Montag, 12. Januar 2009

Intelligenz ist nicht nur ererbt, sie wird auch aufgebaut.

Im folgenden ein Interview mit dem spanischen Pädagogikprofessor Miguel Lopez Melero, das ich ins Deutsche übersetzt habe. Melero ist Begründer des Projekt Roma und einer der entscheidenden Förderer von Pablo Pineda, dem ersten europäischem Universitätsabsolventen mit Down-Syndrom.

"Intelligenz ist nicht nur ererbt, sie wird auch aufgebaut"
Ausgezeichnet mit dem Preis 'Caja Navarra' für seine Forschungen zum Lernen in Menschen mit Down-Syndrom, vertritt Miguel López Melero ein Erziehungsmodell, das Wert legt auf den Unterschied.

Seit er mit neun Jahren an Kinderlähmung erkrankte, so dass er zwei Jahre lang nicht zur Schule gehen konnte, weiss Miguel López Melero, was es bedeutet, an Schwierigkeiten zu wachsen. Ausgezeichnet mit dem 'Premio Caja Navarra' für 14 Jahre Arbeit an einem neuen Erziehungsmodell für Kinder mit Down-Syndrom, geht seine Berufung als Forscher weit darüber hinaus. Seit 1990 leitet er das Projekt Roma, ein Schlüsselinstitut der zeitgenössischen Pädagogik, dessen Zielsetzung darin besteht zu zeigen, dass Intelligenz nicht unwiderruflich durch die Genetik festgelegt wird, sondern ausgehend von den bestehenden Unterschieden und durch geeignete Erziehung und Umgebung aufgebaut und entwickelt werden kann.

Als Sie mit dem Projekt Roma anfingen, hatten Sie schon seit mehreren Jahren zum Lernen in Menschen mit Down-Syndrom geforscht. Was hat Sie dazu gebracht, diese Initiative ins Leben zu rufen?

Ich war nicht zufrieden mit dem, was ich bis dahin gemacht hatte. Es stimmt zwar, dass die Kinder mit denen ich arbeitete, gelernt hatten zu lesen und zu schreiben, aber das familiäre und schulische Umfeld hatten sich in keiner Weise verändert. Das Projekt Roma ist entstanden, um diese Lücke zu füllen. Bis dahin hatte ich mich nur auf die Kinder konzentriert; seitdem begann ich, auch das Umfeld mit einzubeziehen, die Familien, die Schule.

Was wollten Sie damit zeigen?

Das wichtigste Ziel bestand darin, eine neue Theorie der Intelligenz zu entwickeln. Bis dahin ging man davon aus, dass Intelligenz ererbt sei und daher auch nicht verändert werden könne. Die Frage, die wir uns stellten, war: wird Intelligenz ererbt oder konstruiert? Wenn sie nur ererbt ist, bringt Erziehung nichts; wenn sie jedoch konstruiert wird, wie wir behaupten, befinden wir uns in einem anderen Modell. Wir wollten auch die Werte untersuchen, die in Familien und Schulen entstehen, wenn es ein Kind mit einer Behinderung gibt.

Im Projekt Roma nehmen Familien mit Kindern mit Down-Syndrom teil. Was sagen Sie ihnen, wenn diese sich an sie wenden?

Das Wichtigste ist, dass die Eltern, deren Welt in tausend Stücke zersprungen ist, wieder zu ihrem Leben finden. Sie müssen erkennen, dass es von ihnen abhängt, was ihr Kind erreichen kann. Am Anfang sage ich Ihnen, dass sie ihr Baby behandeln sollen als hätte es kein Problem, es ist ein Baby und braucht das gleiche wie jedes andere Baby. In der zweiten Phase hängt alles davon ab, was noch gemacht wird, von uns, von der Familie, von der Schule. Falls das Kind sonst keine Probleme hat, muss seine Intelligenz angeregt werden. Das Gehirn ist wie ein Muskel, es kann trainiert werden.

Wie genau wird dieser Prozess vollzogen?

Zuerst entwickelt man ein Erziehungsmodell, das für jeden Fall anders aussieht und das Kind und seine Familie mit einbezieht. Ich gebe den Eltern eine Anleitung, wie sie arbeiten müssen, damit sich das Kind entwickeln und in einen selbständigen Menschen verwandeln kann. Falls das Kind zum Beispiel Aufmerksamkeitsprobleme hat, zeige ich ihnen Übungen, die sie zuhause machen können, um diesen Mangel zu beheben. Falls es zwei oder drei Jahre alt ist, kann man es mit zum Einkaufen nehmen und danach in der Vorratskammer die Lebensmittel sortieren lassen. Oder beim Wäsche machen die weisse Wäsche von der Buntwäsche trennen lassen. Der Schlüssel besteht darin, im Alltag bestimmte logische Abläufe zu erlernen, die es erlauben, kognitive Vorgehensweisen zu entwickeln.

Die Arbeit beginnt also, wenn sie noch sehr klein sind.

Fünf Tage nach der Geburt sind diese Kinder schon in der Universität. Und zwar deshalb, weil es nicht dasselbe ist ein Baby unter Tränen zu stillen als im Wissen darum, dass seine Entwicklung von dir abhängt, von deinem Lachen, deinem Stolz. Ich bringe den Eltern bei, dass das ihrem Baby Kompetenz vermittelt. Ich erkläre ihnen, dass dieses Kind eines Tages anfangen wird Silben hervorzubringen, vielleicht nicht mit sechs Monaten aber mit 11, aber es wird es machen, und es wird anfangen zu gehen, vielleicht später als andere, aber es wird es tun.

Und eines Tages wird es zur Schule gehen. Wie sind die Grundschulen, die am Projekt Roma teilnehmen?

Unser Erziehungsmodeel ist kooperativ, solidarisch und stimuliert eine deduktive Herangehensweise. Man arbeitet in Gruppen und in normalen Schulen. Ein Kind mit Down-Syndrom entwickelt sich besser mit Kindern ohne dieses Handicap als mit anderen Kindern mit Down-Syndrom. A priori denkt man, dass sie nicht in der Lage sind zu lernen. Wir denken aber, dass sie die Konfrontation mit intellektuell stärkeren Kindern brauchen. Wären die Kinder perfekt, gäbe es keinen Fortschritt, Fehler sind notwendig.

Alle können lernen?

Genetisch gesehen gibt es drei Untergruppen von Down-Syndrom und, a priori, haben nicht alle die gleichen kognitiven Fähigkeiten. Aber der Mensch ist nicht nur Genetik, er ist auch Erziehung. Wir haben Kinder ausgebildet, die andere überholt haben, die anfänglich von diesem Gesichtspunkt aus einen Vorteil hatten. Die Erziehung ist absolut grundlegend.

2 Kommentare:

oma mahlstedt hat gesagt…

also noch einmal. habe gestern hier einen komentar reigestellt, der sich ins nirwana verflüchtigt hat.

mulle, das ist wunderbar, dass du uns die studien des professors und die daraus resultierenden erfolge näherbringst.

ich bin mir sehr sicher, dank deiner lebensumstände, deiner erfahrungen mit loli und deiner wissenschaftlichen arbeiten zu vielen themen, bist du absolut befähigt, zum gleichen thema hier in deutschland vorreiter zu sein. du musst nicht warten, bis was passiert. tu was, dann wird dir geholfen. viele warten schon.

nimm spanien als gutes vorbild für deinen eigenen weg hier in deutschland.

und wenn du noch deine ungeduld und deine erwartungshaltung ein wenig drosselst, dann seh ich keinen hinderungsgrund für gutes gelingen. deine familie hilft dir. du kannst doch begeistern!

pack es an!

oma mahlstedt hat gesagt…

mulli, fiel mir gerade ein............


der drache lehrt uns.............

wer hoch steigen will,

muss es gegen den wind tun


ein altes chin. sprichwort