Mittwoch, 28. Juni 2023

Sommerfest auf der Johannishöhe

Und am letzten Wochenende waren wir auf dem Sommerfest der 'Johannishöhe', einem inklusiven Nachbarschaftsgarten, gegründet von Zukunftswerkstatt für Inklusion. Das vom inklusiven Ensemble der Karl-Schubert-Schule mit schönen Geigen-, Flöten- und Veh-Harfen-Klängen eröffnet wurde.


Leider hatte Lola beim Ensemble nicht mitspielen wollen, obwohl sie es mit ihrer Geige sicher sehr bereichert hätte. Hoffentlich dann beim nächsten Auftritt im September... 


 

Mitgemacht hatte Lola allerdings bei einem Kunstprojekt gemeinsam mit Studierenden der HGB (Hochschule für Grafik und BUchkunst) der Uni Leipzig, bei dem sie in den vergangenen Wochen immer Mittwochs auf der Johannishöhe mit der Werkstufen-Klasse Wimpel für den Garten gebastelt und gedruckt hatten.


Die wir im Garten bewundern durften.... Bei herrlichem Sonnenschein.


Nach einer Schicht an der Getränkebar, wo Lola eine Stunde lang wie eine Wilde ganz begeistert Fruchtcocktails mixte und sich wirklich als super 'Barista' erwies, war sie ganz tiefenentspannt. Und malte und bedruckte gleich noch einen Wimpel.


Wobei ihr Greta und ihr Papa Ricardo, der gerade aus Italien für eine Woche zu Besuch war, neugierig zuschauten. Lola. malend, ganz in ihrem Element.


 
Jetzt flattert der Wimpel fröhlich in der Sonne auf der Johannsihöhe... Ob er den Regen heute wohl überstanden hat? Ich hoffe, sie haben alle Wimpel rechtzeitig abgehängt. 


 

Dienstag, 27. Juni 2023

Lola auf dem 'Bachfest'

Am vorletzten Wochenende hat Lola beim 'Bachfest' im Leipziger Hauptbahnhof einen Geigenauftritt mit ihrer Suzuki-Geigengruppe gehabt. Den sie überragend gemeistert hat. 

Vor Beginn der Aufführung hat sie sich eine halbe Stunde lang Mikros anstecken lassen, geduldig gewartet, bis der Sound stimmte und dann ganz souverän alle Lieder mitgegegeigt.  


Zusammen mit Greta, die ja auch schon seit ihrem sechsten Lebensjahr Geige spielt... 


Sie sei ganz nervös und aufgeregt, erzählte Lola vorher. Und ich machte mir solche Sorgen, ob sie mitmachen würde. Da sie in der Schule derzeit alle Auftritte auf der Bühne verweigert. Und selbst in manchen Schulstunden ganz den Unterricht ablehnt und vor dem Zimmer auf dem Gang sitzt. 


 Beim Geigen jedoch ist sie seit Jahren begeistert und äusserst selbstbewusst dabei. In einer Gruppe deutlich jüngerer Kinder, die aber alle so gut geigen wie sie. Hier fühlt sie sich wohl und sicher, weiß, was sie kann. Und übt sogar fleissig alleine zu Hause. 

Was für ein Geschenk, solch einen guten Unterricht gefunden zu haben, wo sie einfach dabei sein kann. So wie sie ist, mit ihrem Tempo. Aber ernst genommen und wirklich gefordert wird.


Ein großer Dank an Iokine, ihre wunderbare Geigenlehrerin, der all das zu verdanken ist.


Und hier nochmal eine glückliche und strahlende Lola, nach dem Konzert, mit der stolzen Mama.

Mittwoch, 7. Juni 2023

Ein Lächeln genügt!

 Heute morgen hab ich mir ein Herz gefasst, und in Lolas Schule einige ihrer Mitschülerinnen angesprochen. Wie einsam sich Lola gerade fühlt in der Klasse. 

Lola wollte zwar nicht, dass ich ihre 'alten Freundinnen' darauf anspreche. Nein, ich solle bitte nur mit den Lehrern sprechen. Doch ich hatte das Gefühl, dass ein direktes Sprechen mit den 'Mädels' vielleicht sinnvoller sei. 

Ganz irritiert und schuldbewusst schauten sie mich erst an, als ich sie ansprach. Ins Gespräch mit der Clique vertieft. Leicht abwehrend. 

Doch als ich ihnen erzählte, wie traurig Lola gerade zu Hause ist, dass sie sich einsam fühlt in der Klasse,  nicht gesehen. Da weichten ihre Blicke auf. 

"Ja, ich wollte einfach nur, dass ihr das wisst. Wie wichtig iein Hallo am Morgen für Lola wäre, eine herzliche Begrüßung, ein 'Gesehen- und Wahrgenommen' werden. Mehr nicht."

Sie nickten, ja, das sei ihnen auch schon aufgefallen. Dass sie sie nicht mehr so gross beachteten in letzter Zeit. Nur sei Lola oft so abwehrend, und wollte gar nicht mitkommen, oder -machen, selbst wenn sie sie mal fragten. 

Und ja, ich konnte sie verstehen, dass sie vielleicht aufgegeben haben. Abgeschreckt von Lolas ruppiger Art oft. Und dennoch. 

"Es sei doch was anderes, gefragt zu werden, und nein sagen zu können. Als gar nicht gefragt, oder wahrgenommen zu werden." Die Mädchen nickten. Während Lola auf ihrem Stuhl saß, unter ihrer Kapuze, mich darunter hervor aber doch angrinste. 

War es übergriffig? Bin ich zu weit gegangen? Dachte ich kurz. Doch die herzliche, offene Art der Mädels und Lolas Reaktion überzeugten mich, dass es eine gute Entscheidung war. 

Nach der Schule kam Lola dann mal wieder alleine mit der Tram nach Hause. Und als ich sie fragte, wie es war heute, erzählte sie grinsend, dass eines der Mädchen, N., sie im Unterricht gefragt habe, ob sie neben ihr sitzen darf. 'Na klar!", habe Lola geanwortet. Überglücklich. 

Und im Anschluss hat sie dann sogar vor der ganzen Klasse ihren Stammbaum vorgestellt, den wir vorgestern zusammen geschrieben haben. Von ihren ganzen Geschwistern und Ahnen, bis zurück zu ihren Ururgroßeltern Paul und Greta Axhausen (Namensgeber von, wer hätte es gedacht, Greta und Pavel). Und vor der ganzen Klasse hatte sie schon lange nichts mehr alleine vorgestellt. 

Wenn das nicht ein Erfolg war!!!!

Dienstag, 6. Juni 2023

Traurig

An manchen Tagen ist Lola sehr laut, aggressiv und ruppig. Motzt andere an, fällt anderen ins Wort. Oder geht alleine in ihr Zimmer, nicht nur um Musik zu hören, sondern auch um laut zu diskutieren, mit sich selber oder imaginären Freunden. Richtig heftig geht es da oft her, sie motzt und brüllt sie fast an. 

Manchmal ist sie danach ruhiger, oft aber auch noch ungehaltener. Was ich oft schwer auszuhalten finde. Was aber ihrem inneren Ausgleich zu dienen scheint. Irgendetwas an Erlebtem, Gefühltem, Unverarbeitem verarbeitet sie da wohl.

Heute jedoch war sie ganz sanft. Vielleicht weil ich alleine mit ihr war, ohne Geschwister. Im Garten, um ein bisschen Unkraut zu jäten, mit ihr lesen zu üben und 'Skyo' zu spielen. 

Da erzählte sie plötzlich, dass es anders sei in ihrer Klasse, seit ihre Tutorin A. (ihre Klassenlehrerin) in Elternzeit ist. Seit etwa zwei Monaten. Die anderen Kinder seien irgendwie anders. "Mich nicht angucken, niemand", sagte sie traurig. Und ich muss schlucken. 

Am Abend im Bett diskutierte sie zum ersten Mal nicht laut mit ihren imaginären Freunden, was sie sonst oft macht. Sondern saß still da und schaute ihr Freundebuch an, in dem alle Mädchen ihrer Klasse etwas eingetragen hatten auf ihrem vorletzten Geburtstag. Daneben lag aufgeschlagen ihr Tagebuch, in das sie hineingekritzelt hatte. Unleserlich, aber für sie mit Bedeutung. "Keine Freune mehr hab", sagte sie traurig, als ich mir das Buch anschaute. 

Kurz darauf machte sie tatsächlich das Licht aus, und schien einzuschlafen. Doch als ich nochmal hinging, hörte ich sie leise weinen und schluchzen im Bett. Ganz aufgelöst erzählte sie mir. "Meine Freunde vermisst. Ganz dolle." Sanft strich ich ihr über den Kopf. "Ja..."

Dann schlief sie ein.

Sonntag, 4. Juni 2023

Mama, ich brauch das!

 Lola und ich sind mit dem Tandem unterwegs in der Stadt. Die Menschen sitzen in den Straßencafés, der Flieder blüht, die Stadt pulsiert. Doch Lola ist ungehalten, unausgeglichen, meckert rum. Und will unbedingt nach Hause. Um Musik zu hören!

Ich möchte viel lieber die Sonne und die Luft und die herrliche Sommerstimmung geniessen, aber sie besteht darauf, zu Hause Musik zu hören. "Ich brauch das, Mama!, sagt sie vehement, stemmt ihre Arme in die Hüften und weigert sich, weiterzugehen.

Resigniert gebe ich auf und fahre mit ihr nach Hause. Nehme ihr aber das Versprechen ab, dass wir am Nachmittag noch in den Garten gehen. Unwirrsch nickt sie, eilt in ihr Zimmer und schlägt die Türe hinter sich zu. 

Einen Moment später hört man ohrenbetäubend laut Musik. Vincent Weiss, Mark Foster, Deutsch-Rap. Der Boden schwingt, so laut springt sie herum, laut singend, fast brüllend. Vor allem bei den lauten, aggressiven Liedern. Ich kann kaum einen klaren Gedanken fassen, während ich in der Küche versuche, Spaghetti mit Bolognese zuzubereiten.

Als ich sie zum Mittagessen rufe, kommt sie erschöpft, aber entspannt in die Küche. "Auspowert", sagt sie und grinst friedlich. Ich schüttle entnervt den Kopf und bemerke nur, dass sie doch auch leise Musik hören kann. Sie schüttelt den Kopf und sagt mit Nachdruck: "Nein, Mama. Laut! Ich brauch das!"

Ich verstehe, dass es ihrer Seelenhygiene zu dienen scheint und wahrscheinlich auch altersgemäß ist. Alle Jugendlichen mit 15 Jahren hängen in ihren Zimmern rum, hören Musik, und sicher auch öfters laut. Warum sie nicht auch? Aber muss ich diesen Krach wirklich aushalten? Das Opfer erscheint mir doch zu gross.

Ich drehe meine Spaghetti auf meine Gabel, schiebe sie in den Mund und muss plötzlich an die Erzählung meiner Oma über meinen Vater denken. Dass er als Schüler, wenn er von der Schule nach Hause kam, immer zuerst ans Klavier ging und eine Stunde oder auch zwei spielte. Erst danach war er wieder ansprechbereit und konnte 'weitermachen', wie sie sagte. Musik als Ventil, das er brauchte. 

Später, als junger Student und Arzt machte er die Musik fast zu seinem Nebenberuf, spielte Klarinette in einer Freiburger Bigband, bei den 'Hallelujah Stompers'. "Mit unglaublich viel Gefühl und Hingabe, wie kaum ein Anderer", so erzählte sein alter Studienfreund Hein Linn Jahre später. "Ein begnadeter Solist". 

Nur in seinen letzten Lebensjahren hat mein Vater keine Musik mehr gemacht. Weder Klavier, noch Gitarre, noch Klarinette. 'Er habe alles verloren', war seine Begründung.  Sein Anspruch an seine alte Virtuosität liess es wohl nicht zu. 

Leider hat er dabei eines vergessen: dass er die Musik brauchte. Um klar zu kommen mit dem Leben und - weiter zu machen. Und hat einige Zeit später tatsächlich Schluss gemacht, mit dem Leben.

Ich lege meine Gabel auf den leer gegessenen Teller und schaue Lola an, wie sie sich noch eine weitere große Ladung Nudeln in den Mund schiebt, der ganz rot verschmiert ist, und hemmungslos und mit offenem Mund kaut. Wie sie auf andere wirkt oder was sie von ihr denken, ist ihr herzlich egal.

Lola singt und stampft und schreit sich die Seele aus dem Leib, egal was andere oder speziell ich davon halten. Mit der klipperklaren Begründung und Einsicht, die meinem Vater leider fehlte. 'Ich brauch das!' 

Und so lass ich sie wohl weiter gewähren. Ohrenbetäubend laut zu singen, zu tanzen und zur Not auch zu brüllen. Denn besser sie schreit sich den Ärger, die Wut und all den Frust hinaus, als mit eingedrückter Seele irgendwann vor sich hinzuvegetieren. 

Und beim nächsten lauten Konzert von ihr setze ich mich lieber selber ans Klavier und spiele was. Ohrenbetäubend laut, oder auch ganz leise. Mit dem Wissen: "Ich brauch das!" Ja, ich auch.