Als Lola klein war, hatte ich so gar keine Vorstellung, was sie beruflich einmal machen könnte. Leere Bildfläche in mir. Nur eines war mir klar: in einer Werkstatt für behinderte Menschen sollte sie nicht arbeiten. Nein, lieber Theater spielen, zum Beispiel beim Rambazamba in Berlin, Schauspielerin werden oder Malerin in einem Atelier, wie Patrizia Netti. Die Vorstellung, dass sie irgendwo Schrauben sortieren oder Prospekte in Kisten packen sollte, erschien mir gruselig.
Nachdem ich zwei Jahre lang für die Lebenshilfe Leipzig, einem Verein für Menschen mit geistiger Behinderung Öffentlichkeitsarbeit gemacht hatte, änderte sich meine so klar ablehnende Haltung. Ich lernte Werkstatt, Wohnheime und höchst engagierte Leiter:innen und Mitarbeiter:innen kennen und erkannte, wie viel Freude und Sinn diese Arbeit für viele darstellte, ganz abgesehen von der Tagesstruktur, die sie bot. Aber Lola konnte ich mir dort immer noch nicht vorstellen.
Sie war eine echte Rampensau, tanzte verkleidet auf jeder Bühne, spielte begeistert Geige, auch auf Konzerten, sang schief ins Mikro, malte stundenlang wahre Kunstwerke in prallen Farben. Warum nicht wirklich was Künstlerisches später zum Beruf machen? Die Hoffnung blieb. Doch je älter sie wurde, desto weniger malte sie, desto weniger gerne trat sie auf die Bühne (trotz Waldorfschule), und singen, tat sie nur noch für sich alleine. Ihr Traum, klar: Sängerin. Aber ihre Lieder singt sie derzeit zwar immer noch laut und schief und ohrenbeträubend laut, aber zumeist hinter verschlossener Türe oder alleine im Auto.
Nun steht im Februar ein dreiwöchiges Betriebspraktikum an und die brennende Frage war, wo? Lolas Traum wäre: The Voice Kids. Songcontest. Aber die Schule wollte eine praktische Tätigkeit. Ich überlegte, was Lola sonst so gerne mag, jenseits meiner und ihrer hehren Träume. Sie kocht und backt gerne, hilft in der Küche beim Gemüseschnippeln, macht die Wäsche bei uns im Haushalt. Also vielleicht irgendetwas im Bereich Hauswirtschaft? Vielleicht im Inklusionshotel Phillipus hier in Leipzig, wo einige andere Schüler:innen ihrer Schule schon Praktikum gemacht hatten und sehr zufrieden waren.
Nach einem Anruf dort die Info, dass es da zur Zeit keine Gelegenheit gäbe. Aber in einem integrativen Kindergarten der BBW, da bräuchten sie jemanden zur Hilfe in der Küche, bei der Essensausgabe. Ob das nicht was wäre?
Zwei Wochen später stellte sich Lola vor: und lernte das super nette Küchenteam bestehend aus drei Leuten kennen, von denen zwei eine Behinderung haben, und gemeinsam seit Jahren die Küche dort rocken. Frühstück zubereiten, das Essen warmmachen, dass von den 'Diakonischen Unternehmensdiensten', einem Integrationsunternehmen, vorgekocht und geliefert wird, Abwasch machen und die Küche wieder klar Schiff machen. Und Lola war begeistert! Ja, das will sie!
Lola beim Backen eines Schoko-Kirch-Kuchens für ihre Projektarbeit im Schulclub. |
Nun geht es nächste Woche Montag los, und sie ist schon irre aufgeregt. Und ich bin wirklich gespannt, wie sie sich dort wird einbringen können, so ganz alleine, ohne ihre Schulassistenz, die sie in der Schule in vielen Fächern begleitet. Lola freut sich jedenfalls schon sehr: vor allem darauf, dass sie dort MDR-Jump hören in der Küche. Ich hoffe nur, dass sie da nicht vor allem laut singen und tanzen und ihr eigenes Voice Kids feiern wird, sondern wirklich mithilft.
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