Dienstag, 6. Juni 2023

Traurig

An manchen Tagen ist Lola sehr laut, aggressiv und ruppig. Motzt andere an, fällt anderen ins Wort. Oder geht alleine in ihr Zimmer, nicht nur um Musik zu hören, sondern auch um laut zu diskutieren, mit sich selber oder imaginären Freunden. Richtig heftig geht es da oft her, sie motzt und brüllt sie fast an. 

Manchmal ist sie danach ruhiger, oft aber auch noch ungehaltener. Was ich oft schwer auszuhalten finde. Was aber ihrem inneren Ausgleich zu dienen scheint. Irgendetwas an Erlebtem, Gefühltem, Unverarbeitem verarbeitet sie da wohl.

Heute jedoch war sie ganz sanft. Vielleicht weil ich alleine mit ihr war, ohne Geschwister. Im Garten, um ein bisschen Unkraut zu jäten, mit ihr lesen zu üben und 'Skyo' zu spielen. 

Da erzählte sie plötzlich, dass es anders sei in ihrer Klasse, seit ihre Tutorin A. (ihre Klassenlehrerin) in Elternzeit ist. Seit etwa zwei Monaten. Die anderen Kinder seien irgendwie anders. "Mich nicht angucken, niemand", sagte sie traurig. Und ich muss schlucken. 

Am Abend im Bett diskutierte sie zum ersten Mal nicht laut mit ihren imaginären Freunden, was sie sonst oft macht. Sondern saß still da und schaute ihr Freundebuch an, in dem alle Mädchen ihrer Klasse etwas eingetragen hatten auf ihrem vorletzten Geburtstag. Daneben lag aufgeschlagen ihr Tagebuch, in das sie hineingekritzelt hatte. Unleserlich, aber für sie mit Bedeutung. "Keine Freune mehr hab", sagte sie traurig, als ich mir das Buch anschaute. 

Kurz darauf machte sie tatsächlich das Licht aus, und schien einzuschlafen. Doch als ich nochmal hinging, hörte ich sie leise weinen und schluchzen im Bett. Ganz aufgelöst erzählte sie mir. "Meine Freunde vermisst. Ganz dolle." Sanft strich ich ihr über den Kopf. "Ja..."

Dann schlief sie ein.

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