Samstag, 27. Februar 2010

Die weißen Teller

In meinem Leben bin ich schon oft umgezogen. Meist war ich voller Vorfreude und konnte es gar nicht abwarten, in eine neue Wohnung, eine neue Stadt oder sogar in ein neues Land zu kommen. Denn eine neue Wohnung ist immer auch ein neuer Anfang, eine neuer Ab-schnitt ...

Dass damit aber auch ein Ende verbunden ist, dass habe ich gestern gemerkt. Als ich bei Uta in der Wohnung saß und ihre grossen weißen Teller einen nach dem anderen in Zeitungspapier eingeschlagen habe. Weil sie in einer Woche aufs Land ziehen, weit weg von Leipzig. Und da wurde mir auf einmal ganz traurig - und ich musste an all die Abende denken, an denen ich von diesen Tellern gegessen habe - in ihrer Wohnung in Gohlis.

Draussen auf dem Balkon, als wir beide noch keine Kinder hatten und darüber diskutierten, wofür es sich lohnt zu leben. Und an den langen Abenden in der Küche, als Uta darauf wartete, dass Antonin aus ihrem Bauch kroch, aber der wollte nicht. Und an den vielen vielen Abenden, als Antonin klein war und ich noch keine Kinder hatte und ganz oft dort übernachtete und fast ein bisschen zur Familie gehörte. Und so verliebt war in den kleinen Prinzen, dass ich auch ein Kind wollte und - Greta nicht lange auf sich warten liess. Dann wurden die Abende seltener, dass ich von Utas weissen Tellern essen durfte, weil ich nun von meinen eigenen weißen Tellern aß und meine eigene Familie hatte.

Und doch werde ich diese Abende vermissen. Und nicht nur die. Aber ich will nicht traurig sein. Und freue mich auf das erste Besuchs-Wochende auf dem Lande, im neuen Haus mit grosser Wohnküche und Kachelofen und draussen dem großen Apfelgarten... Fast wie Bullerbü.

Donnerstag, 18. Februar 2010

'Kunst ohne Grenzen'

Diese Woche Sonntag, am 21.Februar könnt ihr auf 3sat um 18:30 Uhr den Film “Kunst ohne Grenzen” über drei aussergewöhnliche Künstler sehen - Holger Frischkorn, Christa Sauer und Stefan Häfner.

Ein Porträt von drei Menschen, die lange am Rande der Gesellschaft standen. Weil sie anders sind als die anderen. Geistig behindert? Ein Autist, eine Frau mit Down-Syndrom und ein Mann mit kognitiven Störungen.

Ihre Leidenschaft für die Kunst war für ihre Familien lange eine Last. Weil sie ununterbrochen malten und bastelten. Es gab keinen Platz mehr für all die Produkte ihrer Fantasie - riesige Bildern aus konzentrischen Kreisen und fantastische Zukunftsstädte aus Pappmaché. Ihre Familien warfen vieles einfach weg.

Bis die Begabung der drei entdeckt wurde - von einer Frankfurter Galeristin. Im Atelier Goldstein in Frankfurt am Main bietet sie ihnen Schaffensraum, fördert ihre Talente - zusammen mit 12 anderen behinderten Künstlern.

Mittlerweile sind die drei weltberühmt - ihre Schöpfungen verkaufen sich nach New York und Tokio. Sie haben eigene Ausstellungen in grossen Museen.

Ich habe den Film schon vor einem halben Jahr gesehen und war schier erschlagen durch die Gewalt dieser Bilder und Schöpfungen - irre!!! Im wahrsten Sinne. Für normal Sterbliche nicht zu realisieren.

Der Film begleitet die drei Künstler bei ihren Schöpfungen, in ihrem Alltag, auch in der Behindertenwerkstatt, wo sie 'normalerweise' arbeiten. In leisen Tönen erzählt er von ihrem Leben und lässt diese drei wirklich 'aussergewöhnlichen' Menschen für sich sprechen - fast ohne Worte, allein durch die Gewalt ihrer Bilder und Werke.

Schaut euch den Film an!!!

Mittwoch, 17. Februar 2010

Entwicklungscheck im SPZ

Ich habe es geschafft. Ich war mit Lola im SPZ (Sozialpädiatrischen Zentrum) Leipzig. Das SPZ steht unter kinderärztlicher Leitung und ist zuständig für die "Prävention, Diagnostik, Behandlung und soziale Eingliederung von Kindern und Jugendlichen mit Entwicklungsstörungen, Behinderungen, Verhaltensauffälligkeiten oder seelischen Störungen einschließlich der Beratung und Anleitung von Bezugspersonen".

Dort bekommt man vom Säuglingsalter an eine umfassende Diagnostik des Kindes und Hinweise auf hilfreiche Therapien, erfahrene Therapeuten und Überweisungen an gute Fachärzte. Man kriegt Empfehlungen für die nötigen Vorsorgeuntersuchungen (Augenarzt, Hörtest, Kieferorthopäde, Schildrüsenuntersuchungen etc.). Es gibt dort auch Sozialarbeiter, die einem bei Anträgen für Pflegegeld und Behindertenausweis helfen können. Und wenn nötig, bekommt man auch eine psychologische Betreuung. Im SPZ gibt es auch eine Frühförderstelle mit Heilpädagogen, eigene Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Logopäden usw. Also DER Anlaufpunkt nach der Geburt eines Kindes mit Down-Syndrom.

Auch ich hatte im SPZ einen Termin, als Lola etwa 3 Monate alt war. Ich habe ihn damals aber abgesagt - aus mir heute unverständlichen Gründen. Ich glaubte, nicht noch mehr Termine zu brauchen. Wollte niemandem an meinem Kind rum doktorn lassen und mir sagen lassen, wie furchtbar verzögert sie sei...

Jetzt wollte ich aber doch einen Termin im SPZ. Um eine erfahrene Ärztin auf Lola schauen zu lassen. Um in Erfahrung zu bringen, wie man ihre motorische und kognitive Entwicklung einschätzt. Mir Hinweise zu holen, auf geeignete physiotherapeutische Maßnahmen. Kurz: um eine objektive Meinung zu meiner für mich natürlich wunderbaren und ganz besonders pfiffigen Tochter einzuholen.

Und die habe ich heute bekommen. Von einer sehr netten, engagierten und einfühlsamen Ärztin. Die sich Lola auch früher hätte anschauen dürfen, dann hätte ich schon eher erfahren, was Lola braucht - welche Therapien und bei wem am besten. Ein bisschen habe ich mich schon geärgert, dass ich erst so spät bei ihr war. Aber sie konnte mich beruhigen: ich habe auch auf eigene Faust das Beste für Lola getan und sehr gute Therapeuten für sie gefunden.

Und was meinte die Ärztin zu Lola? Sie konnte mich beruhigen, was meine Ungeduld bezüglich ihrer motorischen Entwicklung anging. Lola bewege sich sehr flüssig und gut koordiniert, sei kräftig und nicht zu hypoton. Vojta wäre nicht nötig (ich habe das immer nochmal im Kopf). Sie solle jetzt ganz viel krabbeln, und wir sollten auf keinen Fall vorzeitig mit ihr das Laufen üben. Das käme bald von ganz alleine. Viel wichtiger sei das Üben gut koordinierter Bewegungsübergänge, wie das kontrollierte Hinsetzen aus dem Stand - Lola lässte sich meist einfach auf ihren Popo plumpsen.

Ansonsten war die Ärztin sehr angetan von Lolas Ausdauer bei den verschiedenen Übungen. Sie machte überall gut mit, auch wenn sie so manches Spielzeug zweck entfremdete. Und ich ein bisschen Enttäuschung nicht unterdrücken konnte, weil sie das doch kann... (diese ehrgeizigen Mütter immer). So stapelte sie Ringe auf eine Stange (kein Problem), zeigte einige Körperteile, steckte Kreise und Quadrate in Formen (nicht sehr zuverlässig), fädelte eine Perle auf einen Faden (sie versuchte es), sortierte Streichhölzer in eine leere Schachtel (das eine oder andere), warf und rollte einen Ball und lief die ganze Zeit am Behandlungstisch entlang. Und zeigte sich von ihrer liebevollsten und geduldigsten Seite....

Alles in allem schätzte die Ärztin ihren Entwicklungsstand auf etwa anderthalb Jahre!!! Super, oder? Naja, Lola ist ja schon 2,3 Jahre. Aber ich finde 1.5 Jahre trotzdem klasse. Irgendwie hab ich mich voll darüber gefreut - warum auch immer. Denn so empfinde ich sie auch oft, wie andere Kinder in diesem Alter, auch vom Sozialverhalten her und ihren Interessen.

Ansonsten bestärkte mich die Ärztin darin, den Behindertenausweis und das Pflegegeld zu beantragen - weil Lola ein Recht darauf hat und weil es ihr zugute kommen wird. Gerade, wenn sie ins Schulalter kommt.

Und sie freute sich darüber, was für ein inniges Verhältnis ich zu Lola habe, und wie gut ich ihre Besonderheit angenommen habe. Und das hat mich wiederum gefreut, dass sie das so sagte.

Dienstag, 16. Februar 2010

Ge-lassen

Heute früh vor dem Kindergarten fiel mir dieser Spruch ins Auge, der im Zettelkasten vor dem Eingang hing - Greta geht in einen evangelischen Kindergarten. Ich fand den Spruch so schön und passend, dass ich ihn hier aufschreiben wollte.

Gott gebe mir die Gelassenheit,
Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann;

den Mut,
Dinge zu ändern, die ich ändern kann;

und die Weisheit,
das eine vom anderen zu unterscheiden.


Was für eine schöne Lebensregel, dachte ich mir....

Montag, 15. Februar 2010

Prinzessin gegen Seeräubertochter

Auf der Faschingsparty im Kindergarten war Greta natürlich als Prinzessin verkleidet und natürlich: die allerschönste, so sagte sie. Auf dem Weg zum Kindergarten erzählte sie mir ganz begeistert von dem Prinzen Edgar, mit dem sie dann zusammen reiten würde. Nur leider, leider, war ihr Freund Edgar nicht als Prinz verkleidet, sondern als Koch. Und auch keiner der anderen Jungen war Prinz, nicht einer. Nur etwa fünf andere Mädchen waren auch als Prinzessinen verkleidet. Die Enttäuschung war ihr anzusehen....

Wie oft hat sie schon 'Drei Haselnüsse für Aschenbrödel' geschaut, ist dahingeschmolzen. Und ich erst - vor allem als Aschenbrödel mit dem Prinzen in der letzten Szene über's schneebedeckte Feld davon reitet. Was für eine Szene. Welche Sehnsucht wird da nicht wach....



Da habe ich mir gedacht, ob ich dieser Sehnsucht, die in den nächsten Jahren sicher nur schwer zu erfüllen sein wird (wenn überhaupt), nicht mal etwas anderes entgegen setzen sollte?

Nicht dass ich was gegen Aschenbrödel habe. Sie ist eine beeindruckende Frau. Trotz der ungerechten Behandlung durch ihre Stiefmutter ist sie voller Lebensfreude und Selbstbewußtsein, ist frech und führt den Prinzen tüchtig an der Nase herum. Der ist ein echter Lebemann und will am Ende nur noch eins: Aschenputtel - die nicht nur schön ist, sondern auch reiten, jagen und auf Bäume klettern kann. Was für eine Frau!!!

Und doch, irgendwie unerreichbar für eine Vierjährige. Da habe ich ihr zum Geburtstag einen anderen Film geschenkt. Pippi Langstrumpf!!! Ein Mädchen, aber WAS für ein Mädchen!!!



Beim Schauen des Filmes habe ich mich zwar mal kurz gefragt, ob es eine gute Idee war. Als die Kinder in der Villa Kunterbunt auf den Möbeln rumspringen und sich an die Deckenlampe hängen. Und überhaupt, sich die Welt machen, 'widde widde, wie sie mir gefällt'.
Mal schauen, wann Greta auf diese Idee kommt...

Aber doch toll, wenn die Kinder bestimmen und sich von den Erwachsenen einfach mal gar nix sagen lassen, weil sie sowieso VIEL stärker sind. Und Pippi natürlich ganz alleine zurecht kommt. Ohne Eltern? Nein, wieso denn? Da sagt sie: "Na klar hab ich Eltern. Meine Mama ist im Himmel und mein Papa in der Südsee."

Sonntag, 14. Februar 2010

Für Mirjam!

Wir wünschen dir liebe Mirjam, einen ganz und gar aussergewöhnlichen Himmelsgeburtstag!!! Feier zusammen mit deinen vielen ganz und gar irdischen Geschwistern und deinen wunderbaren Eltern ein überirdisch schönes Fest. Durch den Raum und die Zeit hindurch verbunden - in der Liebe - für immer.


Immer wirst du bei uns sein - in unseren Herzen. Und vielleicht auch in den Blumen - den gelb-roten Tulpen - in denen die Blumenengel wohnen. Gross wie ein Daumen. Und heraus kommen, wenn man die Tulpe küsst ... vielleicht.

Samstag, 13. Februar 2010

Leckermäulchen


Freitag, 12. Februar 2010

Prinzessinnengeburtstag!!!

Unser grosse Greta ist heute 4 Jahre alt geworden!!!!


Und was hat sie bekommen? Ein Puppenhaus!!! Endlich ist ihr Traum in Erfüllung gegangen.


Und doch, gab es noch etwas, was ihr noch viiiiiel besser gefiel. Ein Prinzessinenkleid - ein richtiges. Sie hat es angezogen - und nicht nur ihr, sondern auch uns hat es die Sprache verschlagen. Sie sah aus wie eine wirkliche Prinzessin! Wie Aschenbrödel, in Gretas Lieblingsfilm 'Drei Haselnüsse für Aschenbrödel'.

Und so stand sie vor dem Spiegel, ganz lange, und hat sich bewundert. Immer wieder. Und das Kleid nicht mehr ausgezogen.

Donnerstag, 11. Februar 2010

Wiedersehensfreude....

Die spanische Oma, die Abuela, und die Tia Elena sind aus Spanien zu Besuch. Die Kinder sind glücklich....




Lola, mit ihrer allersüßesten Nutellaschnute...

Mittwoch, 10. Februar 2010

Hoppe, hoppe, Reiter ...

Die Bilder musste ich euch noch unbedingt zeigen. Greta und Lola beim Rumtollen. Das machen sie jeden Abend auf unserem großen Elternbett, so lange es geht....

Lola liebt es. Sie lacht die ganze Zeit wie wild, vor allem wenn Greta oder ich sie umwerfen. Um sich dann schnell wieder aufzurappeln - und wieder umgeworfen zu werden.

Und weil sie es so toll findet, in die dicken Kissen rein zu plumpsen, ist sie jetzt schon ein paar Mal ALLEINE auf dem Bett aufgestanden - und hat sich fallen lassen. Mit riesigem Gelächter und großem Applaus von Greta!!!

de Papa...

Normalerweise liest der Papa den Mädels abends immer eine Gute-Nachtgeschichte vor. Heute abend war er aber nicht da. Drum ist Lola ihn suchen gegangen. Ich fand sie in seinem Büro auf dem Sofa, mit traurigem Gesichtsausdruck. 'De Papa', sagte sie. Und machte ihr Zeichen für 'mehr', zeigte auf den Schreibtisch, wo er immer arbeitet und dann nochmal, ganz leise: 'de Papa'. Da ist mir selber ganz traurig geworden...

Sonntag, 7. Februar 2010

Aus der Reihe getanzt?

Wie a-normal es eigentlich ist, normal zu sein, das gab es in der Sendung 'Plasberg persönlich' am Freitag Abend zu sehen.

Mal aus der Reihe tanzen – wie viel Verrücktheit ist eigentlich normal?


Eine sehr schöne Sendung. Wo Schlagersänger Guildo Horn vor allem er selbst ist und davon erzählt, wie ihn das gemeinsame Musizieren mit 'aussergewöhnlichen' Menschen zur Musik gebracht hat - weil sie 'Lehrmeister der Authentizität sind'. Und der Psychotherapeut Manfred Lütz davon erzählt, dass in unserer Gesellschaft die Vorstellung von psychisch Kranken noch mittelalterlich sei und man eher zur Darmspiegelung gehe, als sich psychisch helfen zu lassen. Und dass 'geistig Behinderte' das Salz in der Suppe der Gesellschaft seien und uns Normopathen viel beizubringen hätten ... Wo ein Hohepriester des Unkonventionellen, eine Lehrmeisterin der guten Etikette und eine vom Waschzwang befreite noch das ihre zur Debatte beitragen. Die Spannbreite der Normalität ist halt weit.... Sehr unterhaltsam - und ganz und gar authentisch.

Donnerstag, 4. Februar 2010

In Sach(s)en Inklusion

Ich war heute nachmittag auf dem ersten Arbeitsgruppentreffen 'Inklusion in Sachsen' und es war äusserst interessant und sehr Mut machend. Es bewegt sich was. Endlich!!!!

Organisiert werden diese Treffen von der Lebenshilfe Sachsen in Chemnitz, im Auftrag des sächsischen Sozialministeriums. Ziel der Treffen: ein Konzept zu erarbeiten, wie Inklusion in Sachsen verwirklicht werden kann. Das heisst: erst mal zu gucken, wo wir überhaupt stehen. Und dann: konkrete PLäne für die Zukunft zu erarbeiten.

Es war ein ganz wunderbares Netzwerktreffen, denn es saßen endlich die verschiedensten Leute zusammen, die alle etwas mit behinderten Menschen zu tun haben - aber selten etwas miteinander. Die Behindertenbeauftragte der Stadt Leipzig, die Leiterin der Lebenshilfe, ein Herr von einem Behindertenfahrdienst, eine Mitarbeiterin einer Behindertenwerkstatt, Lehrerinnen einer Förderschule, viele Eltern von Kindern mit Down-Syndrom, Vertreter des Instituts der Förderpädagogik der Uni, eine junge Dame vom Anti-Diskriminierungsbüro, Vertreter von integrativ arbeitenden Kindertagesstätten und viele mehr.

Allerdings war nur ein 'Betroffener' mit dabei - ein junger Mann, der in einer Werkstätte arbeitet. Aber diese Treffen sind explizit auch für Menschen gedacht, die selber eine Behinderung haben und sich für ihre Rechte einsetzen möchte. Das betonte die Moderatorin mehrmals und wünschte sich für das nächste Arbeitsgruppentreffen viel mehr selbst Betroffene. Der Raum sei barrierefrei erreichbar und auf Wunsch könnten auch Gebärdendolmetscher angefragt und die Sprache könneeinfach gehalten werden. Das fand ich beeindruckend. Aber das ist ja auch die Grundidee bei Inklusion - die Menschen sollen bei der Umsetzung selber mit einbezogen werden. Wir wollen keine Integration nach den Vorstellungen der Gesellschaft, sondern die Betroffenen sollen aktiv mitbestimmen!!!

Aber wer fehlte? Es war kein einziger Vertreter der Schulbehörde oder einer allgemeinen Schule da. Kein Lehrer, kein Erzieher, niemand. Das ist traurig, aber doch vor allem erstaunlich. Das Land Sachsen ist gehalten, in kürzester Zeit jedem behinderten Kind, das es wünscht, den Zugang zur allgemeinen Schule zu ermöglichen. Das heißt: die Schulgesetze müssen geändert werden, es braucht Binnendifferenzierung im Lehrplan und eine Einbeziehung von Heilpädagogen und Förderlehrern, die neu eingestellt werden müssten. Eine grundlegende Umstellung des Schulsystems ist gefragt, damit das Land Sachsen das verwirklichen kann. Und zu so einem wichtigen Treffen, ist kein Vertreter der allgemeinen Schulen dabei?

Ich begreife wahrscheinlich zu wenig von Politik, um das zu verstehen. Sachsens Sozialministerium initiiert diese Arbeitsgruppe wohl nur, um sagen zu können, dass sie etwas tun. Ende 2011 können sie dann irgendein Konzept vorweisen. Aber wirklich etwas ändern brauchen sie bis dahin nicht. Ist das so einfach? Kann man die Umsetzung geltenden Rechts auf diese Weise hinauszögern? Und auf die langsam mahlenden Mühlen der Bürokratie abschieben? Auch im sächsischen Koalitionsvertrag taucht nichts zu Inklusion auf.

Aber diese Arbeitsgruppe ist hoffentlich geeignet, in dieser Hinsicht etwas in die Wege zu leiten. Druck beim sächsischen Kultusministerium zu machen. Denn dass Inklusion auch in Deutschland möglich ist, das zeigen ja genug andere Bundesländer. Z.B. in Schleswig-Holstein sind die Förderschulen mittlerweile fast abgeschafft. Und die Änderung der Schulgesetze weit fortgeschritten. Wann wird es in Sachsen so weit sein? Hoffentlich bald!

Mittwoch, 3. Februar 2010

1. Arbeitsgruppentreffen "Inklusion in Sachsen"

Morgen findet im Rathaus Leipzig das 1. Arbeitsgruppentreffen des Projektes Inklusion in Sachsen/ Leipzig statt.

Koordiniert wird das Treffen von Christian Eichfeld vom Institut für Förderpädagogik der Universität Leipzig. Nachfolgend seine Einladung:

Liebe Kollegen, Interessierte und Freunde,
ich darf Sie auf die morgige Auftaktveranstaltung der Lebenshilfeinitiative "Inklusion in Sachsen" ab 16.30 Uhr im Rathaus aufmerksam machen.

Es geht jetzt los.
In allen sächsischen Landkreisen entstehen Arbeitsgruppen zu dem Projekt „Inklusion in Sachsen“. In den Gruppen arbeiten Menschen mit Behinderung, Fachleute, Wissenschaftler, Politiker, Eltern, Angehörige und Freunde zusammen. Sie beschäftigen sich mit der UN-Behindertenrechtskonvention. Sie werden erarbeiten, wie die Realität von Menschen mit Behinderung in Sachsen im Moment aussieht und wie die Zukunft aussehen kann.
Die Sprecher der Gruppen treffen sich regelmäßig untereinander und mit der Projektleitung von „Inklusion in Sachsen“. Sie erhalten die fachliche Unterstützung, die sie brauchen. Auch die Zwischenergebnisse werden veröffentlicht.
Jetzt ist der richtige Zeitpunkt - Melden Sie sich, wenn Sie bei „Inklusion in Sachsen“ mitmachen wollen: Silke Hoekstra / Anja Dworski information@lebenshilfe-sachsen.de oder 0371/909910.

4. Februar 2010. 16.30-19.00 Uhr
1. Arbeitsgruppentreffen des Projektes Inklusion in Sachsen/Leipzig

Wir arbeiten gemeinsam am sächsischen Leitkonzept zur Umsetzung der UN-Behinderten-Rechtskonvention. Diese Arbeitsgruppe veranstalten wir in Kooperation mit der Beauftragten für Menschen mit Behinderungen Leipzig, Carola Hiersemann.

Ort: Neues Rathaus Leipzig
Martin-Luther-Ring 4-6
04109 Leipzig, Raum 260

Mit besten Grüßen,
Christian Eichfeld


Montag, 1. Februar 2010

Lola im Internet

Lola war im Fernsehen. Wer die Sendung verpasst hat oder keinen Fernseher besitzt (wie wir), kann sich den Beitrag auch im Internet anschauen. Für eine Woche ist er in der mediathek des MDR zu sehen (hier anklicken). Ab Minute 11:49 beginnt der Beitrag über Lola und uns.

Si quereis ver a Lola y a nosotros en la tele, podeis seguir este link y verlo en internet. Desde el minuto 11:49.

Film mit Pablo Pineda

Er hat Down-Syndrom. Er hat ein Uni-Diplom in der Tasche. Und jetzt, mit 35, ist er auch noch ein Filmstar. Für seine Rolle in dem Spielfilm 'Ich auch' wurde er in San Sebastian als bester Hauptdarsteller ausgezeichnet.

Das war zwar schon im September 2009, aber gestern habe ich ein so schönes Interview mit Pablo Pineda gefunden, samt Trailer zum Film (hier anschauen), dass ich euch das unbedingt zeigen wollte.

Hier meine freie Übersetzung einiger Teile des Interviews:

Was dachten Sie, als man Ihnen vorschlug, einen Film zu machen?

Die beiden Filmdirektoren luden mich zum Essen ein, weil man über solche Dinge besser am Tisch spricht, und erzählten mir von ihrer Idee : ich dachte zuerst, das sei totaler Unsinn. Ich als Schauspieler? Man braucht eine Technik, man muss schauspielern können... Ich fragte sie, ob sie wissen, worauf sie sich einlassen, weil ich und meine Familie unsere Zweifel hatten. Ein Film ist sehr machtvoll, ein starkes Medium, und ich konnte mich da nicht sehen.

Aber sie konnten Sie überzeugen?

Ich las das Drehbuch - und die Geschichte begeisterte mich. Und einige Zeit später, als ich mit ihnen einige Proben machte, merkte ich, dass sie mir wirklich gefiel. Ich konnte mich gut so sehen, und ich sagte, ja. Ich hatte angebissen, so richtig.

Haben Sie sich mit dem Drehbuch identifiziert?
Vor allem mit den Dialogen. Als ich die Worte Anstrengung, Kampf las ... Das kam an. Ich las all das, was ich selbst erlebt und worum ich gekämpft hatte. Während ich das Drehbuch las, hörte ich nicht auf zu weinen: in einer Hand die Blätter und in der anderen eine Packung Taschentücher. Wie konnte das meinem eigenen Leben so ähneln?

Was sind die Unterschiede zwischen Daniel, der Hauptperson, und Ihnen?
Er war schroffer als ich im Umgang, etwas, was mir nicht so gefiel. Ich bin viel höflicher und rechtschaffener. Das hab ich den Direktoren gesagt, so dass die Person des Daniel am Ende eine Mischung aus uns beiden wurde. Er hingegen, ist viel entschiedener als ich, viel zielstrebiger, er zeigt mehr Initiative.

Was haben Sie von ihm gelernt?
Dinge, die mir als Person fehlten. Das was ich gerade sagte: Initiative, Entscheidungskraft, auch etwas Verwegenheit. Ich habe gelernt, nicht so viel über die Dinge nachzudenken, weil ich am Ende über das viele Nachdenken nicht hinaus komme. Man muss mehr umsetzen, mehr Power haben. Ich habe auch viel von Lola Dueñas gelernt. Fast hat es mich erschreckt, wie sie in ihrer Rolle aufging.

Wie waren die Dreharbeiten?
Sehr flüssig, das hat mich inspiriert. Die Chemie im ganzen Team stimmte, und am Ende der Dreharbeiten kristallisierte das ganze und verwandelte sich in eine einzige grosse Umarmung zwischen allen.

Was haben Sie sich gefühlt, als Sie zum ersten Mal den Film gesehen haben?
Ich habe gelacht und geweint, weil da alles drin ist. Ich habe ihn im Sommer gesehen, zusammen mit meiner Familie, und er hat uns sehr gefallen. Einer meiner Brüder - noch jetzt kommen mir die Tränen, wenn ich daran denke - sagte mir, dass er sehr stolz auf mich sei. Das treibt dich an und macht Mut.

Sind Sie so romantisch wie die Hauptperson?

Das Drehbuch war sehr, sehr weich, aber ohne ins Kitschige zu gleiten. Es hatte eine sehr natürliche Zärtlichkeit. Aber auch ich bin so. Ich liebe das, zu spüren, wie einer jemand anders kennen lernt, sich verändert, sich mit der anderen Person trifft. Ich bin nicht nur unverbesserlich romantisch, ich bin ein Ultra-Romantiker. Wenn ich mit einer Frau spreche, die mir gefällt, werde ich verrückt: ich werde zum Dichter, zum Sänger, und ich sage ihnen, dass ich ihre Augen berauschend finde... Seltsame Worte entschlüpfen mir da.

Wie fühlen Sie sich jetzt?
Viel besser. Reifer, mehr in meiner Mitte und stark. Ich habe mich ein wenig "ver-danielisiert", im guten Sinne des Wortes. Und ich habe gelernt Respekt einzufordern, wenn ich ihn verdiene.

Was stört Sie?
Die Bevormundung. Das kotzt mich wirklich an, weil das nicht gut ist. Diese Scheisse, dass wir ewige Kinder sind... Ich bin eine Person, ich bin 35 Jahre alt. Warum müssen sie mich wie ein Kind behandeln? Ich kann so viele Dinge...

Hier endet meine Übersetzung.

Ist Pablo Pineda nicht Wahnsinn? Der Mann hat nicht nur Verstand, sondern auch so viel Herz. Unglaublich!! Wie gerne würde ich den Film im Kino sehen. Aber soweit ich weiss, hat er keinen Verleih in Deutschland.