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Montag, 18. Dezember 2017

Während die Natur ruht...

Der Gang durch unseren 'kleinen Garten' hat mir heute eine Einsicht geschenkt. Über die ich schon so oft gelesen, die ich aber noch nie begriffen hatte.

Seit Wochen schon scheint er zu schlafen, unser Garten. Die Blätter sind voller Kristalle. Die letzten Wasserpfützen sind zu Eis gefroren.
Die Erde ruht unter einer Decke von Mulch aus liebevoll zerschredderten Gartenabfällen. Die im nächsten Jahr wieder zu Erde werden.

Ich bin traurig, dass es hier für mich nichts mehr zu tun gibt. Denn das regelmäßige Arbeiten im Garten hat sich in den vergangenen Monaten als ein wahres Geschenk erwiesen.

Die Erde auf dem Gemüseacker hacken, den wilden Löwenzahn aus der Erde ziehen, die Rosen beschneiden.

Tagtäglich ging ich unseren 'kleinen Garten', wie ihn die Kinder liebevoll nennen. Steckte die Hände in die Erde, atmete erst die heisse, dann die warme, irgendwann die kalte Luft. Und meine Seele kam zur Ruhe.

Umso tragischer, dass nun die Pflanzen und die Erde zur Ruhe gekommen sind und für meine aufbrausende, unruhige und suchende Seele sich kein erdender Halt mehr bietet. Keine Aufgabe.

So dachte ich.

Heute ging ich hin, zu unserem Garten. Und schaute einfach die Pflanzen an, wie sie da ruhen.

Das Tränende Herz, das gestern noch seine leuchtend roten Blüten über den Weg hängen liess, ist ganz verwelkt. Und ich werde die Ruten wohl abschneiden müssen.

Die Rosen sind zu Hagebutten geworden. Doch sie zu schneiden,  kann ich nicht übers Herz bringen. Sollen ihre Früchte gedeihen.

Der Hibiskus trägt auf einmal eine dicke Kapsel voller Samen, die mir unter dem Laub nie aufgefallen war.

Aber da.

Die Schwarze Johannisbeere scheint in wenigen Tagen hunderte von Knospen gebildet zu haben. 

Auch am Fusse der Fetten Henne, deren buschige Blütendolden den Herbst über unser Wohnzimmer geschmückt haben, lugen neue grüne Keime hervor.

Überall bilden sich die Anlagen für neue Blüten und Triebe.

Und ich dachte, der Garten schläft. Die Natur ruht.

Aber nein.

Alles sammelt sich für das nächste Frühjahr.

In der Kälte und der Ruhe bildet sich heran, was in der Wärme und der Sonne Blüten bringen und Früchte tragen wird.

So soll es wohl sein.

Wenn es im Außen zur Ruhe kommt und sich die Säfte zusammen ziehen, ist es Zeit, dass Neues wachsen kann. 

Samstag, 16. Dezember 2017

Knoten für Knoten

"Ich kann's doch", sagt Lola und macht einen Knoten nach dem anderen in die Fäden.


Sie knotet Armbänder. Was sie in der Schule bei ihrer Hörtnerin im Nachmittagsbereich gelernt hat.

"Helfen Katja. Dann alleine," erklärt sie. (Erst hat ihr Katja geholfen, jetzt kann sie es alleine.)


"Ich kann das nicht", antworte ich wahrheitsgemäß und schaue ihr erstaunt zu, wie sie Knoten für Knoten in die Fäden macht und das Band langsam wächst.


"Charly auch kann's. Nora auch, Murmel auch. Nur ich und meine Freunde. Sara nichts kann's (ihre beste Freundin)."

"Haben Dir Dir beim Knoten geholfen, Deine Freunde?", frage ich.

"Nein. Ich kann's alleine. Helfen auch Dich? (Soll ich Dir helfen?) Rein tun, dann da. Zack zack. Dann leicht."

"Nein, nein. Ich will keine Bänder machen.", sage ich. "Ich schreibe lieber was." Und schreibe diese Worte.


"Wo Greta nochmal? Freundin schlafen?", fragt Lola.

"Ja, Greta hat heute bei ihrer Freundin geschlafen."

"Kommt wieder?"

"Sie kommt heute Nachmittag wieder."

"Spät", sagt Lola etwas enttäuscht. Und knotet weiter.

"Bald fertig das da", sagt sie. Und das Band wächst. Knoten für Knoten.

Solch eine Geduld möchte ich mal haben.  

Dass Lola sich so lange konzentrieren kann und daranbleibt an einer Sache, ist wirklich erstaunlich.  Und ganz neu für sie. Ein Ausdruck, wie stark sich ihr eigener Wille in letzter Zeit entwickelt hat. Und damit ihre Fähigkeit, sich eigene Ziele zu setzen und sie auch zu erreichen.

Ganz sicher ist es auch dem Handarbeitsunterricht in der Waldorfschule zu verdanken. Den sie über alles liebt. Stricken, Nähen, Sticken... Was nicht alles schon gelernt hat in den letzten Schuljahren.

Und ich habe so oft mit der Waldorf-Pädagogik gehadert und mich gefragt, ob und wie das Lola helfen soll. Ob sie nicht gezielter fördern sollten.

Doch länger Lola die Schule besucht, desto überzeugter bin ich.

Knoten für Knoten.

Jeder für sich unbedeutend. Doch am Ende ist ein Band entstanden. Ein Freundschaftsband.

Freitag, 15. Dezember 2017

Shooting




 

An der Kamera: Greta 

Donnerstag, 14. Dezember 2017

"Außen hart und innen ganz weich " ...

Wieso werde ich ausgerechnet dann so hart, wenn ich mich eigentlich ganz schwach und verletzlich fühle?

Wenn alles zusammen zubrechen droht, schalte ich intuitiv auf eine Art Überlebensprogramm, was da lautet: "Alles unter Kontrolle bringen! Ja keine Schwäche zeigen, das würde dich nur noch verletzlicher machen."

Wie nur kann ich diese schwache, weiche, orientierungslose Seite in mir zulassen?

Mich zeigen, so wie ich mich fühle?

In all meiner Verletzlichkeit.

 Meiner Angst.

Meinem Schmerz.

Den Schmerz zulassen.

Die Angst.

Das Dunkle.

Hinschauen. Nicht wegschauen.

Und mich zeigen, in meiner Schwäche.

Ich weiß es nicht. 

Familie inklusive

Das Familienleben ist ein wunderbares Beispiel, wie Inklusion funktionieren kann.

Die Schule und die Gesellschaft tun sich oft so schwer damit.

Aber in der Familie leben wir jeden Tag, wie so ganz unterschiedliche Kinder zusammen leben können.

Jeden Tag versuche ich als Mutter, den unterschiedlichen Fäigkeiten und Interessen gerecht zu werden.

Beim Essen.

Pavel isst nur Kartoffelbrei, Lola immerhin noch ein Sellerieschnitzel dazu und Greta auch noch den Salat.

Beim gemeinsamen Spielen.

Greta spielt die Bank beim Taschengeldspiel "Sparschwein". Lola und Pavel wissen langsam, dass man 80 Cent bezahlen kann, indem man ein 50 Cent Stück, ein 20 und ein 10 Cent Stück gibt.

Im gemeinsamen Gespräch.

Greta erzählt vom letzten RB Leipzig Spiel, das sie leider wieder verloren haben. Pavel berichtet vom Krippenspiel aus der Kirche. Und Lola freut sich auf Mittwoch. Da fliegt sie zu den Abuelos nach Spanien.

Doch wer im Moment am meisten dazu beiträgt, dass Lola zu Hause rundherum zufrieden und glücklich ist, ist Pavel.

Sie spielen eigentlich den ganzen Nachmittag ununterbrochen zusammen.

"Bibi und Tina."

Singen zum x-ten Mal alle Lieder zur Karaoke CD mit.

Laufen verkeidet und wiehrend durch die Wohnung.

Und schlafen nun seit drei Tagen auch zusammen in einem Zimmer.

"Beste Freunde".

Als ich Pavel neulich fragte, ob er denn mal heiraten will, sagte er voller Überzeugung: "Ja. Lola!"

Und es ist unglaublich, was Lola alles durch Pavel lernt.

Alleine durch die lang anhaltenden Diskussionen mit ihm darüber, wer denn im Doppelstock-Bett oben oder unten schlafen soll.

Sie haben gemeinsam entschieden, sich immer abzuwechseln. Und es funktioniert wunderbar! Ohne jeden Streit.

Bei mir würde Lola in wütendes Geheul ausbrechen...

Heute früh fragte Pavel, ob Lola auch zu seinem sechsten Geburstag kommen wird.

"Ja", rief Lola ganz begeistert.

"Natürlich", sagte ich voll schöner Erinnerungen an den letzten Geburtstag.

"Mmh, aber ich will nicht, dass Lola zu meinem Geburtstag kommt", erklärte er bestimmt.

Lola heulte wütend auf.

"Warum denn nicht?", fragte ich.

"Weil ich meine Freunde Oskar, Willi und Anton einladen will. Und ... die kommen nicht, wenn Lola da ist."

"Wieso denn das?", fragte ich.

Er zuckte mit den Schultern. "Die mögen Lola nicht".

Jeden Tag sehen sie Lola, wenn ich zusammen mit ihr Pavel im Kindergarten abhole. Und ab und zu kommen ein paar freche Kommentare.

Als Lola selber noch im Kindergarten war, bis vor 3.5 Jahren, war so etwas nie vorgekommen. Aber da kannten sie auch alle Kinder.

Pavels Freunde kennen Lola nur vom Sehen.

So gut Inklusion innerhalb der Familie funktioniert, an ihren Grenzen hört sie schon auf. Wenn keine täglichen Kontakte bestehen... 

Aber Greta will ihren Geburtstag am liebsten auch ohne ihre kleinen Geschwister feiern.

Und vielleicht unternimmt Lola an Pavels Geburtstag etwas Schönes mit einer Freundin.

Oder Pavels Freunde lernen Lola besser kennen...

Zum Glück ist es noch einige Zeit hin, bis Juni.

Dienstag, 12. Dezember 2017

"Einmal ich tot war..."

"Lola, pass auf. Ein Auto", rief ich Lola heute früh beim Überqueren der Strasse zu. Und zog sie an der Hand zurück. Um Haaresbreite war ein grauer Ford an uns vorbeigeschossen.

"Du musst aufpassen an der Strasse. Wenn Dich das Auto erwischt, bist Du mausetot", sagte ich erregt. Und mein Herz schlug schneller.

"Nicht will tot sein", sagte Lola. "Nicht platt sein."

Ich streichelte ihre Hand und wurde langsam wieder ruhiger.

"Kannst Du Dich eigentlich erinnern an die Zeit, als Du noch im Himmel warst? Bevor du geboren wurdest?", fragte ich sie.

Immer mal wieder spreche ich die Kinder darauf an. Um zu hören, wie sie es sich eigentlich vorstellen, noch nicht geboren zu sein. Und wer weiss? Vielleicht haben sie ja auch eine Erinnerung daran...

Ganz aufgeregt erzählte Lola: "Einmal ich tot war. Nicht schön. Unter Erde, stockdunkel. Nicht will tot sein."

"Ach, und da erinnerst du dich dran?"

"Wieder hoch kommt", erzählte sie weiter. "Alle da wart. Mama. Verena. Nick. (Ihre Tante und ihr Onkel). Alle da wart. Besser."

"Da waren alle bei Dir, das war schön, oder", ermunterte ich sie zum weiter erzählen.

"Krankenhaus raus kommt. Nicht mehr dunkel. Will nicht tot sein", erklärte sie.

Krankenhaus. Wie kam sie denn da drauf? In Kombination mit meinem Bruder Nick und Verena?

Nach ihrer Geburt waren beide nicht direkt da gewesen. Und sie gehörten auch nicht zu unseren gelegentlichen Erzählungen über ihre Geburt.

Doch da fiel es mir ein. Dass sie einmal im Krankenhaus lag. Kurz nach ihrem ersten Geburtstag. Mit einer schweren Lungenentzündung. Zwei Wochen lang lag sie im künstlichen Koma. Und erwachte nur wie durch ein Wunder wieder zum Leben.

Und in einer Nacht war ihre Sauerstoffsättigung auf einen Wert nahe Null gesunken. Nur kurz, vielleicht wenige Minuten lang, aber der Zacken war am nächsten Morgen deutlich auf dem Überwachungsbildschirm zu erkennen.

Ich habe mich oft gefragt, was das bedeutet hat. Wie nah sie da dem Tod gekommen war.

Und auf einmal wirkte ihre Erzählung wie die von einem Nahtoderlebnis.

Denn im Krankenhaus waren Nick und Verena da gewesen. Hatten an ihrem Bett gestanden. Wenn ich es recht erinnere... 

Was für ein irrwitziger Gedanke.

Und doch...

Denn Lola hatte immer schon eine unglaublich starke Verbindung zum Jenseits.

Und der Tod und alle, die schon gestorben sind, haben für sie eine grosse Bedeutung. Über die sie mit grosser Natürlichkeit spricht.

Montag, 11. Dezember 2017

Silbenreihen mit Lola

Das Zusammenschleifen der Laute zu Silben stellt den wichtigsten Einstieg in die Lautsprache dar. Der bei vielen Kindern mit Down-Syndrom, vor allem mit einer verbalen Entwicklungsdyspraxie (Sprechapraxie), nicht spontan gelingt.

Sie können zwar viele Einzellaute aussprechen, aber das Zusammenziehen der Laute zur Silbe misslingt.

Die Kinder sind nicht in der Lage, ihren Stimmapparat (Zunge, Lippen, Stimmbildung mit Hilfe der Stimmlippen) so zu steuern, dass der Übergang von einer Mundstellung (z.B. beim Artikulieren des Lautes m) zum anderen (des Lautes "i") während des Sprechvorganges gelingt.

Durch das systematische Üben des Zusammenziehens von Lauten zur Silbe, inform von Silbenreihen begleitet mit Lautgebärden, kann vielen Kindern jedoch geholfen werden.

Es ist gut, wenn die Kinder zuerst die Lautgebärden für jeden Laut bzw. Buchstaben kennen lernen. Die wichtigsten Lautgebärden werden in diesem Post / Video vorgestellt.

Im nächsten Schritt übt man mit dem Kind systematisch das Zusammenschleifen der Laute zur Silbe, inform von Silbenreihen.

Dabei werden die Übergänge von einem Laut zum anderen systematisch geübt, bis sie automatisiert sind. Wenn die Kinder die wichtigsten Silben (also Lautverbindungen) automatisiert haben, finden sie auch den Übergang in die Lautsprache.

Man beginnt mit dem Zusammenziehen von dauerhaft mitsprechbaren Konsonanten (m, l, s, n, r, w, sch) mit den Vokalen "a, e, i, o, u".

Zuerst übt man die Silbenreihe mit "m". Indem man dem Kind die Silben "ma - me - mi - mo - mu" in der immer gleichen Reihenfolge als Silbenkärtchen vorlegt. Sie dabei vorliest und jede Silbe dabei mit den Lautgebärden begleitet.

Die Silbenkärtchen vom ABC der Tiere sind dafür sehr zu empfehlen. Sie sind vielseitig verwendbar, handlich, stabil und kosten nicht viel. Und man spart sich die mühevolle Herstellung eigener Kärtchen.  

Das folgende Video zeigt beispielhaft, wie das Vorlesen der Silbenreihen aussehen kann. 



Und in diesem Video zeigt Lola alle Lautgebärden zu den Silben, die man während des Lesens der Silben gebärdet.



So kann das Kind über mehrere Kanäle lernen: über den visuellen durch die Silbenkärtchen und die Lautgebärden, und über den auditiven durch das langsame Vorlesen der Silben. Die Informationen werden so viel besser verknüpft und können später besser abgerufen werden.

Man übt die Silbenreihe täglich. Etwa 10 Minuten lang. Immer Silbe für Silbe vorlesen, dabei mit Lautgebärden begleiten und vom Kind nachsprechen lassen.

Am Ende legt man immer zwei Silben zu einem Doppelsilber zusammen und liest sie ebenfalls vor bzw. lässt sie nachsprechen.

Ma-Ma
Me-Me
Mi-Mi
Mo-Mo
Mu-Mu

Am Anfang wird das Kind dazu nicht in der Lage zu sein. Aber man animiert es zum Mitsprechen, auch wenn die Laute nicht immer korrekt sind. Ohne korrigierend einzugreifen. Der Versuch des Nachsprechens - egal ob er gelingt oder nicht - muss unbedingt positiv verstärkt werden. Ebenso das Nachahmen der Lautgebärden.

Über die Tage hinweg wird sich ein erstaunlicher Lerneffekt zeigen. Auch wenn das Kind am ersten oder zweiten Tag vielleicht noch gar nicht mitsprechen oder - gebärden kann. An den folgenden Tagen werden sich erste Veränderungen zeigen. Zunächst minimal, dann immer deutlicher. Wenn man täglich übt. Was der entscheidende Faktor ist.

Über das regelmäßige Üben werden die Kinder die Silben erstmals in ihrer Systematik wahrnehmen. Und in der Folge wird auch das Aussprechen und Zusammenziehen der Laute immer besser gelingen.
 
Nachdem man eine Woche lang TÄGLICH die Reihe "Ma - Me - Mi - Mo - Mu" geübt hat, geht man in der folgenden Woche zur Reihe "La -Le -Li - Lo -Lu" über. Die man ebenfalls jeden Tag etwa 10 Minuten übt. Wer mag, kann auch nochmal die Reihe mit M wiederholen.

Dann kommen in der Folge, immer eine Woche lang, die Silbenreihen mit R, S, N, W, SCH.

Je nachdem wie gut das Kind das Prinzip des Zusammenschleifen der Laut zur Silbe schon begriffen hat, werden die folgenden Reihen auch in weniger als einer Woche automatisiert sein.

Hat man dieses Programm regelmäßig durchgeführt (vielleicht mit Pausen am Sonntag), sollte das Kind schon nach wenigen Wochen in der Lage sein, eine Fülle von Silbenkombinationen (Worten) nachzusprechen. Und vielleicht sogar schon aktiv zu verwenden.

Schu-le
Li-mo
Sah-ne
Ro-si
Na-se

... um nur einige zu nennen.

Und der wichtigste Schritt in die Lautsprache ist geschafft!!!!

Lola konnte mit 5 Jahren kaum mehr Worte sagen als "Mama, Papa, Deta, Ali, Dada, ...." Ihr fremde Worte konnte sie kaum nachsprechen.

Nachdem ich das Programm 4 Wochen mit ihr durchgeführt hatte, ist ihr Wortschatz förmlich explodiert. Und der Durchbruch war geschaftt.

Es hört sich vielleicht anstrengend an, täglich zu üben. Aber es lohnt sich!

Sonntag, 10. Dezember 2017

Lola "himbab"

Lola wird sich mehr und mehr bewusst, dass sie 'behindert' ist. "Himbab", nennt sie es. Was sie oft traurig macht. Vor allem wenn andere sie so bezeichnen...

Aber: sich dessen bewusst zu sein, ist auch ein wichtiger Schritt zu echtem Selbstbewusstsein. Das erst aus dem Bewusstsein der eigenen Begrenzung  entsteht. Nur wer seine Grenzen genau kennt, kann sie annehmen und - im Angesicht dessen - die eigenen Fähigkeiten auch wirklich wertschätzen. Und weiter entwickeln.

Wer seine Begrenzung ignoriert, bleibt darin gefangen.

Beim heutigen Schneespaziergang erzählte sie mir, ein wenig betrübt: "Mama. Ich bin behindert." (Das erste Mal, dass sie das Wort richtig aussprach. Einfach so)

"Und, was bedeutet das", fragte ich sie interessiert.

"Ich nicht Hefe verträgt. (Ich vertrage keine Hefe). Auch Ei nicht," erklärte sie. "Und ich nicht kann schnell rennen. Bein tut weh."

"Und was noch?", fragte ich.

"Brille auf. Nicht kann gut sehen."

Ansonsten war nicht viel aus ihr rauszuholen.

"Und was kannst du gut?"

"Ich kann gut gehen", erklärte sie nach eienigem Überlegen und marschierte straff an meiner Hand durch den Schneesturm. Noch vor drei Jahren hätte sie das zu einem Zusammenbruch gebracht. Denn Schnee und Kälte im Gesicht mochte sie da gar nicht. Jetzt macht es ihr kaum mehr etwas aus.

"Und was kannst du noch gut?", fragte ich.

Lola zuckte mit den Schultern. 

Schließlich sagte sie, nach kleiner Ideenhilfe: "Ich kann gut trösten. Sadia weint, dann ich trösten", erklärte sie. Denn für ihre beste Freundin Sadia ist sie wirklich die beste Trösterin.

Und zusammen überlegten wir noch ein bisschen weiter. Bis Lola dann erklärte: "Ich kann gut kochen. Gut backen. Und gut malen."

Alles Dinge, die sie mit großer Begeisterung und auch immer größerer Selbständigkeit macht. 

Wie weh es mir doch tut, zu sehen und anzuerkennen, wie schwer ihr viele Dinge fallen.

Doch wie froh es mich auch macht zu sehen, wie sie sich dessen bewust wird. Und - trotzt ihrer Beschränkungen - ein gutes Bewusstsein auch ihrer Stärken gewinnt.

Was für eine Leistung, angesichts so vieler Beschränkungen in dieser Welt leben zu lernen.

Und wie gesegnet sie doch ist mit ihrer Fähigkeit, glücklich im Moment zu leben. Ohne nach hinten und vorne zu schauen. Ein wahres Geschenk.

Freitag, 8. Dezember 2017

Das Aussterben der Eskimos

Pavel schaute sich heute ein Bild vom ewigen Eis am Nordpol in einem seiner Kindersachbücher an. Nachdenklich schaute er mich an und erklärte mir:

"Mama. Die Eskimos müssen bald sterben. Weil sie keine Kälte mehr haben. Wenn es wärmer wird, dann schmilzt nämlich das Iglu. Und dann haben die nix mehr, wo sie rein gehen können."

Was er sich so für Gedanken über die Folgen der globalen Erwärmung macht.


Aus der Reihe: Pavel, und wie er die Welt sieht.

Mittwoch, 6. Dezember 2017

Komm wir spielen Schule


Lolas beste Motivation zu ihren Schreibübungen und Hausaufgaben ist zur Zeit Pavel.

"Komm, wir spielen Schule", ruft er freudig.

Und schon sitzen beide begeistert am Tisch und beginnen zu "arbeiten".

Pavel schreibt Buchstaben nach. Und Lola übt das Schreiben von Worten mit Kleinbuchstaben.


Und das schönste Spiel ist natürlich, dass ich die Lehrerin bin.

Ich muss dann richtig streng sein, sehr bestimmt sprechen, ernst gucken und sie zum zügigen und ruhigen Arbeiten auffordern.

Dann kichern sie leise, werden ganz ruhig und arbeiten höchst diszipliniert und ohne einen Mucks von sich zu geben.

So ruhig sind sie sonst nie...

Lola lernt übrigens mit dem Lese- und Schreiblehrgang "Lulu lernt lesen". Den ich sehr empfehlen kann.

Das Programm arbeitet von Beginn an mit Lautgebärden, beginnt mit dem Erlesen von einfachen offenen Silben und dem systematischen Aufbau eines ersten Lesewortschatzes aus diesen Silben. Ist also lange phonemgetreu, d.h. alle verwendeten Worte werden so gelesen, wie sie geschrieben werden.

Darüber hinaus ist das Programm sehr systematisch und übersichtlich. Ohne überflüssiges und verwirrendes Design. Und hat viele zusätzliche Übungsmaterialien.

Ich kann es SEHR empfehlen.

Montag, 4. Dezember 2017

Quasselstrippe is back!

Wirbelwind Lola ist diese Woche wieder da. Und mit ihrer warmen, lebenslustigen Energie ist auch meine gute Laune wieder gekehrt.

Im Auto, auf der Heimfahrt von der Schule, erzählte sie mir detailliert vom Wochenende. Beginnend mit dem Satz:

"Ich war gestern bei Coque."

Wahnsinn. Ein ganzer, vollständiger, grammatikalisch korrekter Satz!

Und dann erzählte sie weiter, was sie gemeinsam mit Papa und Greta unternommen haben, wen sie noch besucht haben, was sie dort gemacht haben. Und - noch habe ich es nicht mit Gretas Erzählungen abgeglichen - wirkte alles plausibel.

In ihrem Schreibheft aus der Schule habe ich entdeckt, dass sie mit einer der Schulbegleiterinnen die Zeitformen geübt hatte. Vergangheit, Gegenwart und Zukunft. Mit einfachen Beispielssätzen, die sie selber geschreiben hat.

Gestern habe ich Tee getrunken.
Heute gehe ich Geige spielen.
Morgen werden wir Kekse backen.

Ob das dazu beigetragen hat, dass sie die Vergangheitsheitform mit dem Wort "gestern" assoziiert hat, was bisher noch gar nicht zu ihrem aktiven Wortschatz gehörte?  

Erstaunlich, was so kleine Übungen doch bewirken können.

Beim gemeinsamen Adventsmalen am Tisch (die Weihnachtswerkstatt ist in voller Produktion) kabbelte sie sich mal wieder mit Greta. Und schickte sie schließlich weg mit den Worten: "Bitte geh tanzen, Greta!" Denn Greta musste gleich zum Ballett....

Auch einen solchen Aufforderungssatz habe ich bisher noch nie von ihr gehört.

Was sie gerade an neuen sprachlichen Formen verwendet, ist schon erstaunlich. Und das, obwohl sie die Woche beim Papa war und dort nur Spanisch gesprochen hat.

Ist es vielleicht doch die Sprach- und Schreibepoche, die sie gerade in der Waldorfschule haben?

Auf jeden Fall freue ich mich sehr.

Sonntag, 3. Dezember 2017

Lautgebärden mit Lola

Lola hat erst mit 5 Jahren angefangen zu sprechen. Und was ihr entscheidend dabei geholfen hat, ist die Verwendung von Lautgebärden in Kombination mit Buchstaben.

Viele Kinder mit Down-Syndrom haben ein sehr schlechtes auditives Gedächntis, d.h. sie können sich gesprochene Laute schwer merken.

Und sie haben auch eine schlechte auditive Diskriminierungsfähigkeit, d.h. sie können die Laute der gesprochenen Sprache schlecht auseinander halten, weil sie sie nicht so gut wahrnehmen können im schnellen Sprachstrom der gesprochenen Sprache.

Das hat zur Folge, dass sie kein ausreichend präzises Lautrepertoire entwickeln und nur schwer in die Lautsprache kommen. Zusätzlich erschwert durch Schwierigkeiten bei der Lautproduktion, d.h. der mundmotorischen Bildung der Laute

Die Lautgebärden zusammen mit Buchstabenkarten helfen den Kindern, die Laute besser wahrzunehmen. Nach dem Prinzip: "Hören mit den Augen". Denn die meisten Kinder mit Down-Syndrom sind sehr gute visuelle Lerner.

Die Laut-Gebärden-Buchstaben-Verbindung ermöglicht auch ein Lernen auf mehreren Kanälen. Die Informationen werden mehrfach miteinander verknüpft und durch diese Vernetzung besser behalten und später auch abgerufen.

Lautgebärden sind der ideale Einstieg in die Lautsprache. 

Die Rettung für viele Kinder, die mit 4 oder 5 Jahren immer noch nicht sprechen können. Obwohl sie seit Jahren Gebärden verwenden und/oder auch Ganzwörter nach der Methode der Frühen Lesens lesen können.

Denn erst über die Lautgebärden wird das Zusammenziehen bzw. Verschleifen der Einzellaute zu Silben vermittelt. Und damit der Einsteig ins Sprechen ermöglicht. Denn die Silben stellen die Grundbausteine der Worte und damit der gesprochenen Sprache dar.

Im folgenden Video zeigen Lola und ich alle Lautgebärden zusammen mit den Buchstaben.


Zum Anschauen und Lernen für interessierte Eltern und Kinder.

Viele Freude dabei!

Und vermerkt gerne im Kommentar, ob Euch das Video hilft.  Wie es Euch gefällt. Und was Ihr Euch noch wünscht!!!

PS: Im nächsten Video zeigt Euch Lola, wie man das Verschleifen der Laute bzw. Buchstaben zu Silben üben kann.

PPS: Da Lolas fünfjähriger Bruder Pavel die Aufnahmen gemacht hat, sind einige Szenen etwas unscharf geworden. Aber ich hoffe dennoch erkennbar.



Samstag, 2. Dezember 2017

ohne Worte

An manchen Tagen habe ich keine Worte.
Und doch muss ich sprechen.

Immer wieder aufs Neue
mich erfinden
für Dich.
Der Du mich anlächelst
und mich zu kennen glaubst.

Und ich lächle und
bin froh,
dass mich mein Lächeln
heute
zusammen hält.

Danke.
Für dein Lächeln.
Heute
und morgen.

Freitag, 1. Dezember 2017

Ein Hoch auf uns!

Denkst du auch darüber nach, wie Du dich beruflich verwirklichen kannst?

Weil Du unzufrieden bist mit Deinem derzeitigen Job?

Weil Du lange mit den Kindern zu Hause warst, und wieder anfangen möchtest zu arbeiten?

Weil Du Dir nebenberuflich etwas aufbauen möchstest was Dir Spass macht. Neben den Kindern oder einem bereits bestehenden Job?

Ich denke ständig darüber nach.

Und frage mich oft, warum es mir so schwer fällt, eine gute berufliche Vision zu entwickeln und sie dann auch noch zielstrebig umzusetzen.

Früher war ich so fix mit allem. Hab mein Studium absolviert. Habe zu Ende gebracht, was ich angefangen habe. Alles hat immer funktioniert.

Nebenher ging ich auf Reisen. Lernte fremde Länder und Sprachen kennen. Machte Party. Hatte Freunde. Und wenn ich müde war, las ich Bücher. Unmengen von Büchern, die heute noch meine Reagle füllen.

Bis ich Kinder bekam.

Ein Kind ist kein Kind, hab ich erst gesagt. Und die 3 Monate alte Greta mit ins Forschungsinstitut genommen und weiter an meinen Auswertungen für die Doktorarbeit gesessen.

Mit Lola habe ich tatsächlich mal 2.5 Jahre Pause gemacht. Und mich kurzzeitig gefragt, ob meine Aufgabe im Leben vielleicht doch eine ganz andere ist als die Wissenschaft.

Es war eine schöne Zeit. Eine wunderschöne Zeit.

Aber dann hat es mich doch wieder zurück ins Arbeitsleben gezogen. Sicher auch aus wirtschaftlicher Notwendigkeit. Aber auch aus dem Drang heraus, mich in der Welt zu beweisen. Gesehen zu werden. Anerkennung zu bekommen.

So hab ich es auch mit Pavel nur 6 Monate zu Hause ausgehalten. Dann war ich zurück an der Uni. Habe versucht, meinen 'Mann' zu stehen.

Bis ich auf dem letzten Loch pfiff und mich entscheid, eine Pause zu machen. Weil ich nicht mehr konnte. Einfach nicht mehr konnte.

Aber das hätte ich niemals zugegeben.

Die offizielle Version war, auch vor mir selbst: dass ich an einem neuen Buch arbeite. Endlich mehr Zeit haben will für das Schreiben. Dass das meine Leidenschaft ist, meine wahre. Und ich sie auch endlich zu meinem Beruf machen möchte.

Und ich war entflammt. Und schrieb wie verrückt. Immer wieder neu. Bis ich fast daran verzweifelte.

Das ist doch meine Berufung. Das ist doch, was ich wollte. Warum schaffe ich es nicht, das Buch zu beenden? Mich darauf zu fokussieren und es zielstrebig zu einem Ende zu bringen? Ich war doch früher so schnell?

Und wie soll man davon leben können?

Und ich kehrte zurück, in den vermeintlich sicheren Hafen der Universität. Von Lehre und Forschung. Zeitlich befristet, aber egal. Hauptsache eine bezahlte Beschäftigung. Die sogar Spass machte.

Nur: jetzt ist die zeitliche Frist an ihr Ende gekommen.

Ich hatte versucht, es zu verdrängen. Habe auch nicht nach anderen Wegen gesucht. Habe einfach meine Arbeit getan. Und die Familie versorgt.

Und da stehe ich.

Und was sage ich diesmal?

Ich werde an meinem Buch weiterarbeiten. Meine Leidenschaft zum Beruf machen. Diesmal wirklich.

Nur wie? Wie soll es diesmal klappen?

Was bitte soll ich anders machen?

Vielleicht ist es ja gar nicht so viel.

Vielleicht sollte ich nur meine Erwartungen ändern.

Und endlich anerkennen, dass ich mit 3 Kindern, einem davon mit Behinderung, einem Haushalt und einem Mann, der beruflich viel unterwegs ist, eigentlich schon einen Vollzeit-Job habe.

Mit einem extrem unterschiedlichen Tätigkeitsfeld. Von so "archaischen" Tätigkeiten wie Putzen, Kochen und Wäsche waschen, über Begleitdienste, Assistenzleistungen und Therapiesitzungen für die behinderte Tochter bis zu täglichen psychotherapeutischen Sitzungen, wahlweise für die pubertierende Tochter oder den ausgebrannten Mann. Planung von Finanzen, Logistik, Freizeit nicht zu vergessen. Und die permanente Rufbereitschaft. 24 Stunden am Tag!

Und das Vorhaben, mich neben einem solchen Job beruflich selbständig zu machen, ist schon ehrgeizig bis vermessen.

Kein Wunder, wenn es nicht ganz so schnell klappt.

Vielleicht sind meine bisherigen Ziele einfach unrealistisch hoch gewesen?

Ich brauche mich nicht wundern und erst recht nicht dafür schämen, dass mir manchmal die Energie fehlt. Und die Visionen nicht so aus mir herauspurzeln.

Wenn ich meine Leistung als Mutter und Hausfrau endlich vor mir selber anerkenne und wertschätze und auch die Grenzen, die mir zeitlich und energetisch gesetzt sind, dann kann ich vielleicht auch realistischere berufliche Ziele entwickeln.

Die ich auch umsetzen kann.

So dass ich zufrieden bin.

Und stolz auf mich.

Aber zuerst einmal muss ich wohl die Begrenzungen anerkennen, die mir gesetzt sind. Anstatt immer so zu tun, als gäbe es sie nicht.

Vor mir. Und auch vor den anderen!