Dienstag, 12. Dezember 2017

"Einmal ich tot war..."

"Lola, pass auf. Ein Auto", rief ich Lola heute früh beim Überqueren der Strasse zu. Und zog sie an der Hand zurück. Um Haaresbreite war ein grauer Ford an uns vorbeigeschossen.

"Du musst aufpassen an der Strasse. Wenn Dich das Auto erwischt, bist Du mausetot", sagte ich erregt. Und mein Herz schlug schneller.

"Nicht will tot sein", sagte Lola. "Nicht platt sein."

Ich streichelte ihre Hand und wurde langsam wieder ruhiger.

"Kannst Du Dich eigentlich erinnern an die Zeit, als Du noch im Himmel warst? Bevor du geboren wurdest?", fragte ich sie.

Immer mal wieder spreche ich die Kinder darauf an. Um zu hören, wie sie es sich eigentlich vorstellen, noch nicht geboren zu sein. Und wer weiss? Vielleicht haben sie ja auch eine Erinnerung daran...

Ganz aufgeregt erzählte Lola: "Einmal ich tot war. Nicht schön. Unter Erde, stockdunkel. Nicht will tot sein."

"Ach, und da erinnerst du dich dran?"

"Wieder hoch kommt", erzählte sie weiter. "Alle da wart. Mama. Verena. Nick. (Ihre Tante und ihr Onkel). Alle da wart. Besser."

"Da waren alle bei Dir, das war schön, oder", ermunterte ich sie zum weiter erzählen.

"Krankenhaus raus kommt. Nicht mehr dunkel. Will nicht tot sein", erklärte sie.

Krankenhaus. Wie kam sie denn da drauf? In Kombination mit meinem Bruder Nick und Verena?

Nach ihrer Geburt waren beide nicht direkt da gewesen. Und sie gehörten auch nicht zu unseren gelegentlichen Erzählungen über ihre Geburt.

Doch da fiel es mir ein. Dass sie einmal im Krankenhaus lag. Kurz nach ihrem ersten Geburtstag. Mit einer schweren Lungenentzündung. Zwei Wochen lang lag sie im künstlichen Koma. Und erwachte nur wie durch ein Wunder wieder zum Leben.

Und in einer Nacht war ihre Sauerstoffsättigung auf einen Wert nahe Null gesunken. Nur kurz, vielleicht wenige Minuten lang, aber der Zacken war am nächsten Morgen deutlich auf dem Überwachungsbildschirm zu erkennen.

Ich habe mich oft gefragt, was das bedeutet hat. Wie nah sie da dem Tod gekommen war.

Und auf einmal wirkte ihre Erzählung wie die von einem Nahtoderlebnis.

Denn im Krankenhaus waren Nick und Verena da gewesen. Hatten an ihrem Bett gestanden. Wenn ich es recht erinnere... 

Was für ein irrwitziger Gedanke.

Und doch...

Denn Lola hatte immer schon eine unglaublich starke Verbindung zum Jenseits.

Und der Tod und alle, die schon gestorben sind, haben für sie eine grosse Bedeutung. Über die sie mit grosser Natürlichkeit spricht.

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