Mittwoch, 29. November 2017

Frühstücksmorgen ohne Sorgen

Wo ist denn die Espressokanne schon wieder? Jeden Morgen muss ich sie suchen. Da steht sie ja. Da wo sie immer steht.

Milch in den kleinen Topf. Auf Stufe 3. So geht es schneller.

Rasch die Teller hingestellt, die Marmeladen. Die Käsereste dazu.

Wieder fehlt Brot. Zum Glück habe wir noch Reiswaffeln.

Und da steht Greta, mitten in der Küche. Mit noch dunklen Augen. Suchend. Nach ihrer Flasche. Ihrer Brotbüchse. Sie zu füllen.

"Mama, was kann ich heute in die Schule mitnehmen? Wir haben gar nichts mehr.", sagt sie, beim Blick in den halb leeren Kühlschrank.

"Ich weiß nicht", murmele ich, und frage mich, wo Lola bleibt.

"Loli, hast du Dich schon umgezogen?", rufe ich. Als ich in ihr Zimmer komme, sitzt sie splitternackt, nur mit Kniestrümpfen bekleidet, auf dem Boden und liest ein Buch. Neben ihr ein buntes Durcheinander von Klamotten.

"Lola, wir müssen jetzt frühstücken", dränge ich.

"Komme gleich, Mama, ja", sagt sie und wirft mir einen Kuss zu.

Was ist das für ein seltsamer Geruch? Ich renne in die Küche und sehe, wie die Milch über den Topfrand steigt und sich auf der Herdplatte ausbreitet.

Jeden Morgen das Gleiche.

Maxim stellt den Herd immer auf 2. Und es ist noch nie etwas übergekocht.

Immer wieder versuche ich, die Dinge durch hohen Energieaufwand zu beschleunigen. Am Ende kocht alles über. 

Greta steht an der Anrichte, schält Möhren, schneidet Gurken klein. Wickelt alles in Alufolie. Dann steckt sie es in die Brotbüchse.

"Muss das denn sein, alles nochmal in Alu einzuhüllen? Das ist doch Verschwendung", sage ich. Wie jeden Morgen.

"Ja, das muss sein", antwortet sie und wickelt weiter.

Ich schütte den Espresso in die dampfende Milch. Und schlage die Zeitung auf. So viele Gedanken über die Welt, manche tiefgründig, andere flach. Und beginne zu lesen über die Frage, wieviel narzisstischer die heutige Jugend ist als frührere Generationen.

Mein Handy ist voller Selfies von Greta und Lola.

Die Studie hat fest gestellt, dass die jüngere Generation nicht narzisstischer und selbstbezogener sei als die vor 30 Jahren. Dass die Jugend nur generell narzisstischer und selbstbezogener sei als die Elterngeneration. Und Narzissmuss mit zunehmendem Alter abnähme.

Wie selbstverliebt und auf eigene Vorteile bedacht kann man auch sein, bei drei Kindern? Denke ich und nippe an meinem Kaffee. Und lese weiter.

Bis sich erst Greta und dann Lola zu mir an den Tisch setzen. Und Greta von ihren bevorstehenden LKs (Leistungskontrollen) erzählt, die ihr Sorgen bereiten. Und fragt, ob ich sie schnell noch für Geschi abfrage. Und Lola vor ihrer Reiswaffel sitzt und mich fragt, was sie raufschmieren kann.

"Mirabellenmarmelade?"

"Nö, mag ich nich."

"Vielleicht Pflaumenmus."

"Bäh, stinkt."

"Oder Käse? Irgendetwas musst du ja essen."

"Käse blöd!"

Ich spüre, wie ich mich innerlich verenge. Und leichter Druck aufsteigt. In 10 Minuten müssen wir spätestens los, sonst kommen wir zu spät. 

"Im Kühlschrank ist auch noch Salami", sage ich genervt.

Sie strahlt und holt sich die Salami-Packung aus dem Kühlschrank. Legt sich 4 Scheiben übereinander auf ihre Reiswaffel. Beißt genüsslich hinein.

Ich sage nichts dazu.

Pavel und Maxim schlafen noch, denn die Vorschule beginnt erst um 8:30 Uhr.

Und ich schenke mir noch einen frischen Kaffee ein. Rieche seine herbe würzige Note und nehme einen langen Schluck. Und blicke auf Lola, die hochkonzentriert ihr zweites Brot mit Frischkäse bestreicht. Den Kopf leicht zur Seite geneigt, als würde sie ein Kunstwerk schaffen. Greta ist schon in ihrem Zimmer verschwunden ist, so ganz selbstständig. Und lernt noch für ihre Prüfungen.

Und meine Zeitung knistert. Und der Kaffee duftet. Und ich geniesse diesen Moment der Ruhe.

So viel Selbstliebe schenke ich mir. 

Dienstag, 28. November 2017

Bekenntnis

Wie schwer es mir manchmal doch fällt, etwas regelmäßig zu machen, was ich mir vorgenommen habe.

Obwohl ich weiß, dass es mir gut tut.

10 Minuten meditieren am Morgen.

Das versuche ich seit einiger Zeit.

Denn, so habe ich gelesen: das stärkt das Gefühl der Selbstwirksamkeit.

Wenn man es schafft, natürlich...

Mir die ersten 10 Minuten am Tag für mich nehmen. Als Fingerübung dafür, ein Leben nach meinen Vorstellungen zu leben.

Heute früh, habe ich es geschafft.

Du vermisse mich?

Sehnüschtig warte ich seit Jahren darauf, mit Lola ein echtes Gespräch führen zu können.

Tief in ihren Augen blitzt mir oft ein hellwacher Geist entgegen. Voller Schalk und manchmal auch tiefer Traurigkeit.

Was sie zwar körperlich ausdrücken kann, aber kaum sprachlich.

Ihre Sätze sind oft sehr einfach - im Telegrammstil aneinander gereihte Worte. Und oft ist es schwer, die Botschaft zu entschlüsseln, die sie ausdrücken möchte. Und auch gefühlsmäßig mit ihr in Resonanz zu gehen.

Immer mal wieder arbeite ich intensiv an ihrer Sprache. Je nach Intensität meiner Bemühung mit mehr oder weniger grossem Erfolg.

Oft habe ich mich aber auch gefragt, ob ihre gestörte Sprachentwicklung etwas mit ihrer Zweisprachigkeit zu tun haben könnte. Zumal sie - im Wechselmodell - jede Woche zwischen dem spanisch sprechenden Papa und unserem rein deutschsprachigen Zuhause hin und her pendelt. Also jede zweite Woche in ihrem "Papa-Hause" nur Spanisch spricht, auch mit Greta, die zwischen den Sprachen switcht.

Nun war Lola für zwei Wochen am Stück bei uns, da ihr Papa aus beruflichen Gründen in Spanien war. Und ich habe tatsächlich den Eindruck, dass ihre Sprache deutlich besser geworden ist.

Im Auto auf dem Schulweg erzählte ich ihr, dass Papa sie heute an der Schule abholt. Und sie dann eine Woche bei ihm sein wird.

"Ich werde Dich vermissen, Loli", sagte ich ihr.

Sie schaute mich an und zog einen Fluntsch. "Du vermisse mich?"

Ich nickte.

"Ich auch vermisse dich", antwortete sie leise und schmiegte sich liebevoll an mich.

Und mein Herz machte einen Satz nach oben, vor Freude. Denn dies war das erste Mal, dass sie die Reflexivpronomen 'mich' und 'dich' spontan verwendet hat.

Sollte sie vielleicht doch längere Zeit mal nur bei uns leben? Um wenigstens eine Sprache richtig zu lernen?

Zum Jahresbeginn werden wir ausprobieren können, ob es eine nachhaltige Wirkung auf ihre Sprache hat. Da wird Lolas Papa für mindestens einen Monat im Ausland sein und Lola nur bei uns. Ich bin schon gespannt, was dann passiert.

Jetzt werde ich sie erstmal eine Woche lang vermissen.

Montag, 27. November 2017

Irdisches und Himmlisches

Greta hatte heute keine Schule. Sie hatten "kältefrei".

Die Heizung war über das Wochenende ausgefallen, so dass den Schülern und wahrscheinlich vor allem den Lehrern der Schulbesuch nicht zugemutet werden konnte.

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"Und, wir war's heute in der Schule?", frage ich Lola beim Abholen.

"Heute Eurymie habt. Mit Ave-Maria".

(Ihre Eurythmielehrerin heisst Eva-Marie)

Samstag, 25. November 2017

Sei doch mal ehrlich...

Bist du immer ehrlich?

Sagst Du immer, wie es Dir geht? Wie Du dich tief im Innersten fühlst?

Unbewusst hatte ich es lange als Ideal, immer ehrlich zu sein. Authentisch. Zu meinen Gefühlen zu stehen. Sie auszusprechen. Auch meine Bedürfnisse.

Ich dachte und hoffte, dass sei der richtige Weg.

Aber: wenn alle immer ehrlich sind, ist menschliches Zusammenleben nicht möglich. Erklärte mir meine große Tochter Greta vor ein paar Tagen. So habe es ihre Ethik-Lehrerin gesagt. 

Denn dann müsste man der Freundin offen und direkt ins Gesicht sagen, dass ihre neue Jeans nicht sitzt. Ihr Hintern darin unvorteilhaft aussieht. Aber auch eine andere Hose darüber wahrscheinlich nicht hinwegtäuschen kann.

Dann hätte man eine Freundin weniger.  Und so lächelt man lieber und nickt zustimmend.

Besonders ehrlich ist das nicht. Aber zielführend in Punkto Erhalt der Freundschaft.

Und wenn mich jemand fragt, wie es mir geht? Wie ehrlich antworte ich?

Gut. Wie immer. Viel Trubel zu Hause. Mein Mann ist gerade beruflich stark eingebunden. Und dieser dauernde Regen...

Klartext: Ich weiß grad nicht, wo mir der Kopf steht. Wünsche mir dringend Unterstützung mit den Kindern, im Haushalt und abends meinen Mann, der mich einfach nur hält. Und mir sagt, wie unglaublich gut ich das alles rocke. Und dass ich mit den dunklen Augenringen noch viel schöner aussehe...

Und dann ist fast alles gut, für den Moment.

Subtext (tiefer darunter): Bitte, gib mir die Kraft, einen Beruf zu finden. Der mir ein regelmäßiges Einkommen schenkt, so dass ich mir um den Alltag und die Freuden der Kinder keine Sorgen machen muss. Bitte auch einen Beruf, der mich erfüllt. In dem ich wirklich gut bin und wo ich Lust habe, mich mit ganzer Kraft hineinzuknien. Der mich mit Energie füllt, statt sie mir zu rauben.

Ist das nun ehrlich?

Ein Wunsch ist das. Ein ehrlicher Wunsch.

Aber gehts denn noch ehrlicher?

Ich habe Angst. Dass ich wieder die Lust an meinem Job verliere. Und mich nicht so tief hineinknie, wie es nötig wäre. Dass ich mich wieder selber sabotiere und Dinge schleifen lasse. Weil mir die Kraft fehlt, die Lust, oder was auch immer. Zur Not sind die Kinder schuld. Oder mein innerer Schweinhund. Oder meine Überzeugung, dass ich alles kann, aber nichts richtig.

Bin ich also doch determiniert? Immer wieder zu scheitern?

Ich hab's: meine Ansprüche sind zu hoch. Darüber stolpere ich.

Also bitte, hilf mir, meine Ansprüche so realistisch zu halten, dass ich sie erfüllen kann und - von dem, was ich schaffe, erfüllt bin.

Eigentlich ist es doch gar nicht so schwer, ehrlich zu sein.

Naja. Vor dem Chef müsste ich es anders formulieren.

Wahrscheinlich würde ich versprechen, meine Ziele realistischer zu formulieren. Und mich aktiv weiterzubilden, um meine beruflichen Kompetenzen stetig zu verbessern.

Oder ganz anders.

Ich könnte ihm sagen, dass er mich mal kreuzweise kann. Und wenn er meine Arbeitskraft nicht schätzt, dann soll er sich doch jemand anders suchen. Abgesehen davon, dass er sich bisher noch nicht dafür interessiert hat, was ich inhaltlich überhaupt mache.

Das wär doch mal ehrlich!

Aber zielführend? Was den Wunsch nach Sicherheit und beruflicher Erfüllung angeht? Und wie würde ich dastehen?

Ich könnte den Chef auch einfach freundlich grüßen. Seine unausgesprochene Kritik an mir abperlen lassen, ohne dass sie mein Innerstes berührt. Mich in Frustrationstoleranz und Demut üben. Und mir still und heimlich einen anderen Job suchen.

Eine echte Berufung.

Wie ehrlich soll ich nun sein?

Wie ehrlich bist Du?

Am Ende will ich vor allem einer Person gegenüber ehrlich sein: Mir selbst.

Mir ehrlich eingestehen, dass ich Fehler gemacht habe. Dass ich nicht mein Bestes gegeben habe.

Dass ich Angst habe.

Dass ich aber auch wieder aufstehen kann. Weitergehen. Mit erhobenem Kopf. 

Und mir etwas beruflich aufbauen möchte, was mich erfüllt. Was meinem Leben Sinn gibt. Und anderen Menschen nützt.

Und das ist mein ehrlicher Wunsch!

Donnerstag, 23. November 2017

Ein paar Sonnenstrahlen gefällig?



Heute haben wir den frühen Einbruch der Dunkelheit genutzt, um uns Fotos aus dem letzten Urlaub anzuschauen.


  
 Eine Woche Herbsturlaub in Südfrankreich. Am Mittelmeer.  Nur die Kinder und ich. Da Maxim leider arbeiten musste.

 

Die Bilder sagen eigentlich alles.



Zum Glück sieht man nicht, wie unglaublich anstrengend die Tage zwischendurch waren.




Ich alleine mit drei Kindern. Die so ganz unterschiedliche Bedürfnisse haben.




An einem wunderschönen Ort, Collioure, den ich aber noch nicht kannte. 




Ohne Freunde oder Familie.




Mit dem Mietwagen zur Ferienwohnung.




Alles individuell.




Aber wenn ich mir einmal in den Kopf gesetzt habe, dann mache ich es.

 


Und wenn ich mir die Bilder nun so anschaue, mit dem Abstand von 2 Monaten, dann bin ich froh, dass wir das gemacht haben.




Alleine das Frühstück!




Durch die Berge...





Fast jeden Tag wandern. Fast ohne Proteste (echt jetzt!) 




Pavel bald stadtbekannt: "Le petit indien."





Selfies...




Gelächter in Gassen



Schwestern.



Und Lola im Kontakt mit dem Jenseits ...




Dem Diesseits...




und im Fokus.




Wenn ich mir die Bilder so anschaue und darüber schreibe, war es ein ganz ausserordentlich besonderer Urlaub. 




Und alle Anstrengung ist vergessen. 




Die heilende Kraft der Sprache. Und des Bildes.

Soviel zur Frage, die mal im Kommentar aufkam, warum ich so viele Bilder aus dem Familienleben und von den Geschwistern poste.

Um mich immer wieder selber daran zu erinnern, was für ein ausserordentlich reiches und beglückendes Leben voller Abenteuer wir doch haben.

An manchen Tagen muss ich mich da einfach dran erinnern. Und nochmal laut DANKE sagen!

Mittwoch, 22. November 2017

Frei zu sein bedarf es wenig...

Meine Freiheit ist für mich so essentiell, dass ich sie noch nie in Frage gestellt habe. Und nie geglaubt hätte, dass andere Menschen das tun können. Erst recht nicht Menschen, die mir nahe stehen.

Bis ich neulich einen Abend mit einem alten Freund verbracht habe, A..

Wir haben zusammen an der Humboldt Uni in Berlin Volkswirtschaft studiert, irgendwann Ende der Neunziger. Und eine Zeitlang fast jeden freien Abend zusammen verbracht.

Wir haben im "Tilli" (Tilsiter Lichtspiele) in der Richard-Sorge-Strasse im Friedrichshain gesessen. Haben diskutiert, was unser Leben damals so bereit hielt. Und das war nicht wenig. Haben geraucht. Wie alle. Und Bier getrunken. Viel Bier.

Auch diesmal haben wir diskutiert. Viel diskutiert. Aber irgendwie anders.
Es scheint doch mehr Zeit vergangen, als ich gemerkt habe.

Oder irgendetwas anderes hat sich verändert.

A. hat von seinem Job als Business Analyst erzählt. Damals, in unseren Nächten im Tilli,  hatte er gerade seine erste Stelle in einem kleine Start-up in Berlin-Mitte bekommen. Und war chronisch überarbeitet.

Heute ist das kleine Start-up von damals Teil eines grossen Business-Consortiums. Es ist Senior-Analyst. Und verdient mit dem Schreiben von zwei Blogbeiträgen pro Monat so viel wie ich im ganzen Jahr.

Zufrieden lehnt er sich zurück.

Begeistert berichtet er von seinem letzten Blogbeitrag über den Wirtschafts Nobelpreis-Träger Thaler. Im Bereich Behavioral Economics. Ich versuche möglichst unauffällig zu vertuschen, dass ich den Namen Thaler nicht erinnere. Von der Verleihung nichts mitbekommen habe. Und von Behavioral Economics noch nie etwas gehört habe.

Wie schlecht ich doch informiert bin. Damals hätte ich mitreden können. Zum Glück erzählt er so begeistert, dass er mein Unwissen kaum bemerkt, und mein interessiertes Nicken eher als informierte Zustimmung erlebt.

Er berichtet enthusiastisch von einem Buch, das er gerade verschlungen hat und mir dringend empfiehlt. Von einem Japaner. Es sei zu seiner neuen Bibel geworden. Unbedingt muss ich das lesen.

Der Autor zeige darin sehr deutlich anhand umfangreicher Forschungsergebnisse, dass unser freier Wille nur eine Illusion ist und unsere Entscheidungen im Grunde alle getroffen werden, bevor wir uns dessen bewusst werden. Dass von bewusster Entscheidung also überhaupt keine Rede sein kann.

Freier Wille, Bewusstsein. Damit kenne ich mich besser aus.

"Und welche Instanz in uns trifft dann diese Entscheidung?", frage ich neugierig.

"Im Grund ist es vorherbestimmt. Durch unsere Prägungen, früh erlernten Muster, eingeschliffene Gewohnheiten. Wirklich frei ist man in seiner Entscheidungen nie, auch wenn man das glaubt."

"Aber irgendetwas in uns trifft doch die Entscheidung? Das bin doch ICH am Ende."

"Nein, das glaubst du nur. Im Grunde ist das vorherbestimmt. Determinert. Freiheit ist nur eine Illusion."

Ich erinnere mich an Forschungsergebnisse, die zeigen, dass ein unbewusster Teil von uns Informationen verarbeitet und Regelmäßigkeiten erfasst, lange bevor unser bewusster Verstand dies explizit erkennt. Ich habe das immer als 'Intuition' verstanden.

"Vielleicht weisen die Daten darauf hin, dass wir viele Entscheidungen eben nicht bewusst, sondern unbewusst treffen, auf Basis unserer Intuition, einer viel umfasssenderen Wahrnehmungsfähigkeit als der, über die unser bewusster Verstand verfügt", werfe ich ein.

"Was soll das denn sein? Im Grunde sind das nur angelernte Verhaltensweisen, übernommene Entscheidungsmuster, Konditionierungen... "

"Und wenn ich dir jetzt eine reinhaue, dann ist das meine freie Entscheidung. Oder?"

"Nein, das wäre determiniert."

"So ein Quatsch", sage ich. "Es gibt immer diesen einen Moment, so klein er auch sein mag, in dem ich die Möglichkeit habe, mich dafür oder dagegen zu entscheiden. Zuzuschlagen. Oder - mich zu beherrschen. Das ist meine Freiheit. Die macht mich doch erst zum Menschen!"

"Du denkst du hast die Wahl. Aber im Grunde verhälst du dich nur so, wie du es gelernt hast. Weil es alle anderen um dich herum auch so machen. Das determiniert dich", antwortet A. und nimmt einen kräftigen Zug aus der Bierflasche.

"Aber wenn ich keine Freiheit habe, keine Wahl, entziehe ich mich damit meiner menschlichen Verantwortung! Ich kann nicht anders, das haben mir meine Eltern so beigebracht, das wird bei uns so gemacht, tut mir leid... Dann habe ich auch keine Grundlage mehr für ethische Grundsätze und Werte, auf deren Basis ich handle. Das ist doch eine zutiefst pessimistische Vorstellung.... ", erwidere ich, nun immer emotionaler.

"Werte, die sind ja auch nur ein gesellschaftlich akzeptiertes Konstrukt. Genauso wie der Humanismus. Das ist auch nur eine Ideologie unter anderen ... ", erwidert A.

"Aber eine, die ein gutes menschliches Miteinander mit gegenseitigem Respekt möglich macht. Wenn ich unsere Freiheit negiere, dann sind wir doch alle nur Zombies unserer Vergangenheit oder Opfer irgendwelcher Trends und populistischer Führer, denen wir blind hinterherrennen."

"Genauso. Das sind wir auch... Und genau damit arbeitet beispielsweise das Marketing!"

Ich bin schockiert.

"Aber damit negierst du auch jede Möglichkeit des Menschen, sich zu ändern. Psychotherapie: arbeitet genau an diesem Punkt. An dem der Mensch sich entscheiden kann, einen kurzen Moment lang, einem erlernten Muster gemäß zu reagieren, oder eine andere Reaktion zu zeigen. Bewusst einen anderen Weg zu wählen. Das ist seine Freiheit, seine Kreativität und seine Menschlichkeit. Wenn ich die den Menschen abspreche, dann kann ich mich gleich vom Turm stürzen..."

A. nimmt noch einen Schluck aus der Flasche und zuckt mit den Schultern. "Wenn du an die Freiheit glauben möchtest, kannst du das ja."

"Aber das ist doch keine Glaubensfrage. Unsere Freiheit ist ein Faktum!"

"Es gibt bisher keine wissenschaftlichen Belege dafür. Die bisherigen Studien konnten es nicht nachweisen. Im Gegenteil... "

"Weil die Messinstrumente dafür nicht geeignet sind. Weil wir an den falschen Stellen suchen, weil unsere Freiheit sich nicht in einem bestimmten Hirnareal lokalisieren und auf ein Modul reduzieren lässt. Weil sie unser gesamtes Menschsein umfasst... "

"Was schwafelst du denn da? Das ist ja fast Esoterik... Wo sind denn die Fakten? Was ist denn aus Dir geworden, Amelie...?"

Nun fühle ich mich angegriffen. Habe ich doch zu viele Psycho-Bücher gelesen? Nein! 

"Bloß weil man etwas nicht anhand von Daten wissenschaftlich nachweisen kann, bedeutet es nicht, dass es nicht existiert. Was für eine gnadenlose Überschätzung unserer modernen wissenschaftlichen Methoden. Große menschliche Geister waren zeitlebens durch reines Nachdenken zu großen Einsichten fähig, die nicht weniger bedeutsam sind", sage ich mit Heftigkeit. Und fahre fort:

"Wenn du dem Menschen seine Freiheit absprichst, dann enthebst du ihn seiner Verantwortung. Dann hat er einen Freibrief für jedes Verhalten. Denn er konnte ja nicht anders. Ihn trifft keine Schuld. Er ist Opfer seiner Muster. Dagegen wehre ich mich."

"Naja, dann glaub halt weiter dran", sagt A. und steht auf, um eine Zigarette zu rauchen.

Und ich verstehe nichts mehr.

Ticken so die Business Leute im Innersten? Ist das das Menschenbild, das dem Wirtschaftsleben im Kern zugrunde liegt? Ich habe doch auch einmal Volkswirtschaft studiert? Habe ich da auch so gedacht?

Was ist mit unserem kritischen Denken passiert? Wo ist es hin, unter der stillen Diktatur des Kapitals? Freie Meinungsäußerung ohne Freiheit?

Kurz später - ich kann nicht anders - mache ich von meiner Freiheit Gebrauch: und gehe ins Bett.

Zum Glück haben A. und ich danach noch zwei Tage miteinander verbringen können, waren wandern mit den Kindern, haben gelacht, gegessen und getrunken. Und über viel anderes diskutiert, was unser Leben heute so bereit hält. Und das ist nicht wenig.

Aber unser Gespräch hat mich nachdenklich gestimmt. Sehr nachdenklich.

Zum Abschluss dieses Zitat von Viktor Frankl, einem großartigen Denker, Psychologen und Überlebenden von Ausschwitz:
"Zwischen Reiz und Reaktion gibt es einen Raum.
In diesem Raum haben wir die Freiheit und die Macht,
unsere Reaktion zu wählen.
In unserer Reaktion liegen
unser Wachstum und unsere Freiheit."

Sonntag, 19. November 2017

Wie Du eine Vision entwickelst

Eine Leben zu leben voller Leidenschaft. Mit Überzeugung. Den eigenen Werten gemäß.

Das ist doch das Ziel!

Oder?

Setz dich hin und frage Dich.

Wie will ich leben? Wie kann ich helfen? Wie kann ich die Welt ein Stückchen besser machen?

Auch wenn ich nicht die großen Strippen ziehen kann. Insektizide nicht verbieten kann. Große Immobilieninvestoren aus Leipzig nicht vertreiben kann. Auf amerikanische und die Hälfte der sächsischen Wähler keinen direkten Einfluss habe. So habe ich doch Einfluss auf mein direktes Umfeld. Auf alle Menschen, denen ich täglich begegne.

Und ich kann mich immer wieder bemühen, mein Bestes zu geben. Mich und sie zu respektieren. Zuzuhören. In mich hineinzuhören. Und mich zu fragen: welcher Weg und welches Wort hilft allen im Moment am meisten weiter? Auch welches Wort, das ich nicht sage? Welchen Zorn, den ich nicht an jemandem auslasse?

Und was dabei am meisten hilft. Sofort Energie frei werden lässt.

Ist eine Vision! Die Vision vom Leben, das ich leben möchte.

Und ist die Vision da, in meinem Kopf. Dieses Bild. So wird es Wirklichkeit werden.

Wenn ich es schaffe, die Angst loszulassen. Vor meiner eigenen Freiheit.


Samstag, 18. November 2017

Wie schön, dass Du geboren bist....

Das Schönste an ihrem Geburtstag war, dass wir dieses Lied für sie gesungen haben. Erklärt mir Lola mit glänzenden Augen beim Zubett-Bringen.

"Wie schön, dass Du geboren bist. Wir hätten Dich sonst sehr vermisst...."


Wie sie da liegt. Im neuen gestreiften Nachthemd. Neben ihr das neue Bibi-und-Tina-4-Buch für Erstleser. Ihr Tisch voller Kratze-Bilder, die sie schon fast fertig 'ausgemalt' hat, während ich die Reste ihrer Geburtstagsparty beseitigt habe.

"Freurich. Meine Gebutstag", sagt sie, mit diesem Strahlen in den Augen, das direkt aus der Seele zu kommen scheint. Und gibt mir einen Kuss. Eine Minute später ist sie eingeschlafen, tief und fest.

Wenn ich das vor zehn Jahren gewusst hätte. Wieviel Innnigkeit und Freude sie in unser Leben bringen würde.

Oder hat sie mich das erst gelehrt? Die kleinen Dinge zu sehen. Die leisen Worte. Die langsamen Bewegungen.

Danke, Lola. Dass es Dich gibt!


Donnerstag, 16. November 2017

Die Gabe, einen Fleck zum Leuchten zu bringen

Manche Tage passen wie ein Mosaik zusammen. Andere sind wie Dominosteine. Erst läuft es wie am Schnürchen, doch auf einmal stürzt alles zusammen.

Du willst nur noch eines: Verschwinden. Davonlaufen. Am besten fliegen.

Nur wo sind die Flügel geblieben? 

Alle schauen Dich an. Und warten. Die Luft ist zum Zerschneiden. Und du? Nickst - und gehst.

Was machst du? Dich unter einen Busch legen und die Wunde lecken?

Manche Türen verschließen sich, an irgendeinem Punkt im Leben.

Macht es Sinn, sie mit Gewalt wieder aufzusprengen? Mit Schlagstöcken gegen das Leben anzuhämmern?

Vielleicht ist es endlich an der Zeit, eine andere Türe zu öffnen. 

Mittwoch, 15. November 2017

Energietankstelle gefällig?

5 Uhr Nachmittag. Es ist schon dunkel. Die Kinder spielen in ihren Zimmern. Und ich? Könnte einen Artikel in der Zeitung lesen. Etwas Schönes kochen. Oder den Geschirrspüler ausräumen.

Aber ich fühle mich so kraft- und saftlos, dass ich zu nichts in der Lage bin. Dabei war der Tag eigentlich schön. Und gar nicht so energieraubend.

Habe ein erquickliches Seminar in der Uni gehalten. Ohne dass mich die Studierenden ausgebuht haben.

Habe mit meinem ehemaligen Chef angenehm zu Mittag gegessen und Möglichkeiten einer Weiterbeschäftigung eruiert (noch ohne Aussicht auf Erfolg, aber egal).

War mit Pavel im 'kleinen Garten', habe in der Erde gewühlt und Zweige zerhexelt. Derweil Pavel Steine zerkloppt hat, um einen Weg zu "pflastern". (Jetzt liegt alles voller Steinbrocken, aber egal).

Während Lola und Greta beim Geigen waren und alleine mit der Straßenbahn wieder nach Hause gekommen sind.

Ein runder, schöner, voller Tag.

Und ich? Bin ohne jede Energie.

Kennt ihr das?

Warum nur? denke ich. 

Was kann ich machen, um mich besser zu fühlen? Mich aufzupumpen, mit neuer Energie? Da muss es doch Tricks geben, Tipps.

Hab ich den falschen Job?

War die Gartenarbeit doch zuviel?

Denke ich zu viel nach, während ich etwas tue? Müsste ich mich mehr auf das Hier und Jetzt konzentrieren?

Mehr Sport, das ist es. Mehr Sport machen.

Wirklich?

Oder sollte ich mich vielleicht einfach einen Moment auf das Sofa legen? Mich einfach einen Moment lang auf das Sofa legen. Und - nichts tun! Nichts denken. Nichts fragen. Nichts lösen. Einfach: nichts.

Und wie wunderbar, liegt es sich da. Beine hoch. Kissen unter den Kopf. An die Decke starren. Ruhe, Endlich Ruhe.

Bestimmt 5 Sekunden. Da kommt Greta ins Wohnzimmer. "Mama, was machst DU denn da?" fragt sie und starrt mich entgeistert an.

"Ähm. Ich glaube, ich liege auf dem Sofa."

"Und was MACHST du da?"

"Nichts", sage ich. So selbstverständlich wie möglich.

"Na, dann ist ja gut", sagt sie und geht in die Küche, um sich etwas zum Naschen zu holen.

"Und was gibt's zum Essen heute?"

"Weiß ich noch nicht...", antworte ich.

Und denke: Nichts.