Dienstag, 20. August 2024

Nimm Dein Handy - und freu Dich dran!

 Seit vier Jahren benutze ich ein altes, mittlerweile schrottiges i-phone SE. Ich kann keine neuen Apps mehr installieren, da ich die Software nie update. Meine Mail-App funktioniert nicht mehr. Der Bildschirm ist mehrfach zersprungen. Mein Routenplaner stürzt ständig ab.

Doch obwohl ich seit Monaten ein nagelneues Samsung-Handy in einer Schublade liegen habe, schaffe ich es nicht, es zu installieren. Es ist ein android. Und der Transfer meiner Kontakte und Fotos vom i-phone scheint mir unmöglich. Und wer weiß, wenn am Ende alles verloren geht und nichts mehr funktioniert? Und das alte i-phone funktioniert doch noch.

Auf der Suche nach neuer Lektüre in meinem Bücherregal fällt mir zufällig das Buch „Nimm das Geld und freu dich dran“ von Petra Bock ins Auge. Und beim Durchblättern stoße ich auf eine Stelle, in der die Autorin davon schreibt, dass es beim Erlernen eines guten Umgangs mit Geld auch um eine neue Haltung zu sich selbst geht. Sich selber ‚liebevoll in den Arm zu nehmen‘ und sich was zu gönnen.

Ich fühle mich ertappt. Ja, vielleicht könnte ich endlich mal Dinge nutzen, die ich kostenlos zu Verfügung habe, aber ‚mir nicht gönne‘? Vielleicht sollte ich doch den Versuch wagen, das neue Samsung zu installieren, auch wenn es android ist?

Grübelnd sitze ich mit meinem alten i-phone in der Hand auf dem Balkon und schaue in den Abendhimmel. Bis ich mich endlich durchringe, in die noch funktionierende Suchfunktion des Browsers die Frage zu tippen, wie man Kontakte und Fotos vom i-phone auf ein Samsung bekommt. Über die icloud, erfahre ich. Und die google-Foto-App.

Während die Kinder noch ihren Abendfilm gucken, gehe ich zum Rechner, und melde ich mich etwas nervös beim i-cloud Konto an und habe fünf Minuten später alle meine Kontakte importiert. Installiere anschließend die Google-Foto-App auf dem alten Handy, was glücklicherweise noch funktioniert, und finde kurz später alle meine i-phone Fotos in der App wieder. Wie von Zauberhand. Ich bin überrascht, wie einfach es ging.

Als die Kinder eine halbe Stunde später im Bett liegen, und ich Lola nur noch leise quatschen höre, wage ich den Versuch. Und hole zitternd die SIM- Karte aus dem i-phone und stecke sie in das neue Samsung. Was sich fast ein wenig wie Fremdgehen anfühlt. Mit klopfenden Herzen sehe ich zu, wie das Handy hochfährt. Erwarte - tief in mir drinnen - den totalen Zusammenbruch. Stattdessen werde ich freundlich, sogar auf Deutsch, eingeladen, meine Daten zu übertragen. Wenn ich kein Kabel habe, auch gerne über WLAN.

Ich klicke mich durch eine Unmenge von Fragen, die ich zum Glück auch später entscheiden oder noch abändern kann. Und finde eine Stunde später alle meine Kontakte und Fotos auf dem neuen Handy wieder. Bis auf die Nachrichten und WhatsApps, die ich bisher wie meinen Augapfel gehütet habe. Aber was soll’s. Kann ich später noch importieren. Ich fühle mich stolz, fast wie ein Profi. So leicht ging alles.

Am nächsten Tag empfinde ich das Samsung dann aber doch als riesig und unelegant. Als ich eine Nachricht zu tippen versuche, schreibe ich ständig alles falsch, gewöhnt an eine andere Tastaturgröße. Und ich schaffe es auch nicht, die neu installierten Apps wiederzufinden. Und die WhatsApps lassen sich auch nicht importieren. Ich will mein altes Handy zurück, fluche ich. Und überhaupt, es geht doch nichts über i-phone! Ich frage mich, wie ich jemals auf die Idee gekommen bin, mir ein android anzuschaffen? Und recherchiere im Netz, was ein gebrauchtes i-Phone kostet.

Kurz bevor ich meine SIM-Karte wieder entnervt in das alte Handy zurückstecke, kommt zum Glück mein zwölfjähriger Sohn Pavel nach Hause, seit einem Jahr selber Besitzer eines Samsung Galaxy. Und ‚digital native‘. Ganz beiläufig und mit erstaunlicher Geduld erklärt er mir, wie ich neue Widgets einrichte und verschiebe. Wie ich das Handy per Fingerabdruck entsperren kann. Wie ich den Startbildschirm einrichte. Und eine Viertelstunde später bin ich vollauf begeistert von meinem neuen Handy. Wie gut, dass ich Kinder habe!

Wie hatte ich es so lange vor mir herschieben können, mir mein neues Handy zu installieren? Kosten? 0 Euro. Zeitinvestition: zwei Stunden, in denen ich mich sonst nur über mein schrottiges i-phone geärgert hätte. Was für eine reiche Frau ich eigentlich bin! Wenn ich endlich mal all die Dinge (und Fähigkeiten) nutze, die bisher nur funktionslos in irgendwelchen Schubladen und Ecken liegen.

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