Freitag, 6. März 2015

Boyhood

Gestern Abend haben wir uns den Film 'Boyhood' angeschaut. Der absolut nichts mit Down-Syndrom oder Lola zu tun hat, aber doch alles mit mir, mit uns als Familie - als Patchworkfamilie.

Ein Film von Richard Linklater, über 12 Jahre hinweg gedreht, über das Aufwachsen eines Jungen in Texas, von seinem sechsten Lebensjahr bis zum College. Sein Leben und das seiner Schwester bei der Mutter, an den Wochenenden beim Vater...

Ein unglaublicher Film, der mich tief im Innersten berührt hat.

Betroffen habe ich das unstete Familienleben und den Alltag aus der kindlichen Perspektive gesehen, die leidigen Diskussionen um Ordnung und Pünktlichkeit, das morgendliche Gehetze, die Überforderung als Mutter, das Funktionieren-Müssen, den Versuch, Verantwortung für die Kinder zu tragen. Wie die Mutter immer ihr Bestes gibt, alles versucht, und doch wieder alles zusammenfällt. Sie wieder und wieder scheitert. Die Beziehung zerbricht, der Job sie auffrisst, die Hypothek sie erdrückt. Aber sie kämpft weiter...

"Ich glaube, mein Leben ist eine Serie von falschen Entscheidungen", sagt Patricia Arquette. Wie oft fühle ich mich genauso!

Eine kurze Sequenz, ein Dialog, und ich finde mich genau darin wieder. Wie wir abends innig zusammenliegen und Geschichten lesen, die Kinder an mich gekuschelt. Und ich morgens wutschnaubend ins Zimmer rausche und die Kinder anschnauze, mich doch bitte endlich schlafen zu lassen, weil irgendeine Last mich des Nachts nicht hat schlafen lassen... wofür die Kinder nichts können und es doch tragen. Es sticht, diese ungerechte Wut aus der  Sicht der Kinder zu sehen.

Und doch, über die Jahre hinweg, ist die Mutter den Kinder doch immer eine Stütze, die in ihrer Liebe bedingungslos hinter ihnen steht. Jedes der beiden Geschwister auf seine Weise unterstützt und fordert, klare Grenzen setzte und Werte vermittelt, auch wenn die aus der kindlichen Perspektive manchmal  unnötig, ja fast lächerlich erscheinen. Wie wenn man seinen 13 Jährigen Bruder von der Highschool abholen soll als 15-Jährige, eine Zumutung fast...

Und so turbulent das Leben auch ist, so viel Schmerz die Kinder auch ertragen müssen, so oft sie gezwungen sind, Veränderungen mitzumachen und aus ihrem Alltag herausgerissen werden, so einzigartig werden sie doch als Menschen. Wie mir das Mut macht als Mutter für meine Kinder, die so viel immer mitmachen müssen.

All das tragen doch wir alle ins uns. Den Schmerz, den Abschied, die Trauer, die Wut, den Verlust, immer wieder. Daneben das Abenteuer und die Liebe und die Hoffnung, die Leidenschaft und all das Irrationale, was uns treibt, obwohl wir es nicht erklären können.

Immer wieder in anderer Form erzählt der Film davon, wie in jedem Alter neu eine Herausforderung wartet, eine neue Liebe und Leidenschaft und ein neuer Schmerz.

Und am Ende die Mutter heulend ihren Sohn verabschiedet und das gemeinsame Haus verkauft, mit den Worten, dass nun alles vorbei ist. Viel zu schnell. Die Kindheit der beiden, ihre Beziehungen, die alle gescheitert sind, ihr Beruf als College-Lehrerin. Und jetzt? Alles vorüber und das einzige, das wartet, ist die Beerdigung!

Wie wunderbar getroffen dieses Gefühl und diese plötzliche schmerzhafte Einsicht, dass alles so flüchtig, so unwiederbringlich ist und uns in den Händen zerrinnt. Bevor dann das nächste Hoch kommt und wir wieder mitten im Leben stehen und abheben....

Ein wunderbarer Film. Selten habe ich einen gesehen, der mir so aus dem Herzen gesprochen hat. Und mir solche Kraft gegeben hat!

1 Kommentar:

Doris hat gesagt…

Unglaublich ... was du beschreibst, ist mir soo vertraut ! ... Dabei habe ich den Film gar nicht gesehen.