeigt, was Lebensfreude bedeutet. Trotzdem vieles gerade so schwer scheint - oder vielleicht gerade deswegen! 



Montag, 23. Januar 2023

Ab in die Küche!

Als Lola klein war, hatte ich so gar keine Vorstellung, was sie beruflich einmal machen könnte. Leere Bildfläche in mir. Nur eines war mir klar: in einer Werkstatt für behinderte Menschen sollte sie nicht arbeiten. Nein, lieber Theater spielen, zum Beispiel beim Rambazamba in Berlin, Schauspielerin werden oder Malerin in einem Atelier, wie Patrizia Netti. Die Vorstellung, dass sie irgendwo Schrauben sortieren oder Prospekte in Kisten packen sollte, erschien mir gruselig. 

Nachdem ich zwei Jahre lang für die Lebenshilfe Leipzig, einem Verein für Menschen mit geistiger Behinderung Öffentlichkeitsarbeit gemacht hatte, änderte sich meine so klar ablehnende Haltung. Ich lernte Werkstatt, Wohnheime und höchst engagierte Leiter:innen und Mitarbeiter:innen kennen und erkannte, wie viel Freude und Sinn diese Arbeit für viele darstellte, ganz abgesehen von der Tagesstruktur, die sie bot. Aber Lola konnte ich mir dort immer noch nicht vorstellen. 

Sie war eine echte Rampensau, tanzte verkleidet auf jeder Bühne, spielte begeistert Geige, auch auf Konzerten, sang schief ins Mikro, malte stundenlang wahre Kunstwerke in prallen Farben. Warum nicht wirklich was Künstlerisches später zum Beruf machen? Die Hoffnung blieb. Doch je älter sie wurde, desto weniger malte sie, desto weniger gerne trat sie auf die Bühne (trotz Waldorfschule), und singen, tat sie nur noch für sich alleine. Ihr Traum, klar: Sängerin. Aber ihre Lieder singt sie derzeit zwar immer noch laut und schief und ohrenbeträubend laut, aber zumeist hinter verschlossener Türe oder alleine im Auto.

Nun steht im Februar ein dreiwöchiges Betriebspraktikum an und die brennende Frage war, wo? Lolas Traum wäre: The Voice Kids. Songcontest. Aber die Schule wollte eine praktische Tätigkeit. Ich überlegte, was Lola sonst so gerne mag, jenseits meiner und ihrer hehren Träume. Sie kocht und backt gerne, hilft in der Küche beim Gemüseschnippeln, macht die Wäsche bei uns im Haushalt. Also vielleicht irgendetwas im Bereich Hauswirtschaft? Vielleicht im Inklusionshotel Phillipus hier in Leipzig, wo einige andere Schüler:innen ihrer Schule schon Praktikum gemacht hatten und sehr zufrieden waren. 

Nach einem Anruf dort die Info, dass es da zur Zeit keine Gelegenheit gäbe. Aber in einem integrativen Kindergarten der BBW, da bräuchten sie jemanden zur Hilfe in der Küche, bei der Essensausgabe. Ob das nicht was wäre? 

Zwei Wochen später stellte sich Lola vor: und lernte das super nette Küchenteam bestehend aus drei Leuten kennen, von denen zwei eine Behinderung haben, und gemeinsam seit Jahren die Küche dort rocken. Frühstück zubereiten, das Essen warmmachen, dass von den 'Diakonischen Unternehmensdiensten', einem Integrationsunternehmen, vorgekocht und geliefert wird, Abwasch machen und die Küche wieder klar Schiff machen. Und Lola war begeistert! Ja, das will sie!  

Lola beim Backen eines Schoko-Kirch-Kuchens für ihre Projektarbeit im Schulclub.

Nun geht es nächste Woche Montag los, und sie ist schon irre aufgeregt. Und ich bin wirklich gespannt, wie sie sich dort wird einbringen können, so ganz alleine, ohne ihre Schulassistenz, die sie in der Schule in vielen Fächern begleitet. Lola freut sich jedenfalls schon sehr: vor allem darauf, dass sie dort MDR-Jump hören in der Küche. Ich hoffe nur, dass sie da nicht vor allem laut singen und tanzen und ihr eigenes Voice Kids feiern wird, sondern wirklich mithilft.

Sonntag, 22. Januar 2023

Dem Rausch sei Dank

Freitag Nachmittag, ich sitze im Zug nach Berlin. Ein freies Wochenende vor mir, ganz allein mit meiner besten Freundin U. Das erste Mal seit 20 Jahren, dass wir ein Wochenende zu zweit verbringen, ohne die Kinder, ohne die Männer, ohne Verpflichtungen. Die Wintersonne scheint in den Waggon, ich öffne das Büchlein 'Hier geht's lang' von Elke Heidenreich, über die Bücher von Frauen, die ihr Leben geprägt haben. Lese, mache mir Notizen, schaue aus dem Fenster. Träume von den Strassen von Berlin, vom Theaterabend morgen abend, von unserem Besuch in der Gemädegalerie, unseren Gesprächen darüber. Wie wir uns endlich die Welt und die Stadt und das Leben zurückerobern.

Am Bahnsteig kommt mir U. strahlend entgegen. Lange drücken wir uns. Einmal ganz ohne die Kinder und Männer im Schlepptau, nur wir beide. Wir fahren mit der S-Bahn zum Alexanderplatz, vorbei an meiner alten Fakultät, die Lichter des Fernsehturms blinken am Himmel. Steigen in die Tram und am Prenzlauerberg wieder aus, spazieren durch die mit Läden und Cafes und Restaurants gesäumten Strassen um den Kollwitzplatz und denken zurück an die Tage, wo wir Anfang der Neunziger Jahre hier zum ersten Mal lang gingen. Und uns in das einzige Cafe am Platz setzten, wo der Putz von den Wänden bröckelte. Heute gehen wir asiastisch essen und danach in ein schickes Weinlokal mit einem Michelin-Stern, und bestellen Drinks: sie einen Gin Sour und ich einen reinrassigen Grauburgunder. Die Nacht kann kommen. 

Der Abend wird lang, zwischen dem Schwelgen in alten Erinnerungen und dem uns gegengeistig Updaten über die energetisierenden Kräfte unser kreativen Arbeit, bis die Kellnerin uns rausschmiesst. Sie wollen Feierabend machen. Nach Umwegen landen wir in der Bar unter der Wohnung in der Sredzkistrasse, wo wir übernachten. U. bestellt Negroni, ich Aperol Sprizz. Und die Gespräche werden tiefer, lustiger, mit grossen Augen lauschen wir den vielen Geschichten, die sich über die Jahre in uns angestaut haben, die wir nie Zeit und Raum hatten uns zu erzählen. Wir wollen nicht gehen, so rauschselig ist dieser Abend. Sie bestellt noch einen Drink mit Whiskey und Sahne, ich noch einen kleinen Sprizz. Bis die Barkeeperin uns auch hier rausschmeisst. Glücklich wanken wir die Treppen hoch zur Wohnung, uns haltend an den Wänden. 

Erst gegen Mittag erwache ich, wecke meine Freundin, wir haben doch so viel vor, wie konnten wir verschlafen. Cafes, Secondhandläden, Theater, Tanzen mit Freunden, vielleicht noch eine Galerie dazwischen... Die Großstadt und das Leben rufen. U. öffnet ein Auge. Ihr Kopf schmerzt, ihr Magen rebelliert, sie kann nicht aufstehen. "Wie dusselig", sagt sie. Dreht sich um und schläft weiter. Nach einer Stunde wecke ich sie vorsichtig, biete ein weißes Brötchen an, einen heißen Tee. Sie probiert, aber ihr Magen spielt immer noch verrückt. "Es tut mir leid", sagt sie und schläft weiter. Ich gehe ins Wohnzimmer  und schaue aus dem Fenster. Öffne mein Schreibheft und beginne zu schreiben. Während es draussen zu schneien beginnt und meine Freundin schläft. Hinter den Fenstern höre ich die Großstadt.

Um 15 Uhr steht sie kurz auf und legt sich aufs Sofa ins Wohnzimmer. Ich lese aus dem Buch "Schreibtisch mit Aussicht" vor, Geschichten von Schrifstellererinnen über ihr Schreiben. Sie lächelt dankbar, sagt kurz ein paar Worte und schläft wieder ein. Erst gegen 18 Uhr ist sie so weit, dass sie etwas Kleines essen kann, eine Suppe vom Asiaten. 

Wir sitzen im Wohnzimmer, schauen durch die Altbaufenster in den Nachthimmel und fangen an, uns der alten Zeiten zu erinnern. All der Reisen, die wir gemacht haben, der wilden Feste, der WGs, die wir gemeinsam bewohnt haben. Und beginnen zu schreiben: "Ich erinnere mich.... " 20 Minuten lang, all die kleine und großen gemeinsamen Erinnerungen, ungeordnet, die wie ein Feuerwerk im Kopf aufpoppen, kaum haben die Stifte Zeit, hinterherzukommen. Anschließend lesen wir uns abwechselnd unsere Texte vor. Lächeln, lachen und weinen still, berührt von den Momenten, die wir alleine nicht mehr erinnert hätten.

Welch ein Reichtum, der uns verbindet. Über all die 30 Jahre, die wir uns kennen. Ein geteiltes Leben. Beglückt strahlen wir uns an. Und wissen, dass wir diesen gemeinsamen Tag in der kleinen Wohnung in der Sredzkistrasse im Prenzlauerberg nicht vergessen werden. Dass er Teil wird von diesem gemeinsamen Erinnerungsschatz. Auch und vielleicht gerade, weil er so ganz anders war, als erwartet. Weil er uns unverhofft die Zeit geschenkt hat, all das gemeinsam Erlebte wahrzunehmen, auf Papier festzuhalten und es 'zu feiern', statt dem noch so viele neue Eindrücke hinzuzufügen. Einer berauschten Nacht sei Dank!