Der Tag heute war erst so trüb bei mir. Enge im Herzen, wie getrieben und ruhelos. Als würde jemand mit der Stechuhr hinter mir stehen. Dabei hatte ich gar nicht so viel zu tun im Vergleich zu den letzten Tagen. Aber ich rotierte (diesmal innerlich) immer noch so, als hätte ich ganz viel zu erledigen.
Vor lauter Schaffensdruck verschloss ich aus Versehen den Koffer, den ich Greta nach Spanien schicken wollte, (mit allerhand Gepäck, das sie auf den Flug nicht hatte mitnehmen können), mit dem Kofferschloss. Kannte aber dummerweise den Code nicht. Oh no! Koffer zu für immer. Na super.
Zum Glück - der grenzenlosen Schlauheit des Internets sei Dank - fand ich dort aber einen Hinweis, wie man den Code von Kofferschlössern in 3 Minuten knacken kann. Und, man glaubt es kaum, es ist mir tatsächlich gelungen! Ich war so stolz auf mich.
Auf dem Postamt (neudeutsch: 'dhl - Annahmestelle') nächste Hürde: der Koffer ist Sperrgepäck. Viel teurer als geplant, und annehmen können sie den hier eigentlich auch nicht. Müsste ich im Internet machen, so der beflissene 'Postbeamte'. Wo bitte, soll ich den Koffer denn dann abgeben?
Zum Glück verließ der 'Beamte' den Schalter dann aber aus irgendeinem Grund, und die nette junge Kollegin nahm mir den Koffer einfach so ab, ohne die Extra-Gebühr für Sperrgepäck zahlen zu müssen. 'Ach, wir probieren das jetzt einfach mal so. Im Zweifel kriegen sie den Koffer wieder zurück', meinte sie lapidar. Wie ich mich freute. Wie schön, wenn Angestellte einfach mal von ihren Freiheiten Gebrauch machen.
Kurz darauf ein Anruf aus der Schule, Lola liegt im Schulclub, hat Bauchschmerzen und kann dem Unterricht nicht mehr folgen. Bitte was? Am Morgen wirkte sie ganz fröhlich. Am Telefon erklärte sie mir, sie sei traurig, weil der Papa nicht da ist, die Abuela tot. Mmh... So traurig, dass sie ihre Trauer liegend auf dem Sofa 'verarbeiten' muss?
Nun bin ich eigentlich immer ganz mitfühlend mit ihr, aber hatte schon den Eindruck, dass sie ihren Seelenschmerz mal wieder etwas 'aufbauscht, um den anstrengenden Unterricht vermeiden zu können. Und als ich sie im Schulclub antraf, schaute sie auch tatsächlich beschämt zur Seite und mir keinmal in die Augen, als ich meinte, wie es ihr geht. Bester Indikator, dass es ihr nicht wirklich schlecht geht. Und verärgert über diese 'Aktion' habe ich sie dann doch noch 'genötigt', zum Sportunterricht und zum Schulclub zu gehen. Und fuhr - ohne sie - wieder nach Hause. Nicht dass sie sich das wieder angewöhnt.
Als ich sie dann am Nachmittag wirklich abholte, zeigte sie mir dort ihre neue Gefühle-und-Bedürfnis-Karte', die sie von der Inklusionspädagogin der Klasse bekommen hatte. Sie deutete auf 'traurig', neben einem Metacomsymbol mit einem weinenden Gesicht. Und auf der Rückseite der Karte deutete sie auf 'Ich brauche ... eine Pause'. Und erklärte mir strahlend: "Ja, Mama, ich bin traurig. Ich brauche eine Pause'.
Was für ein schlauer Gebrauch ihrer Gefühle und Bedürfnisse, um sich je nach Bedarf Auszeiten zu verschaffen. Toll, wenn man seine Gefühle so klug und praktisch zum Einsatz bringen kann.
Zu Hause schlich sie dann doch reumütig in ihr Zimmer und akzeptierte recht klaglos, dass sie heut kein Handy haben darf, um Musik zu hören. Was ich ihr nur erlaube, wenn sie in der Schule überall mitmacht. Und hörte dafür Hörspiele aus der Stadtbibliothek auf dem alten CD-Player. Was auch nochmal ein gewisses 'Schuldbewusstsein' deutlich machte. Wenigstens das...
Ich hingegen war von den heutigen Nachrichten, die ich bei der Fahrt zur Schule eher zufällig gehört hatte, doch ziemlich aufgewühlt. Und konnte mir nur durch ein bisschen Haushalt, eine erfrischende Dusche und 'meditatives Kochen' seelische Abhilfe verschaffen. Um wieder auf bessere Gedanken zu kommen und mich nicht zu sehr in ängstlichen Untergangsszenarien zu verfangen, helfen die Kinder und die Sorge um sie und ihr 'leibliches' Wohl schon immer sehr.
Und um auch meine Schreibgruppenteilnehmerinnen - angesichts der politischen Neuigkeiten - auf gute Gedanken zu bringen, überlegte ich mir noch schnell einen seelenwärmenden Schreibimpuls (für meine Schreibgruppe, die ich Mittwochabends immer leite). Und lud die Teilnehmerinnen ein, über 'Großzügigkeit' zu schreiben und zu reflektieren und - als Gegenmittel gegen die 'Enge im Herzen' - diesem positiven Gefühl nachzuspüren. Und ja, welch wunderbare Texte entstanden da, über Zeitgeschenke, die Freude am Geben, die Kraft und Wärme der Großzügigkeit, die wir uns selber, den Liebsten oder auch Unbekannten entgegen bringen, oder von ihnen geschenkt bekommen. So wie ich heute von der unkomplizierten DHL-Angestellten.
Und mit weitem, dankbaren Herzen fuhr ich nach dem Schreibkurs wieder nach Hause. Erfüllt von dem Geschenk des Gebens und der inneren Kraft, die in uns wohnt. Und unserer Fähigkeit, auf die Fülle, die Liebe und den Großmut zu schauen, auch und gerade, wenn im Außen die Angst und Sorge überhand nimmt. Dankbar für die Weite, die dadurch im Herzen entsteht.
Ein Tag mit vielen, widersprüchlichen Gefühlen, der zum Ende - auch dem Schreiben sei Dank - einen so schönen Abschluss gefunden hat. Und so gleite ich gleich in hoffentlich schöne und stärkende Träume.