Morgen Nachmittag hat Lola einen kleinen Geigenauftritt in ihrer Musikschule. Ganz aufgeregt ist sie heute ins Bett gegangen, nachdem sie am Nachmittag noch ganz fleissig geübt hat.
Seit ihrem sechsten Lebensjahr spielt sie nun schon Geige nach der Suzukimethode. Genau wie ihre ältere Schwester Greta. Und war von Beginn an begeistert dabei. Auch wenn ihre Fortschritte wirklich minimal waren über viele Jahre hinweg...
Zwei Jahre lang spielte sie das A und E-Seiten Liedchen, also auf leeren Seiten. Lernte verschiedene Rhythmen. Aber an das Spielen mit Fingern war lange nicht zu denken...
Erst im dritten Jahr kamen dann langsam die Finger dazu. Und sie brauchte weitere drei Jahre, um 'Leuchte Leuchte kleiner Stern' zu lernen, den Klassiker der Suzukianfänger. Mit allen verschiedenen Rhythmen.
Erst mit 11 Jahren begann sie, erste Kinderlieder zu spielen, 'Hänschen Klein', 'Alle Vögel' und 'Fuchs du hast die Gans gestohlen'. Was sie im letzten Sommer, also mit dreizehn Jahren, dann so richtig gut und rund spielen konnte, gemeinsam mit den anderen Kindern. Beim Sommerkonzert.
Wobei das vor allem der Tatsache zu verdanken war, dass ihre Geigenlehrerin Iokine begann, ihr die Noten der Lieder anders zu notieren. Indem sie statt der Noten die Finger aufschrieb, die sie benutzen sollte, und die Saiten mit unterschiedlichen Farben markierte. Das brachte den entscheidenden Durchbruch, denn nun konnte sie endlich vom Blatt spielen, und hatte eine visuelle Unterstützung beim Spielen, weil sie sich die Lieder weder über die Finger noch über das Gehör so gut merken konnte. Da ihr auditives Gedächtnis extrem schlecht ist.
Und im letzten Jahr hat sie dann - während der Corona-Homeschooling-Zeit - plötzlich das Geigen für sich alleine entdeckt. Wahrscheinlich aus purer Langeweile :-(
Sie nahm sich die extra für sie gemalten Notenblätter und spielte die Lieder ganz alleine. Oft stundenlang. Bis sie sie immer besser konnte. Zwar nicht auswendig, aber vom Blatt. Und mit einem wunderschönen Klang! (Naja, manchmal auch ein bisschen schief, aber wirklich schön und kraftvoll)
Und im letzten Jahr rauschte sie quasi durch das Notenheft. Spielte erst das Allegro (Blitzlied), dann Perpetual Motion, Andantino, die Etude und nun sogar das 1. Menuett von Bach!
Alles flüssig vom Blatt, natürlich nicht immer perfekt und gerade, auch der Rhythmus schwankt, aber sie hat einen wunderbar kräftigen Strich, viel Ausdruck und sie übt! Ganz alleine in ihrem Zimmer, manchmal bis zu einer dreiviertel Stunde am Stück!
Und so spielt sie nun morgen beim Konzert "Perpetual motion", das sie als erste Stück sogar auswendig spielt, und das 1. Menuett von Bach! Und ich bin so gespannt auf den morgigen Tag. Und werde natürlich versuchen, Fotos zu machen und vielleicht sogar ein kleines Video.
Ich freue mich so für sie und für ihr enormes Durchhaltevermögen.
Das Ganze ist überhaupt nur so möglich, weil sie den Gruppenunterricht altersübergreifend machen. So dass sie eben seit Jahren mit immer jüngeren Kindern zusammen spielt, die dann zwar recht schnell in eine neue höhere Gruppe kommen, während sie bleibt. Aber in der Gruppe gehört sie zu Anfang des Jahres immer zu den Besten, was ihr enormes Selbstbewusstsein gibt. Und wie alt die anderen Kinder sind, ist ihr zum Glück herzlich egal.
Beim Geigenunterricht erleben wir seit Jahren eine Form von Inklusion, die wirklich funktioniert. Die allerdings nirgends drauf steht. Die aber der wunderbaren Iokine, ihrer Geigenlehrerin, zu verdanken ist. Die sie ernst nimmt, fordert, nicht auf ihre Ablenkungsversuche eingeht. Und begeistert ist über jeden Fortschritt, so dass sie immer wieder über sich hinauswächst.
Interessanterweise hat Iokine einen Cousin mit Down-Syndrom, ist damit also aufgewachsen. Und sie kommt aus Spanien, wo die Menschen ohnehin viel weniger Berührungsängste und Vorurteile gegenüber Menschen mit Behinderungen zu haben scheinen. Ein echter Glücksfall für Lola!
Wie schön! Inklusion beginnt eben im Kopf oder oder eben auch nicht und es muss nicht groß als Label drauf stehen!!
AntwortenLöschenWow, Lola, du kannst stolz auf dich sein! Großes Lob an die fleißige Schülerin!
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