Letzte Woche hatte Pavel ein Basketballturnier - und gab alles. Doch leider war im Zweikampf sein Gegner stärker, und Pavel krachte nicht nur mit voller Wucht gegen ihn, sondern ging sogar zu Boden: mit gebrochenem Arm.
Und erlebte so seinen ersten Rettungswageneinsatz (RTW) als Insasse, während ich dem Krankenwagen hinterherfahren durfte - bis zur Uni-Kinderklinik.
Wo Pavel zwei Tage lang geduldig (und nüchtern) auf seine OP wartete. Denn der doppelt gebrochene Arm musste mit Metallstäben geflickt werden. Nur gab es OPs, die lebenswichtiger waren als seine.
Mit großer Gelassenheit (und Hunger) geduldete er sich. Betreut und umsorgt von so vielen lieben und aufmerksamen Ärzten und Schwestern der Kinderchirurgie. Wirklich ein Geschenk!
'Sobald der OP frei ist, operieren wir", war zwei Tage lang die Ansage. Puh, er hatte wirklich Nerven wie Drahtseile. Und blieb zum Glück ganz entspannt.
Und ich erinnerte mich an die Zeit, als vor 17 Jahren Lola eine Etage weiter unten auf der ITS lag, mit Lungenentzündung. Und ebenso liebevoll umsorgt und geheilt worden war. Ich zweifelte keine Sekunde... dass alles gut gehen würde.
Nur als der OP-Termin immer näher an den Mitttwochabend rückte, wurde ich langsam unruhig. Denn am Mittwoch um 18 Uhr hatte ich eine Lesung in Chemnitz. Und Pavels Papa war auch beruflich unterwegs. Was tun?
Sollte ich bei Pavel bleiben, um weiter zu warteh und ihm evtl bei der OP beizustehen? Oder zur Lesung fahren, im Vertrauen darauf, dass er im Krankenhaus gut versorgt war? Und die OP auch ohne meinen Herzensbeistand gelingen würde? Denn tun konnte ich ja eh nichts. Außer warten... mit und bei ihm.
'Fahr nur Mama, das wär doch blöd, wenn du die Arbeit ausfallen lassen musst", meinte Pavel, scheinbar entspannt. Und in mir wirbelten die Gedanken. Ein echtes Dilemma. War die mütterliche Liebe zum Sohn, seine Unterstützung, wichtiger? Oder die Verpflichtung gegenüber den Veranstaltern der Lesung, der Telefonseelsorge Chemnitz, die über die Veranstaltung Gelder für Ihre Arbeit einnehmen wollten?
"Loslassen, Amelie!", sagte ich mir. "Vertrauen". Die Ärztin hatte mir versichert, dass er bei ihnen in besten Händen sei. Und die OP eine Routine-OP war. Aber ihn ganz alleine lassen?
So fragte ich Katharina, eine befreundete Ärztin (zwar schon in Rente, aber vom Fach), ob sie vielleicht bei Pavel bleiben könne. Und als sie zusagte - welch eine Erleichterung - ließ ich ihn voller Vertrauen in den Händen der Uniklinik zurück, und fuhr mit dem Auto nach Chmenitz. In diesem tiefen starken Gefühl, dass alles gut geht. Einer von diesen Tagen, wo man sich getragen fühlt
Kaum auf der Autobahn, erzählte mir Katharina, dass sie ihn soeben zum OP abgeholt hätten. Und da wurde ich doch etwas aufgeregter. Und war am Ende fast froh, durch die Fahrt und die Lesung abgelenkt zu sein.
Und nach einer schönen Veranstaltung, sah ich auf dem Handy einen Anruf der Klinik. "Die OP sei super verlaufen, Pavel würde bestimmt noch zwei Stunden schlafen", erzählte die Ärztin, die die Operation durchgeführt hatte. Ein Stein fiel mir vom Herzen.
Als ich gegen 21 Uhr wieder zu ihm in die Klinik kam, schlief er immer noch. In seinem OP-Hemd, voller Kabel. Vorsichtig streichelte ich ihn, und kurz wachte er auf.
"Wie war die OP?", fragte ich leise.
"Schön, antwortete er lächelnd. "ich hab gar nichts mitbekommen." Schälte sich noch kurz aus dem OP-Hemd und zog ein T-Shirt über den einbandagierten Arm, und schlief weiter. Was für eine Erleichterung. Und perfektes Timing!
Und während der ganzen Zeit war Lola komplett alleine zu Hause! Sie war mit der Tram von der Schule nach Hause gefahren, hatte zu Abend gegessen und war alleine ins Bett gegangen. Mit dem lapidaren Kommentar "Mama, bin 18. Schaff das locker. Bin nicht mehr klein."
Wow. Wofür solche Sondersituationen doch nicht manchmal gut sind. Denn bisher hat Lola das noch nie ganz alleine gerockt. Auch das war eine Premiere!

Seit Samstag ist Pavel nun wieder glücklich zu Hause. Hat - vor lauter Langweile - das Zeichnen für sich entdeckt. Und ich habe - oh Wunder, sogar Zeit gefunden, die Wohnung ein bisschen weihnachtlich zu gestalten.
Und am Sonntag brannten zwei Kerzen am Adventskranz...
Wir hatten alle zusammen einen kleinen Tannenbaum aufgestellt und geschmückt...
... und sogar die obligatorischen und weltbesten Schokotaler gebacken!
Unglaublich. Und das, nachdem ich am Freitagabend noch sicher war, dass ich jetzt und auf der Stelle vor Überlastung zusammenbrechen würde. An allen Fronten gleichzeitig im Einsatz. Und doch hat es wieder irgendwie hingehauen.
Und voller Dankbarkeit blicke ich auf diese Tage zurück. In denen ich wieder spüren durfte, wie zerbrechlich das Leben sein kann. Wie viele Menschen uns unterstützen. Und wie groß meine Kinder schon sind!
Danke danke danke!






