Sonntag, 14. Februar 2016

Lesen, Schreiben und Rechnen - ganz ohne Widerstand

Ich wollte Euch noch ein Resumée von Lolas Ski-Therapie-Woche geben, die für mich ein voller Erfolg war. Klar: Lola kann jetzt auf Skiern stehen und kommt Abhänge runter. Vor allem habe aber habe ich gelernt, wie ich mit ihrem Widerstand umgehen kann und was sie alles kann!!! (Neben all dem, was ich über mich selbst gelernt habe....)

 Hier meine Zusammenfassung:


Lola hat ein riesiges Potential (kognitiv und von der Auffassungsgabe her), hat sich aber leider eine sehr störende und vor allem sie selbst behindernde Verweigerungshaltung 'angewöhnt', die sich durch Schreien, Kreischen, Hinwerfen, Weglaufen äußert.

Als Umgang damit habe ich folgendes gelernt und auch sehr erfolgreich umgesetzt.

- Schreien und Kreischen konsequent ignorieren bzw. nicht darauf eingehen. ('Lola, so bitte nicht! Das kannst du auch anders sagen!) und ihre Wünsche erst erfüllen, wenn sie sie ruhig und freundlich äußert
- Ganze Sätze in freundlicher Sprechweise von ihr einfordern, wenn sie etwas haben möchte ('Kannst du mir bitte helfen'? Darf ich bitte ... haben?')
- Wenn sie aus Frustration schreit (weil etwas nicht klappt, wie zum Beispiel das Anschieben auf Skiern im Schnee), grundsätzlich ignorieren (ist fast immer 'Show', um Anstrengung zu vermeiden), bis sie wieder 'ansprechbar' bzw. ruhig ist. sie muss lernen, dass sie mit Schreien überhaupt nicht weiterkommt.
- Auf jeden Fall dranbleiben, dass sie eine einmal gestellte Aufgabe erledigt. Zur Not muss sie auf Annehmlichkeiten (Pause, Versper...) verzichten, bis sie fertig ist. Sie also nicht von der Aufgabe 'erlösen'... (wenn ich sage, dass sie jetzt 5 mal die Piste runter fährt, dann macht sie das auch!)
- das gilt auch und gerade für Schulaufgaben, wo sie oft überfordert und müde 'tut', um sich zu drücken. auf jeden Fall dranbleiben, dann schafft sie Erstaunliches!!!


Unser 'Lernprogramm' war Folgendes und in kleinen Schritten sehr erfolgreich.

- Alle Zahlen bis 8 Schreiben
- ich habe immer ganz genau darauf geachtet, dass die Schreibrichtung richtig ist und sie auch richtig absetzt, vor allem bei der 1, 6, 7 und 8, die wir sehr sehr sehr viel geübt haben
- Prinzip: erst Groß nachspuren, dann kleiner nachspuren, dann mit Hilfspunkten, dann alleine

- lieber einige wenige schwierige Zahlen intensiv über Tage hinweg üben!
- vor allem geübt haben wir die 1 (Hoch-Stopp-Runter) (sie vergisst oft die Spitze)
- die 7 (Rüber-Stopp-Runter-Strich) (wird manchmal zur 1)
- die 6 (geht sicher)
- die 8 (haben ganz lange nachspuren geübt, und dann konsequent darauf geachtet, dass sie in der Mitte beginnt und dann nach rechts oben loslegt, bis die Bewegung 'automatisiert' ist. Es geht noch nicht sicher, aber immer besser...)

Rechnen:
- vor allem erstmal nur +1 bis 8
- also 1+1=, 2+1=, 3+1=, ...
- im Kopf kann sie das sicher bis 5+1
- langsam versteht sie, dass +1 immer die nächste Zahl in der 1er-Reihe erzeugt, aber noch nicht sicher...
- geübt haben wir auch mit den Fingern rechnen nach 'Yes we can'; das klappt schon ganz gut, aber nur mit Unterstützung


Mengenerfassung:
- Mengen (bis 8) als Rechensteine vor sie legen und spontan sagen bzw zählen lassen
- Steine wegnehmen oder dazutun und zählen lassen (auch gerne immer nur einen oder zwei)
- so versteht sie langsam die Mengen-Zahlen-Korrespondenz (aber noch lange nicht sicher)


Lesen und Schreiben:

- Lola kennt sicher die Kieler Lautgebärden und Großbuchstaben aller Vokale und die  Konsonanten (M, R, S, P, N)
- wir arbeiten mit dem - wie ich finde- hervorragenden Leselehrgang 'Lulu lernt lesen', der sehr sehr kleinschrittig und vor allem lautgetreu vorgeht


- Lesen und Schreiben bekannter Wörter, z.B. ROSE, NASE, ROSINE, POPO, PIPI, PUMA, MELONE, SALAMI...
- Lesen kleiner Sätze mit Klein- und Großbuchstaben. z.B. Oma und Opa lesen. Lola malt. Nina und Lisa malen.
- Schreiben kleiner Vokale (i, o, u gehen ganz gut, a und e fallen ihr noch schwer)
- das Nachschreiben von Silben (MA, NE, LA), die man ihr nur kurz vorsagt bzw. zeigt, fällt ihr noch sehr schwer, ist aber eine sinnvolle Übung, um ins eigene Schreiben (statt Abschreiben) zu kommen. 


Eigenständiges Arbeiten:
- Lola hat von mir immer etwa 4 Blätter mit Aufgaben bekommen für ca. 1 Stunde 'Unterricht' und 2 davon immer recht selbständig gelöst (mit kleinen Erinnerungshilfen); bei den anderen brauchte sie oft Unterstützung
- gut alleine kann sie Wörter mit Großbuchstaben nachschreiben (etwa 6 bis 7 Wörter)
- sie macht auch gerne alleine Rechenaufgaben (+1) (etwa 6 bis 8 Aufgaben)
- beim Einüben neuer Buchstaben (z.B. Kleinbuchstaben) und dem Schreiben schwieriger Zahlen (ca. 15-20 Mal) braucht sie unbedingt Unterstützung, weil sie alleine oft aufgibt, verweigert und vor allem viele Fehler macht und sich eine falsche Schreibweise angewöhnt
- wenn sie bei Ende der Stunde noch nicht fertig war, musste sie aber trotzdem weiter machen (langsam arbeiten und verweigern hat sich also nicht bewährt...)

Schreiben mit Lineatur bzw. Kästchen:
- Schreiben (Zahlen und Worte) sollte Lola am besten auf Extra Papier mit Hilfslinien, weil ihr das sehr bei der Orientierung ('im Raum') und bei der Genauigkeit hilft
- Damit hat sie aufgrund ihrer schlechten Feinmotorik einfach Probleme. Fordert man das genaue Schreiben aber ein, kann sie sehr genau auf der Linie schreiben!!!!
- Papier kann man z.B. beim Waldorf-Online-Shop Sedulus bestellen (http://www.sedulus.de/index.php/de/Schreib-Lineaturen-Einzelbogen-Papiere-und-Lineaturen-Bogenware/l-KAT99)
- die haben auch super Förderhefte, besonders auch fürs Rechnen mit ganz großen Kästchen (http://www.sedulus.de/index.php/de/Foerderheft-Rechnen-20-x-20-mm/c-KAT15/a-FRH20)
- das wird bei vielen Waldorfschule von Anfang an verwendet und hilft vor allem den Förderschülern!!!

So, das waren viele Details Aber für Eltern ähnlich alter Kinder oder für Lehrer bzw. Sonderpädagogen hoffentlich hilfreich und interessant.  

Denn, was viele Eltern aus den integrativen Schulen berichten, ist, dass ihre Kinder mit DS oft systematisch unterschätzt werden!!!Aber so viel Freude am Lernen und Wachsen haben, wenn sie endlich in ihrem Wunsch nach Weiterentwicklung ernst genommen werden...

Freitag, 5. Februar 2016

Der Knoten ist geplatzt!!!

 Lola fährt Ski!!! Leider noch ohne Beweisfoto, da gestern so starker Schneefall war, dass ich meine Kamera nicht gezückt habe. Aber hier immerhin eines vom Lift, den sie mittlerweile ganz alleine und souverän benutzt... Und danach, mit Unterstützung der Skilehrer und guter Motivation, alleine die Piste hinunter sauste! Strahlend und voller Stolz!


Und was hat den Knoten beim Skifahren zum Platzen gebracht? Ja, es war wohl vor allem die Arbeit an mir und meinem Umgang mit Lola. Denn ich war manchmal so wütend und sauer auf Lola, als sie beim Skifahren nicht mitmachte, dass auch sie immer weiter verhärtete, schrie und bockte. Je mehr ich kochte und schimpfte, desto dichter machte sie und verweigerte sich irgendwann nur noch. Lag nur noch schreiend im Schnee. 

Bis Sabine, die Leiterin, irgendwann zu mir kam und meinte, ob ich nicht einfach mal zur Skihütte gehen will und mir einen Kaffee holen. 'Nein', schimpfte ich. 'Ich will ja eben, dass Lola mit MIR kooperiert und lernt, das zu tun, was ich mir wünsche...' Innerlich war ich aber so fest und hart, dass keine Verbindung mit ihr möglich war. Ich sah nur noch ihre Verweigerung und gar nicht mehr ihre vielen kleinen Fortschritte.Und konnte sie auch gar nicht motiveren, das Skifahren nochmal zu versuchen.

'Was wünscht DU dir denn?", fragte mich Sabine. Und da brach plötzlich in einem Schwall aus Wut und Ärger und Tränen aller Frust aus mir heraus. Während Sabine zuhörte. Und verstand. Und als ich mich wieder beruhigt hatte und der ganze Druck weg war, beugte ich mich zu Lola. Und da war auch sie ganz ruhig. Und ließ sich ohne Widerstand ihre Skibrille aufsetzen. Und als eine der Skilehrerinnen kam, und fragte: 'Lola. Willsch etz Ski fahre mit mia...', da nickte Lola. Und fuhr ohne jeden Protest die Piste hinunter... Dreimal hinter einander. Ganz stolz und glücklich.    



Am Abend war dann Faschingsparty - und Lola der witzigste Clown aller Zeiten! Ein Talent zum Schauspielern hat sie ja eh...


Und nicht zu vergessen. Jeden Vormittag sind alle Kinder im 'Lernstübchen'. Zwei Schulstunden Lesen, Schreiben, Rechnen. Wo es vor allem darum geht, eigengesteuert arbeiten zu lernen. Jedes Kind bringt seine eigenen Aufgaben mit und arbeitet daran. Lola schreibt ganz alleine ohne Unterstützung Worte nach (OPA, LISA, PUMA, ROSA, ...), rechnet sicher bis 6, mit kleiner Erinnerung und übt gerade alle Zahlen bis 10 sicher und richtig herum schreiben. Mit großer Begeisterung! Und ich freue mich so für sie...

Montag, 1. Februar 2016

Lola auf der Piste

Yeah, Lola stand heut auf Skiern und ist dreimal den Zauberteppich hochgefahren und - mit Unterstützung - den Hang auch wieder runter gefahren!!! Ganz stolz war sie, auf diesen rutschigen Dingern zu stehen. Zu laufen. Und sich am Hang auch rutschen zu lassen...


Ja, so könnte die Geschichte sich anhören. Und in der Zusammenfassung, muss sie wahrscheinlich genauso klingen. In meinem Herzen und von meinen Mutterlippen kommen, voller Stolz!!!

Die andere Seite der Geschichte war aber, dass Lola schon ihren ersten Zusammenbruch erlitt, als sie die Skier anschnallte und wegglitt. Da schon, war Skifahren eigentlich für sie beendet. Wie durch ein Wunder und dank der klaren und bestimmten Anweisungen des 'Lehrers' ging sie dann aber ganz souverän nochmal in die Ski und marschierte los. Ohne Hilfe! Bis die Skier übereinander fuhren und sie hinfiel. Da war es dann endgültig  für sie gelaufen. Sie rüllte, schrie, blieb liegen, ein Sack im Schnee. Totalverweierung.

Aber ich - mit der Untetrstützung diverser Skilehrer und Therapeuten - motivierte natürlich weiter. Aufstehen, weiter, super, toll, du kannst das, Lola, klasse. Denn bei der Woche geht es eben genau darum, den Umgang mit Vermeidungsverhalten zu lernen. Mit Situationen umgehen zu lernen, in denen das Kind versucht, durch Verweigerung auszusteigen.Und einer an sie gestellte Anforderungen auszuweichen.

Also blieben die Lehrer dran - und schickten mich irgendwann weg. Ob ich als Mutter Signale sende, die sie in dieser Verweigerung bestärken? Sie 'belohne' dafür, dass sie nicht mehr mitmacht? Mein armes Mädchen, was gegen ihren Willen zu etwas gezwungen wird?

In mir Kämpfe, ein Wirbelsturm der Gefühle. "Sie will  nicht fahren.Warum sie zwingen?" Die andere Stimme, die mich selbst kritisierende: "Schon wieder, immer dasselbe. Was mach ich nur falsch? Dass sie sich so gehen lässt? Als einzige sitzt und tobt und schreit, während alle anderen Ski fahren, wieder aufstehen, bestärkt werden. Den Hang runter fahren, irgendwie...."

Und in mir wächst die Wut, die Aggression, die mich natürlich nicht ruhig bleiben lässt. Sondern mich innerlich so anspannt, das ich nicht mehr in Verbindung mit ihr bleibe, sie nicht mehr konsequent unterstützen und bestärken kann.... Obwohl ich weiß, dass es darum geht. Innerlich ruhig und klar bleiben. Geduldig und konsequent sein.

Ich wünsche mir, dass Lola sich etwas zutraut. Dass sie den Wunsch empfindet, sich einer neuen Situation zu stellen. Die Herausforderung angeht.... Auch wenn es schwer fällt und sie unsicher ist. Dass sie an den kleinen Schritten Freude findet! Und ich ihr helfe, diese Freude zu empfinde. Sie in ihren kleinen Versuchen bestätige und unterstütze...

Denn vielleicht sind es ja auch mein Ehrgeiz und meine Ungeduld und meine ambitionierten Vorstellungen die mir - und ihr - im Wege stehen. Ich will die kleinen Schritte sehen - und wertschätzen!

Morgen ist ein neuer Tag. Für sie am Skihang. Und für mich beim Zugucken, Aushalten und Bestärken!!!