Montag, 18. Dezember 2017

Während die Natur ruht...

Der Gang durch unseren 'kleinen Garten' hat mir heute eine Einsicht geschenkt. Über die ich schon so oft gelesen, die ich aber noch nie begriffen hatte.

Seit Wochen schon scheint er zu schlafen, unser Garten. Die Blätter sind voller Kristalle. Die letzten Wasserpfützen sind zu Eis gefroren.
Die Erde ruht unter einer Decke von Mulch aus liebevoll zerschredderten Gartenabfällen. Die im nächsten Jahr wieder zu Erde werden.

Ich bin traurig, dass es hier für mich nichts mehr zu tun gibt. Denn das regelmäßige Arbeiten im Garten hat sich in den vergangenen Monaten als ein wahres Geschenk erwiesen.

Die Erde auf dem Gemüseacker hacken, den wilden Löwenzahn aus der Erde ziehen, die Rosen beschneiden.

Tagtäglich ging ich unseren 'kleinen Garten', wie ihn die Kinder liebevoll nennen. Steckte die Hände in die Erde, atmete erst die heisse, dann die warme, irgendwann die kalte Luft. Und meine Seele kam zur Ruhe.

Umso tragischer, dass nun die Pflanzen und die Erde zur Ruhe gekommen sind und für meine aufbrausende, unruhige und suchende Seele sich kein erdender Halt mehr bietet. Keine Aufgabe.

So dachte ich.

Heute ging ich hin, zu unserem Garten. Und schaute einfach die Pflanzen an, wie sie da ruhen.

Das Tränende Herz, das gestern noch seine leuchtend roten Blüten über den Weg hängen liess, ist ganz verwelkt. Und ich werde die Ruten wohl abschneiden müssen.

Die Rosen sind zu Hagebutten geworden. Doch sie zu schneiden,  kann ich nicht übers Herz bringen. Sollen ihre Früchte gedeihen.

Der Hibiskus trägt auf einmal eine dicke Kapsel voller Samen, die mir unter dem Laub nie aufgefallen war.

Aber da.

Die Schwarze Johannisbeere scheint in wenigen Tagen hunderte von Knospen gebildet zu haben. 

Auch am Fusse der Fetten Henne, deren buschige Blütendolden den Herbst über unser Wohnzimmer geschmückt haben, lugen neue grüne Keime hervor.

Überall bilden sich die Anlagen für neue Blüten und Triebe.

Und ich dachte, der Garten schläft. Die Natur ruht.

Aber nein.

Alles sammelt sich für das nächste Frühjahr.

In der Kälte und der Ruhe bildet sich heran, was in der Wärme und der Sonne Blüten bringen und Früchte tragen wird.

So soll es wohl sein.

Wenn es im Außen zur Ruhe kommt und sich die Säfte zusammen ziehen, ist es Zeit, dass Neues wachsen kann. 

Samstag, 16. Dezember 2017

Knoten für Knoten

"Ich kann's doch", sagt Lola und macht einen Knoten nach dem anderen in die Fäden.


Sie knotet Armbänder. Was sie in der Schule bei ihrer Hörtnerin im Nachmittagsbereich gelernt hat.

"Helfen Katja. Dann alleine," erklärt sie. (Erst hat ihr Katja geholfen, jetzt kann sie es alleine.)


"Ich kann das nicht", antworte ich wahrheitsgemäß und schaue ihr erstaunt zu, wie sie Knoten für Knoten in die Fäden macht und das Band langsam wächst.


"Charly auch kann's. Nora auch, Murmel auch. Nur ich und meine Freunde. Sara nichts kann's (ihre beste Freundin)."

"Haben Dir Dir beim Knoten geholfen, Deine Freunde?", frage ich.

"Nein. Ich kann's alleine. Helfen auch Dich? (Soll ich Dir helfen?) Rein tun, dann da. Zack zack. Dann leicht."

"Nein, nein. Ich will keine Bänder machen.", sage ich. "Ich schreibe lieber was." Und schreibe diese Worte.


"Wo Greta nochmal? Freundin schlafen?", fragt Lola.

"Ja, Greta hat heute bei ihrer Freundin geschlafen."

"Kommt wieder?"

"Sie kommt heute Nachmittag wieder."

"Spät", sagt Lola etwas enttäuscht. Und knotet weiter.

"Bald fertig das da", sagt sie. Und das Band wächst. Knoten für Knoten.

Solch eine Geduld möchte ich mal haben.  

Dass Lola sich so lange konzentrieren kann und daranbleibt an einer Sache, ist wirklich erstaunlich.  Und ganz neu für sie. Ein Ausdruck, wie stark sich ihr eigener Wille in letzter Zeit entwickelt hat. Und damit ihre Fähigkeit, sich eigene Ziele zu setzen und sie auch zu erreichen.

Ganz sicher ist es auch dem Handarbeitsunterricht in der Waldorfschule zu verdanken. Den sie über alles liebt. Stricken, Nähen, Sticken... Was nicht alles schon gelernt hat in den letzten Schuljahren.

Und ich habe so oft mit der Waldorf-Pädagogik gehadert und mich gefragt, ob und wie das Lola helfen soll. Ob sie nicht gezielter fördern sollten.

Doch länger Lola die Schule besucht, desto überzeugter bin ich.

Knoten für Knoten.

Jeder für sich unbedeutend. Doch am Ende ist ein Band entstanden. Ein Freundschaftsband.

Freitag, 15. Dezember 2017

Shooting




 

An der Kamera: Greta 

Donnerstag, 14. Dezember 2017

"Außen hart und innen ganz weich " ...

Wieso werde ich ausgerechnet dann so hart, wenn ich mich eigentlich ganz schwach und verletzlich fühle?

Wenn alles zusammen zubrechen droht, schalte ich intuitiv auf eine Art Überlebensprogramm, was da lautet: "Alles unter Kontrolle bringen! Ja keine Schwäche zeigen, das würde dich nur noch verletzlicher machen."

Wie nur kann ich diese schwache, weiche, orientierungslose Seite in mir zulassen?

Mich zeigen, so wie ich mich fühle?

In all meiner Verletzlichkeit.

 Meiner Angst.

Meinem Schmerz.

Den Schmerz zulassen.

Die Angst.

Das Dunkle.

Hinschauen. Nicht wegschauen.

Und mich zeigen, in meiner Schwäche.

Ich weiß es nicht. 

Familie inklusive

Das Familienleben ist ein wunderbares Beispiel, wie Inklusion funktionieren kann.

Die Schule und die Gesellschaft tun sich oft so schwer damit.

Aber in der Familie leben wir jeden Tag, wie so ganz unterschiedliche Kinder zusammen leben können.

Jeden Tag versuche ich als Mutter, den unterschiedlichen Fäigkeiten und Interessen gerecht zu werden.

Beim Essen.

Pavel isst nur Kartoffelbrei, Lola immerhin noch ein Sellerieschnitzel dazu und Greta auch noch den Salat.

Beim gemeinsamen Spielen.

Greta spielt die Bank beim Taschengeldspiel "Sparschwein". Lola und Pavel wissen langsam, dass man 80 Cent bezahlen kann, indem man ein 50 Cent Stück, ein 20 und ein 10 Cent Stück gibt.

Im gemeinsamen Gespräch.

Greta erzählt vom letzten RB Leipzig Spiel, das sie leider wieder verloren haben. Pavel berichtet vom Krippenspiel aus der Kirche. Und Lola freut sich auf Mittwoch. Da fliegt sie zu den Abuelos nach Spanien.

Doch wer im Moment am meisten dazu beiträgt, dass Lola zu Hause rundherum zufrieden und glücklich ist, ist Pavel.

Sie spielen eigentlich den ganzen Nachmittag ununterbrochen zusammen.

"Bibi und Tina."

Singen zum x-ten Mal alle Lieder zur Karaoke CD mit.

Laufen verkeidet und wiehrend durch die Wohnung.

Und schlafen nun seit drei Tagen auch zusammen in einem Zimmer.

"Beste Freunde".

Als ich Pavel neulich fragte, ob er denn mal heiraten will, sagte er voller Überzeugung: "Ja. Lola!"

Und es ist unglaublich, was Lola alles durch Pavel lernt.

Alleine durch die lang anhaltenden Diskussionen mit ihm darüber, wer denn im Doppelstock-Bett oben oder unten schlafen soll.

Sie haben gemeinsam entschieden, sich immer abzuwechseln. Und es funktioniert wunderbar! Ohne jeden Streit.

Bei mir würde Lola in wütendes Geheul ausbrechen...

Heute früh fragte Pavel, ob Lola auch zu seinem sechsten Geburstag kommen wird.

"Ja", rief Lola ganz begeistert.

"Natürlich", sagte ich voll schöner Erinnerungen an den letzten Geburtstag.

"Mmh, aber ich will nicht, dass Lola zu meinem Geburtstag kommt", erklärte er bestimmt.

Lola heulte wütend auf.

"Warum denn nicht?", fragte ich.

"Weil ich meine Freunde Oskar, Willi und Anton einladen will. Und ... die kommen nicht, wenn Lola da ist."

"Wieso denn das?", fragte ich.

Er zuckte mit den Schultern. "Die mögen Lola nicht".

Jeden Tag sehen sie Lola, wenn ich zusammen mit ihr Pavel im Kindergarten abhole. Und ab und zu kommen ein paar freche Kommentare.

Als Lola selber noch im Kindergarten war, bis vor 3.5 Jahren, war so etwas nie vorgekommen. Aber da kannten sie auch alle Kinder.

Pavels Freunde kennen Lola nur vom Sehen.

So gut Inklusion innerhalb der Familie funktioniert, an ihren Grenzen hört sie schon auf. Wenn keine täglichen Kontakte bestehen... 

Aber Greta will ihren Geburtstag am liebsten auch ohne ihre kleinen Geschwister feiern.

Und vielleicht unternimmt Lola an Pavels Geburtstag etwas Schönes mit einer Freundin.

Oder Pavels Freunde lernen Lola besser kennen...

Zum Glück ist es noch einige Zeit hin, bis Juni.

Dienstag, 12. Dezember 2017

"Einmal ich tot war..."

"Lola, pass auf. Ein Auto", rief ich Lola heute früh beim Überqueren der Strasse zu. Und zog sie an der Hand zurück. Um Haaresbreite war ein grauer Ford an uns vorbeigeschossen.

"Du musst aufpassen an der Strasse. Wenn Dich das Auto erwischt, bist Du mausetot", sagte ich erregt. Und mein Herz schlug schneller.

"Nicht will tot sein", sagte Lola. "Nicht platt sein."

Ich streichelte ihre Hand und wurde langsam wieder ruhiger.

"Kannst Du Dich eigentlich erinnern an die Zeit, als Du noch im Himmel warst? Bevor du geboren wurdest?", fragte ich sie.

Immer mal wieder spreche ich die Kinder darauf an. Um zu hören, wie sie es sich eigentlich vorstellen, noch nicht geboren zu sein. Und wer weiss? Vielleicht haben sie ja auch eine Erinnerung daran...

Ganz aufgeregt erzählte Lola: "Einmal ich tot war. Nicht schön. Unter Erde, stockdunkel. Nicht will tot sein."

"Ach, und da erinnerst du dich dran?"

"Wieder hoch kommt", erzählte sie weiter. "Alle da wart. Mama. Verena. Nick. (Ihre Tante und ihr Onkel). Alle da wart. Besser."

"Da waren alle bei Dir, das war schön, oder", ermunterte ich sie zum weiter erzählen.

"Krankenhaus raus kommt. Nicht mehr dunkel. Will nicht tot sein", erklärte sie.

Krankenhaus. Wie kam sie denn da drauf? In Kombination mit meinem Bruder Nick und Verena?

Nach ihrer Geburt waren beide nicht direkt da gewesen. Und sie gehörten auch nicht zu unseren gelegentlichen Erzählungen über ihre Geburt.

Doch da fiel es mir ein. Dass sie einmal im Krankenhaus lag. Kurz nach ihrem ersten Geburtstag. Mit einer schweren Lungenentzündung. Zwei Wochen lang lag sie im künstlichen Koma. Und erwachte nur wie durch ein Wunder wieder zum Leben.

Und in einer Nacht war ihre Sauerstoffsättigung auf einen Wert nahe Null gesunken. Nur kurz, vielleicht wenige Minuten lang, aber der Zacken war am nächsten Morgen deutlich auf dem Überwachungsbildschirm zu erkennen.

Ich habe mich oft gefragt, was das bedeutet hat. Wie nah sie da dem Tod gekommen war.

Und auf einmal wirkte ihre Erzählung wie die von einem Nahtoderlebnis.

Denn im Krankenhaus waren Nick und Verena da gewesen. Hatten an ihrem Bett gestanden. Wenn ich es recht erinnere... 

Was für ein irrwitziger Gedanke.

Und doch...

Denn Lola hatte immer schon eine unglaublich starke Verbindung zum Jenseits.

Und der Tod und alle, die schon gestorben sind, haben für sie eine grosse Bedeutung. Über die sie mit grosser Natürlichkeit spricht.

Montag, 11. Dezember 2017

Silbenreihen mit Lola

Das Zusammenschleifen der Laute zu Silben stellt den wichtigsten Einstieg in die Lautsprache dar. Der bei vielen Kindern mit Down-Syndrom, vor allem mit einer verbalen Entwicklungsdyspraxie (Sprechapraxie), nicht spontan gelingt.

Sie können zwar viele Einzellaute aussprechen, aber das Zusammenziehen der Laute zur Silbe misslingt.

Die Kinder sind nicht in der Lage, ihren Stimmapparat (Zunge, Lippen, Stimmbildung mit Hilfe der Stimmlippen) so zu steuern, dass der Übergang von einer Mundstellung (z.B. beim Artikulieren des Lautes m) zum anderen (des Lautes "i") während des Sprechvorganges gelingt.

Durch das systematische Üben des Zusammenziehens von Lauten zur Silbe, inform von Silbenreihen begleitet mit Lautgebärden, kann vielen Kindern jedoch geholfen werden.

Es ist gut, wenn die Kinder zuerst die Lautgebärden für jeden Laut bzw. Buchstaben kennen lernen. Die wichtigsten Lautgebärden werden in diesem Post / Video vorgestellt.

Im nächsten Schritt übt man mit dem Kind systematisch das Zusammenschleifen der Laute zur Silbe, inform von Silbenreihen.

Dabei werden die Übergänge von einem Laut zum anderen systematisch geübt, bis sie automatisiert sind. Wenn die Kinder die wichtigsten Silben (also Lautverbindungen) automatisiert haben, finden sie auch den Übergang in die Lautsprache.

Man beginnt mit dem Zusammenziehen von dauerhaft mitsprechbaren Konsonanten (m, l, s, n, r, w, sch) mit den Vokalen "a, e, i, o, u".

Zuerst übt man die Silbenreihe mit "m". Indem man dem Kind die Silben "ma - me - mi - mo - mu" in der immer gleichen Reihenfolge als Silbenkärtchen vorlegt. Sie dabei vorliest und jede Silbe dabei mit den Lautgebärden begleitet.

Die Silbenkärtchen vom ABC der Tiere sind dafür sehr zu empfehlen. Sie sind vielseitig verwendbar, handlich, stabil und kosten nicht viel. Und man spart sich die mühevolle Herstellung eigener Kärtchen.  

Das folgende Video zeigt beispielhaft, wie das Vorlesen der Silbenreihen aussehen kann. 



Und in diesem Video zeigt Lola alle Lautgebärden zu den Silben, die man während des Lesens der Silben gebärdet.



So kann das Kind über mehrere Kanäle lernen: über den visuellen durch die Silbenkärtchen und die Lautgebärden, und über den auditiven durch das langsame Vorlesen der Silben. Die Informationen werden so viel besser verknüpft und können später besser abgerufen werden.

Man übt die Silbenreihe täglich. Etwa 10 Minuten lang. Immer Silbe für Silbe vorlesen, dabei mit Lautgebärden begleiten und vom Kind nachsprechen lassen.

Am Ende legt man immer zwei Silben zu einem Doppelsilber zusammen und liest sie ebenfalls vor bzw. lässt sie nachsprechen.

Ma-Ma
Me-Me
Mi-Mi
Mo-Mo
Mu-Mu

Am Anfang wird das Kind dazu nicht in der Lage zu sein. Aber man animiert es zum Mitsprechen, auch wenn die Laute nicht immer korrekt sind. Ohne korrigierend einzugreifen. Der Versuch des Nachsprechens - egal ob er gelingt oder nicht - muss unbedingt positiv verstärkt werden. Ebenso das Nachahmen der Lautgebärden.

Über die Tage hinweg wird sich ein erstaunlicher Lerneffekt zeigen. Auch wenn das Kind am ersten oder zweiten Tag vielleicht noch gar nicht mitsprechen oder - gebärden kann. An den folgenden Tagen werden sich erste Veränderungen zeigen. Zunächst minimal, dann immer deutlicher. Wenn man täglich übt. Was der entscheidende Faktor ist.

Über das regelmäßige Üben werden die Kinder die Silben erstmals in ihrer Systematik wahrnehmen. Und in der Folge wird auch das Aussprechen und Zusammenziehen der Laute immer besser gelingen.
 
Nachdem man eine Woche lang TÄGLICH die Reihe "Ma - Me - Mi - Mo - Mu" geübt hat, geht man in der folgenden Woche zur Reihe "La -Le -Li - Lo -Lu" über. Die man ebenfalls jeden Tag etwa 10 Minuten übt. Wer mag, kann auch nochmal die Reihe mit M wiederholen.

Dann kommen in der Folge, immer eine Woche lang, die Silbenreihen mit R, S, N, W, SCH.

Je nachdem wie gut das Kind das Prinzip des Zusammenschleifen der Laut zur Silbe schon begriffen hat, werden die folgenden Reihen auch in weniger als einer Woche automatisiert sein.

Hat man dieses Programm regelmäßig durchgeführt (vielleicht mit Pausen am Sonntag), sollte das Kind schon nach wenigen Wochen in der Lage sein, eine Fülle von Silbenkombinationen (Worten) nachzusprechen. Und vielleicht sogar schon aktiv zu verwenden.

Schu-le
Li-mo
Sah-ne
Ro-si
Na-se

... um nur einige zu nennen.

Und der wichtigste Schritt in die Lautsprache ist geschafft!!!!

Lola konnte mit 5 Jahren kaum mehr Worte sagen als "Mama, Papa, Deta, Ali, Dada, ...." Ihr fremde Worte konnte sie kaum nachsprechen.

Nachdem ich das Programm 4 Wochen mit ihr durchgeführt hatte, ist ihr Wortschatz förmlich explodiert. Und der Durchbruch war geschaftt.

Es hört sich vielleicht anstrengend an, täglich zu üben. Aber es lohnt sich!

Sonntag, 10. Dezember 2017

Lola "himbab"

Lola wird sich mehr und mehr bewusst, dass sie 'behindert' ist. "Himbab", nennt sie es. Was sie oft traurig macht. Vor allem wenn andere sie so bezeichnen...

Aber: sich dessen bewusst zu sein, ist auch ein wichtiger Schritt zu echtem Selbstbewusstsein. Das erst aus dem Bewusstsein der eigenen Begrenzung  entsteht. Nur wer seine Grenzen genau kennt, kann sie annehmen und - im Angesicht dessen - die eigenen Fähigkeiten auch wirklich wertschätzen. Und weiter entwickeln.

Wer seine Begrenzung ignoriert, bleibt darin gefangen.

Beim heutigen Schneespaziergang erzählte sie mir, ein wenig betrübt: "Mama. Ich bin behindert." (Das erste Mal, dass sie das Wort richtig aussprach. Einfach so)

"Und, was bedeutet das", fragte ich sie interessiert.

"Ich nicht Hefe verträgt. (Ich vertrage keine Hefe). Auch Ei nicht," erklärte sie. "Und ich nicht kann schnell rennen. Bein tut weh."

"Und was noch?", fragte ich.

"Brille auf. Nicht kann gut sehen."

Ansonsten war nicht viel aus ihr rauszuholen.

"Und was kannst du gut?"

"Ich kann gut gehen", erklärte sie nach eienigem Überlegen und marschierte straff an meiner Hand durch den Schneesturm. Noch vor drei Jahren hätte sie das zu einem Zusammenbruch gebracht. Denn Schnee und Kälte im Gesicht mochte sie da gar nicht. Jetzt macht es ihr kaum mehr etwas aus.

"Und was kannst du noch gut?", fragte ich.

Lola zuckte mit den Schultern. 

Schließlich sagte sie, nach kleiner Ideenhilfe: "Ich kann gut trösten. Sadia weint, dann ich trösten", erklärte sie. Denn für ihre beste Freundin Sadia ist sie wirklich die beste Trösterin.

Und zusammen überlegten wir noch ein bisschen weiter. Bis Lola dann erklärte: "Ich kann gut kochen. Gut backen. Und gut malen."

Alles Dinge, die sie mit großer Begeisterung und auch immer größerer Selbständigkeit macht. 

Wie weh es mir doch tut, zu sehen und anzuerkennen, wie schwer ihr viele Dinge fallen.

Doch wie froh es mich auch macht zu sehen, wie sie sich dessen bewust wird. Und - trotzt ihrer Beschränkungen - ein gutes Bewusstsein auch ihrer Stärken gewinnt.

Was für eine Leistung, angesichts so vieler Beschränkungen in dieser Welt leben zu lernen.

Und wie gesegnet sie doch ist mit ihrer Fähigkeit, glücklich im Moment zu leben. Ohne nach hinten und vorne zu schauen. Ein wahres Geschenk.

Freitag, 8. Dezember 2017

Das Aussterben der Eskimos

Pavel schaute sich heute ein Bild vom ewigen Eis am Nordpol in einem seiner Kindersachbücher an. Nachdenklich schaute er mich an und erklärte mir:

"Mama. Die Eskimos müssen bald sterben. Weil sie keine Kälte mehr haben. Wenn es wärmer wird, dann schmilzt nämlich das Iglu. Und dann haben die nix mehr, wo sie rein gehen können."

Was er sich so für Gedanken über die Folgen der globalen Erwärmung macht.


Aus der Reihe: Pavel, und wie er die Welt sieht.

Mittwoch, 6. Dezember 2017

Komm wir spielen Schule


Lolas beste Motivation zu ihren Schreibübungen und Hausaufgaben ist zur Zeit Pavel.

"Komm, wir spielen Schule", ruft er freudig.

Und schon sitzen beide begeistert am Tisch und beginnen zu "arbeiten".

Pavel schreibt Buchstaben nach. Und Lola übt das Schreiben von Worten mit Kleinbuchstaben.


Und das schönste Spiel ist natürlich, dass ich die Lehrerin bin.

Ich muss dann richtig streng sein, sehr bestimmt sprechen, ernst gucken und sie zum zügigen und ruhigen Arbeiten auffordern.

Dann kichern sie leise, werden ganz ruhig und arbeiten höchst diszipliniert und ohne einen Mucks von sich zu geben.

So ruhig sind sie sonst nie...

Lola lernt übrigens mit dem Lese- und Schreiblehrgang "Lulu lernt lesen". Den ich sehr empfehlen kann.

Das Programm arbeitet von Beginn an mit Lautgebärden, beginnt mit dem Erlesen von einfachen offenen Silben und dem systematischen Aufbau eines ersten Lesewortschatzes aus diesen Silben. Ist also lange phonemgetreu, d.h. alle verwendeten Worte werden so gelesen, wie sie geschrieben werden.

Darüber hinaus ist das Programm sehr systematisch und übersichtlich. Ohne überflüssiges und verwirrendes Design. Und hat viele zusätzliche Übungsmaterialien.

Ich kann es SEHR empfehlen.

Montag, 4. Dezember 2017

Quasselstrippe is back!

Wirbelwind Lola ist diese Woche wieder da. Und mit ihrer warmen, lebenslustigen Energie ist auch meine gute Laune wieder gekehrt.

Im Auto, auf der Heimfahrt von der Schule, erzählte sie mir detailliert vom Wochenende. Beginnend mit dem Satz:

"Ich war gestern bei Coque."

Wahnsinn. Ein ganzer, vollständiger, grammatikalisch korrekter Satz!

Und dann erzählte sie weiter, was sie gemeinsam mit Papa und Greta unternommen haben, wen sie noch besucht haben, was sie dort gemacht haben. Und - noch habe ich es nicht mit Gretas Erzählungen abgeglichen - wirkte alles plausibel.

In ihrem Schreibheft aus der Schule habe ich entdeckt, dass sie mit einer der Schulbegleiterinnen die Zeitformen geübt hatte. Vergangheit, Gegenwart und Zukunft. Mit einfachen Beispielssätzen, die sie selber geschreiben hat.

Gestern habe ich Tee getrunken.
Heute gehe ich Geige spielen.
Morgen werden wir Kekse backen.

Ob das dazu beigetragen hat, dass sie die Vergangheitsheitform mit dem Wort "gestern" assoziiert hat, was bisher noch gar nicht zu ihrem aktiven Wortschatz gehörte?  

Erstaunlich, was so kleine Übungen doch bewirken können.

Beim gemeinsamen Adventsmalen am Tisch (die Weihnachtswerkstatt ist in voller Produktion) kabbelte sie sich mal wieder mit Greta. Und schickte sie schließlich weg mit den Worten: "Bitte geh tanzen, Greta!" Denn Greta musste gleich zum Ballett....

Auch einen solchen Aufforderungssatz habe ich bisher noch nie von ihr gehört.

Was sie gerade an neuen sprachlichen Formen verwendet, ist schon erstaunlich. Und das, obwohl sie die Woche beim Papa war und dort nur Spanisch gesprochen hat.

Ist es vielleicht doch die Sprach- und Schreibepoche, die sie gerade in der Waldorfschule haben?

Auf jeden Fall freue ich mich sehr.

Sonntag, 3. Dezember 2017

Lautgebärden mit Lola

Lola hat erst mit 5 Jahren angefangen zu sprechen. Und was ihr entscheidend dabei geholfen hat, ist die Verwendung von Lautgebärden in Kombination mit Buchstaben.

Viele Kinder mit Down-Syndrom haben ein sehr schlechtes auditives Gedächntis, d.h. sie können sich gesprochene Laute schwer merken.

Und sie haben auch eine schlechte auditive Diskriminierungsfähigkeit, d.h. sie können die Laute der gesprochenen Sprache schlecht auseinander halten, weil sie sie nicht so gut wahrnehmen können im schnellen Sprachstrom der gesprochenen Sprache.

Das hat zur Folge, dass sie kein ausreichend präzises Lautrepertoire entwickeln und nur schwer in die Lautsprache kommen. Zusätzlich erschwert durch Schwierigkeiten bei der Lautproduktion, d.h. der mundmotorischen Bildung der Laute

Die Lautgebärden zusammen mit Buchstabenkarten helfen den Kindern, die Laute besser wahrzunehmen. Nach dem Prinzip: "Hören mit den Augen". Denn die meisten Kinder mit Down-Syndrom sind sehr gute visuelle Lerner.

Die Laut-Gebärden-Buchstaben-Verbindung ermöglicht auch ein Lernen auf mehreren Kanälen. Die Informationen werden mehrfach miteinander verknüpft und durch diese Vernetzung besser behalten und später auch abgerufen.

Lautgebärden sind der ideale Einstieg in die Lautsprache. 

Die Rettung für viele Kinder, die mit 4 oder 5 Jahren immer noch nicht sprechen können. Obwohl sie seit Jahren Gebärden verwenden und/oder auch Ganzwörter nach der Methode der Frühen Lesens lesen können.

Denn erst über die Lautgebärden wird das Zusammenziehen bzw. Verschleifen der Einzellaute zu Silben vermittelt. Und damit der Einsteig ins Sprechen ermöglicht. Denn die Silben stellen die Grundbausteine der Worte und damit der gesprochenen Sprache dar.

Im folgenden Video zeigen Lola und ich alle Lautgebärden zusammen mit den Buchstaben.


Zum Anschauen und Lernen für interessierte Eltern und Kinder.

Viele Freude dabei!

Und vermerkt gerne im Kommentar, ob Euch das Video hilft.  Wie es Euch gefällt. Und was Ihr Euch noch wünscht!!!

PS: Im nächsten Video zeigt Euch Lola, wie man das Verschleifen der Laute bzw. Buchstaben zu Silben üben kann.

PPS: Da Lolas fünfjähriger Bruder Pavel die Aufnahmen gemacht hat, sind einige Szenen etwas unscharf geworden. Aber ich hoffe dennoch erkennbar.



Samstag, 2. Dezember 2017

ohne Worte

An manchen Tagen habe ich keine Worte.
Und doch muss ich sprechen.

Immer wieder aufs Neue
mich erfinden
für Dich.
Der Du mich anlächelst
und mich zu kennen glaubst.

Und ich lächle und
bin froh,
dass mich mein Lächeln
heute
zusammen hält.

Danke.
Für dein Lächeln.
Heute
und morgen.

Freitag, 1. Dezember 2017

Ein Hoch auf uns!

Denkst du auch darüber nach, wie Du dich beruflich verwirklichen kannst?

Weil Du unzufrieden bist mit Deinem derzeitigen Job?

Weil Du lange mit den Kindern zu Hause warst, und wieder anfangen möchtest zu arbeiten?

Weil Du Dir nebenberuflich etwas aufbauen möchstest was Dir Spass macht. Neben den Kindern oder einem bereits bestehenden Job?

Ich denke ständig darüber nach.

Und frage mich oft, warum es mir so schwer fällt, eine gute berufliche Vision zu entwickeln und sie dann auch noch zielstrebig umzusetzen.

Früher war ich so fix mit allem. Hab mein Studium absolviert. Habe zu Ende gebracht, was ich angefangen habe. Alles hat immer funktioniert.

Nebenher ging ich auf Reisen. Lernte fremde Länder und Sprachen kennen. Machte Party. Hatte Freunde. Und wenn ich müde war, las ich Bücher. Unmengen von Büchern, die heute noch meine Reagle füllen.

Bis ich Kinder bekam.

Ein Kind ist kein Kind, hab ich erst gesagt. Und die 3 Monate alte Greta mit ins Forschungsinstitut genommen und weiter an meinen Auswertungen für die Doktorarbeit gesessen.

Mit Lola habe ich tatsächlich mal 2.5 Jahre Pause gemacht. Und mich kurzzeitig gefragt, ob meine Aufgabe im Leben vielleicht doch eine ganz andere ist als die Wissenschaft.

Es war eine schöne Zeit. Eine wunderschöne Zeit.

Aber dann hat es mich doch wieder zurück ins Arbeitsleben gezogen. Sicher auch aus wirtschaftlicher Notwendigkeit. Aber auch aus dem Drang heraus, mich in der Welt zu beweisen. Gesehen zu werden. Anerkennung zu bekommen.

So hab ich es auch mit Pavel nur 6 Monate zu Hause ausgehalten. Dann war ich zurück an der Uni. Habe versucht, meinen 'Mann' zu stehen.

Bis ich auf dem letzten Loch pfiff und mich entscheid, eine Pause zu machen. Weil ich nicht mehr konnte. Einfach nicht mehr konnte.

Aber das hätte ich niemals zugegeben.

Die offizielle Version war, auch vor mir selbst: dass ich an einem neuen Buch arbeite. Endlich mehr Zeit haben will für das Schreiben. Dass das meine Leidenschaft ist, meine wahre. Und ich sie auch endlich zu meinem Beruf machen möchte.

Und ich war entflammt. Und schrieb wie verrückt. Immer wieder neu. Bis ich fast daran verzweifelte.

Das ist doch meine Berufung. Das ist doch, was ich wollte. Warum schaffe ich es nicht, das Buch zu beenden? Mich darauf zu fokussieren und es zielstrebig zu einem Ende zu bringen? Ich war doch früher so schnell?

Und wie soll man davon leben können?

Und ich kehrte zurück, in den vermeintlich sicheren Hafen der Universität. Von Lehre und Forschung. Zeitlich befristet, aber egal. Hauptsache eine bezahlte Beschäftigung. Die sogar Spass machte.

Nur: jetzt ist die zeitliche Frist an ihr Ende gekommen.

Ich hatte versucht, es zu verdrängen. Habe auch nicht nach anderen Wegen gesucht. Habe einfach meine Arbeit getan. Und die Familie versorgt.

Und da stehe ich.

Und was sage ich diesmal?

Ich werde an meinem Buch weiterarbeiten. Meine Leidenschaft zum Beruf machen. Diesmal wirklich.

Nur wie? Wie soll es diesmal klappen?

Was bitte soll ich anders machen?

Vielleicht ist es ja gar nicht so viel.

Vielleicht sollte ich nur meine Erwartungen ändern.

Und endlich anerkennen, dass ich mit 3 Kindern, einem davon mit Behinderung, einem Haushalt und einem Mann, der beruflich viel unterwegs ist, eigentlich schon einen Vollzeit-Job habe.

Mit einem extrem unterschiedlichen Tätigkeitsfeld. Von so "archaischen" Tätigkeiten wie Putzen, Kochen und Wäsche waschen, über Begleitdienste, Assistenzleistungen und Therapiesitzungen für die behinderte Tochter bis zu täglichen psychotherapeutischen Sitzungen, wahlweise für die pubertierende Tochter oder den ausgebrannten Mann. Planung von Finanzen, Logistik, Freizeit nicht zu vergessen. Und die permanente Rufbereitschaft. 24 Stunden am Tag!

Und das Vorhaben, mich neben einem solchen Job beruflich selbständig zu machen, ist schon ehrgeizig bis vermessen.

Kein Wunder, wenn es nicht ganz so schnell klappt.

Vielleicht sind meine bisherigen Ziele einfach unrealistisch hoch gewesen?

Ich brauche mich nicht wundern und erst recht nicht dafür schämen, dass mir manchmal die Energie fehlt. Und die Visionen nicht so aus mir herauspurzeln.

Wenn ich meine Leistung als Mutter und Hausfrau endlich vor mir selber anerkenne und wertschätze und auch die Grenzen, die mir zeitlich und energetisch gesetzt sind, dann kann ich vielleicht auch realistischere berufliche Ziele entwickeln.

Die ich auch umsetzen kann.

So dass ich zufrieden bin.

Und stolz auf mich.

Aber zuerst einmal muss ich wohl die Begrenzungen anerkennen, die mir gesetzt sind. Anstatt immer so zu tun, als gäbe es sie nicht.

Vor mir. Und auch vor den anderen!

Mittwoch, 29. November 2017

Frühstücksmorgen ohne Sorgen

Wo ist denn die Espressokanne schon wieder? Jeden Morgen muss ich sie suchen. Da steht sie ja. Da wo sie immer steht.

Milch in den kleinen Topf. Auf Stufe 3. So geht es schneller.

Rasch die Teller hingestellt, die Marmeladen. Die Käsereste dazu.

Wieder fehlt Brot. Zum Glück habe wir noch Reiswaffeln.

Und da steht Greta, mitten in der Küche. Mit noch dunklen Augen. Suchend. Nach ihrer Flasche. Ihrer Brotbüchse. Sie zu füllen.

"Mama, was kann ich heute in die Schule mitnehmen? Wir haben gar nichts mehr.", sagt sie, beim Blick in den halb leeren Kühlschrank.

"Ich weiß nicht", murmele ich, und frage mich, wo Lola bleibt.

"Loli, hast du Dich schon umgezogen?", rufe ich. Als ich in ihr Zimmer komme, sitzt sie splitternackt, nur mit Kniestrümpfen bekleidet, auf dem Boden und liest ein Buch. Neben ihr ein buntes Durcheinander von Klamotten.

"Lola, wir müssen jetzt frühstücken", dränge ich.

"Komme gleich, Mama, ja", sagt sie und wirft mir einen Kuss zu.

Was ist das für ein seltsamer Geruch? Ich renne in die Küche und sehe, wie die Milch über den Topfrand steigt und sich auf der Herdplatte ausbreitet.

Jeden Morgen das Gleiche.

Maxim stellt den Herd immer auf 2. Und es ist noch nie etwas übergekocht.

Immer wieder versuche ich, die Dinge durch hohen Energieaufwand zu beschleunigen. Am Ende kocht alles über. 

Greta steht an der Anrichte, schält Möhren, schneidet Gurken klein. Wickelt alles in Alufolie. Dann steckt sie es in die Brotbüchse.

"Muss das denn sein, alles nochmal in Alu einzuhüllen? Das ist doch Verschwendung", sage ich. Wie jeden Morgen.

"Ja, das muss sein", antwortet sie und wickelt weiter.

Ich schütte den Espresso in die dampfende Milch. Und schlage die Zeitung auf. So viele Gedanken über die Welt, manche tiefgründig, andere flach. Und beginne zu lesen über die Frage, wieviel narzisstischer die heutige Jugend ist als frührere Generationen.

Mein Handy ist voller Selfies von Greta und Lola.

Die Studie hat fest gestellt, dass die jüngere Generation nicht narzisstischer und selbstbezogener sei als die vor 30 Jahren. Dass die Jugend nur generell narzisstischer und selbstbezogener sei als die Elterngeneration. Und Narzissmuss mit zunehmendem Alter abnähme.

Wie selbstverliebt und auf eigene Vorteile bedacht kann man auch sein, bei drei Kindern? Denke ich und nippe an meinem Kaffee. Und lese weiter.

Bis sich erst Greta und dann Lola zu mir an den Tisch setzen. Und Greta von ihren bevorstehenden LKs (Leistungskontrollen) erzählt, die ihr Sorgen bereiten. Und fragt, ob ich sie schnell noch für Geschi abfrage. Und Lola vor ihrer Reiswaffel sitzt und mich fragt, was sie raufschmieren kann.

"Mirabellenmarmelade?"

"Nö, mag ich nich."

"Vielleicht Pflaumenmus."

"Bäh, stinkt."

"Oder Käse? Irgendetwas musst du ja essen."

"Käse blöd!"

Ich spüre, wie ich mich innerlich verenge. Und leichter Druck aufsteigt. In 10 Minuten müssen wir spätestens los, sonst kommen wir zu spät. 

"Im Kühlschrank ist auch noch Salami", sage ich genervt.

Sie strahlt und holt sich die Salami-Packung aus dem Kühlschrank. Legt sich 4 Scheiben übereinander auf ihre Reiswaffel. Beißt genüsslich hinein.

Ich sage nichts dazu.

Pavel und Maxim schlafen noch, denn die Vorschule beginnt erst um 8:30 Uhr.

Und ich schenke mir noch einen frischen Kaffee ein. Rieche seine herbe würzige Note und nehme einen langen Schluck. Und blicke auf Lola, die hochkonzentriert ihr zweites Brot mit Frischkäse bestreicht. Den Kopf leicht zur Seite geneigt, als würde sie ein Kunstwerk schaffen. Greta ist schon in ihrem Zimmer verschwunden ist, so ganz selbstständig. Und lernt noch für ihre Prüfungen.

Und meine Zeitung knistert. Und der Kaffee duftet. Und ich geniesse diesen Moment der Ruhe.

So viel Selbstliebe schenke ich mir. 

Dienstag, 28. November 2017

Bekenntnis

Wie schwer es mir manchmal doch fällt, etwas regelmäßig zu machen, was ich mir vorgenommen habe.

Obwohl ich weiß, dass es mir gut tut.

10 Minuten meditieren am Morgen.

Das versuche ich seit einiger Zeit.

Denn, so habe ich gelesen: das stärkt das Gefühl der Selbstwirksamkeit.

Wenn man es schafft, natürlich...

Mir die ersten 10 Minuten am Tag für mich nehmen. Als Fingerübung dafür, ein Leben nach meinen Vorstellungen zu leben.

Heute früh, habe ich es geschafft.

Du vermisse mich?

Sehnüschtig warte ich seit Jahren darauf, mit Lola ein echtes Gespräch führen zu können.

Tief in ihren Augen blitzt mir oft ein hellwacher Geist entgegen. Voller Schalk und manchmal auch tiefer Traurigkeit.

Was sie zwar körperlich ausdrücken kann, aber kaum sprachlich.

Ihre Sätze sind oft sehr einfach - im Telegrammstil aneinander gereihte Worte. Und oft ist es schwer, die Botschaft zu entschlüsseln, die sie ausdrücken möchte. Und auch gefühlsmäßig mit ihr in Resonanz zu gehen.

Immer mal wieder arbeite ich intensiv an ihrer Sprache. Je nach Intensität meiner Bemühung mit mehr oder weniger grossem Erfolg.

Oft habe ich mich aber auch gefragt, ob ihre gestörte Sprachentwicklung etwas mit ihrer Zweisprachigkeit zu tun haben könnte. Zumal sie - im Wechselmodell - jede Woche zwischen dem spanisch sprechenden Papa und unserem rein deutschsprachigen Zuhause hin und her pendelt. Also jede zweite Woche in ihrem "Papa-Hause" nur Spanisch spricht, auch mit Greta, die zwischen den Sprachen switcht.

Nun war Lola für zwei Wochen am Stück bei uns, da ihr Papa aus beruflichen Gründen in Spanien war. Und ich habe tatsächlich den Eindruck, dass ihre Sprache deutlich besser geworden ist.

Im Auto auf dem Schulweg erzählte ich ihr, dass Papa sie heute an der Schule abholt. Und sie dann eine Woche bei ihm sein wird.

"Ich werde Dich vermissen, Loli", sagte ich ihr.

Sie schaute mich an und zog einen Fluntsch. "Du vermisse mich?"

Ich nickte.

"Ich auch vermisse dich", antwortete sie leise und schmiegte sich liebevoll an mich.

Und mein Herz machte einen Satz nach oben, vor Freude. Denn dies war das erste Mal, dass sie die Reflexivpronomen 'mich' und 'dich' spontan verwendet hat.

Sollte sie vielleicht doch längere Zeit mal nur bei uns leben? Um wenigstens eine Sprache richtig zu lernen?

Zum Jahresbeginn werden wir ausprobieren können, ob es eine nachhaltige Wirkung auf ihre Sprache hat. Da wird Lolas Papa für mindestens einen Monat im Ausland sein und Lola nur bei uns. Ich bin schon gespannt, was dann passiert.

Jetzt werde ich sie erstmal eine Woche lang vermissen.

Montag, 27. November 2017

Irdisches und Himmlisches

Greta hatte heute keine Schule. Sie hatten "kältefrei".

Die Heizung war über das Wochenende ausgefallen, so dass den Schülern und wahrscheinlich vor allem den Lehrern der Schulbesuch nicht zugemutet werden konnte.

--- 

"Und, wir war's heute in der Schule?", frage ich Lola beim Abholen.

"Heute Eurymie habt. Mit Ave-Maria".

(Ihre Eurythmielehrerin heisst Eva-Marie)

Samstag, 25. November 2017

Sei doch mal ehrlich...

Bist du immer ehrlich?

Sagst Du immer, wie es Dir geht? Wie Du dich tief im Innersten fühlst?

Unbewusst hatte ich es lange als Ideal, immer ehrlich zu sein. Authentisch. Zu meinen Gefühlen zu stehen. Sie auszusprechen. Auch meine Bedürfnisse.

Ich dachte und hoffte, dass sei der richtige Weg.

Aber: wenn alle immer ehrlich sind, ist menschliches Zusammenleben nicht möglich. Erklärte mir meine große Tochter Greta vor ein paar Tagen. So habe es ihre Ethik-Lehrerin gesagt. 

Denn dann müsste man der Freundin offen und direkt ins Gesicht sagen, dass ihre neue Jeans nicht sitzt. Ihr Hintern darin unvorteilhaft aussieht. Aber auch eine andere Hose darüber wahrscheinlich nicht hinwegtäuschen kann.

Dann hätte man eine Freundin weniger.  Und so lächelt man lieber und nickt zustimmend.

Besonders ehrlich ist das nicht. Aber zielführend in Punkto Erhalt der Freundschaft.

Und wenn mich jemand fragt, wie es mir geht? Wie ehrlich antworte ich?

Gut. Wie immer. Viel Trubel zu Hause. Mein Mann ist gerade beruflich stark eingebunden. Und dieser dauernde Regen...

Klartext: Ich weiß grad nicht, wo mir der Kopf steht. Wünsche mir dringend Unterstützung mit den Kindern, im Haushalt und abends meinen Mann, der mich einfach nur hält. Und mir sagt, wie unglaublich gut ich das alles rocke. Und dass ich mit den dunklen Augenringen noch viel schöner aussehe...

Und dann ist fast alles gut, für den Moment.

Subtext (tiefer darunter): Bitte, gib mir die Kraft, einen Beruf zu finden. Der mir ein regelmäßiges Einkommen schenkt, so dass ich mir um den Alltag und die Freuden der Kinder keine Sorgen machen muss. Bitte auch einen Beruf, der mich erfüllt. In dem ich wirklich gut bin und wo ich Lust habe, mich mit ganzer Kraft hineinzuknien. Der mich mit Energie füllt, statt sie mir zu rauben.

Ist das nun ehrlich?

Ein Wunsch ist das. Ein ehrlicher Wunsch.

Aber gehts denn noch ehrlicher?

Ich habe Angst. Dass ich wieder die Lust an meinem Job verliere. Und mich nicht so tief hineinknie, wie es nötig wäre. Dass ich mich wieder selber sabotiere und Dinge schleifen lasse. Weil mir die Kraft fehlt, die Lust, oder was auch immer. Zur Not sind die Kinder schuld. Oder mein innerer Schweinhund. Oder meine Überzeugung, dass ich alles kann, aber nichts richtig.

Bin ich also doch determiniert? Immer wieder zu scheitern?

Ich hab's: meine Ansprüche sind zu hoch. Darüber stolpere ich.

Also bitte, hilf mir, meine Ansprüche so realistisch zu halten, dass ich sie erfüllen kann und - von dem, was ich schaffe, erfüllt bin.

Eigentlich ist es doch gar nicht so schwer, ehrlich zu sein.

Naja. Vor dem Chef müsste ich es anders formulieren.

Wahrscheinlich würde ich versprechen, meine Ziele realistischer zu formulieren. Und mich aktiv weiterzubilden, um meine beruflichen Kompetenzen stetig zu verbessern.

Oder ganz anders.

Ich könnte ihm sagen, dass er mich mal kreuzweise kann. Und wenn er meine Arbeitskraft nicht schätzt, dann soll er sich doch jemand anders suchen. Abgesehen davon, dass er sich bisher noch nicht dafür interessiert hat, was ich inhaltlich überhaupt mache.

Das wär doch mal ehrlich!

Aber zielführend? Was den Wunsch nach Sicherheit und beruflicher Erfüllung angeht? Und wie würde ich dastehen?

Ich könnte den Chef auch einfach freundlich grüßen. Seine unausgesprochene Kritik an mir abperlen lassen, ohne dass sie mein Innerstes berührt. Mich in Frustrationstoleranz und Demut üben. Und mir still und heimlich einen anderen Job suchen.

Eine echte Berufung.

Wie ehrlich soll ich nun sein?

Wie ehrlich bist Du?

Am Ende will ich vor allem einer Person gegenüber ehrlich sein: Mir selbst.

Mir ehrlich eingestehen, dass ich Fehler gemacht habe. Dass ich nicht mein Bestes gegeben habe.

Dass ich Angst habe.

Dass ich aber auch wieder aufstehen kann. Weitergehen. Mit erhobenem Kopf. 

Und mir etwas beruflich aufbauen möchte, was mich erfüllt. Was meinem Leben Sinn gibt. Und anderen Menschen nützt.

Und das ist mein ehrlicher Wunsch!

Donnerstag, 23. November 2017

Ein paar Sonnenstrahlen gefällig?



Heute haben wir den frühen Einbruch der Dunkelheit genutzt, um uns Fotos aus dem letzten Urlaub anzuschauen.


  
 Eine Woche Herbsturlaub in Südfrankreich. Am Mittelmeer.  Nur die Kinder und ich. Da Maxim leider arbeiten musste.

 

Die Bilder sagen eigentlich alles.



Zum Glück sieht man nicht, wie unglaublich anstrengend die Tage zwischendurch waren.




Ich alleine mit drei Kindern. Die so ganz unterschiedliche Bedürfnisse haben.




An einem wunderschönen Ort, Collioure, den ich aber noch nicht kannte. 




Ohne Freunde oder Familie.




Mit dem Mietwagen zur Ferienwohnung.




Alles individuell.




Aber wenn ich mir einmal in den Kopf gesetzt habe, dann mache ich es.

 


Und wenn ich mir die Bilder nun so anschaue, mit dem Abstand von 2 Monaten, dann bin ich froh, dass wir das gemacht haben.




Alleine das Frühstück!




Durch die Berge...





Fast jeden Tag wandern. Fast ohne Proteste (echt jetzt!) 




Pavel bald stadtbekannt: "Le petit indien."





Selfies...




Gelächter in Gassen



Schwestern.



Und Lola im Kontakt mit dem Jenseits ...




Dem Diesseits...




und im Fokus.




Wenn ich mir die Bilder so anschaue und darüber schreibe, war es ein ganz ausserordentlich besonderer Urlaub. 




Und alle Anstrengung ist vergessen. 




Die heilende Kraft der Sprache. Und des Bildes.

Soviel zur Frage, die mal im Kommentar aufkam, warum ich so viele Bilder aus dem Familienleben und von den Geschwistern poste.

Um mich immer wieder selber daran zu erinnern, was für ein ausserordentlich reiches und beglückendes Leben voller Abenteuer wir doch haben.

An manchen Tagen muss ich mich da einfach dran erinnern. Und nochmal laut DANKE sagen!

Mittwoch, 22. November 2017

Frei zu sein bedarf es wenig...

Meine Freiheit ist für mich so essentiell, dass ich sie noch nie in Frage gestellt habe. Und nie geglaubt hätte, dass andere Menschen das tun können. Erst recht nicht Menschen, die mir nahe stehen.

Bis ich neulich einen Abend mit einem alten Freund verbracht habe, A..

Wir haben zusammen an der Humboldt Uni in Berlin Volkswirtschaft studiert, irgendwann Ende der Neunziger. Und eine Zeitlang fast jeden freien Abend zusammen verbracht.

Wir haben im "Tilli" (Tilsiter Lichtspiele) in der Richard-Sorge-Strasse im Friedrichshain gesessen. Haben diskutiert, was unser Leben damals so bereit hielt. Und das war nicht wenig. Haben geraucht. Wie alle. Und Bier getrunken. Viel Bier.

Auch diesmal haben wir diskutiert. Viel diskutiert. Aber irgendwie anders.
Es scheint doch mehr Zeit vergangen, als ich gemerkt habe.

Oder irgendetwas anderes hat sich verändert.

A. hat von seinem Job als Business Analyst erzählt. Damals, in unseren Nächten im Tilli,  hatte er gerade seine erste Stelle in einem kleine Start-up in Berlin-Mitte bekommen. Und war chronisch überarbeitet.

Heute ist das kleine Start-up von damals Teil eines grossen Business-Consortiums. Es ist Senior-Analyst. Und verdient mit dem Schreiben von zwei Blogbeiträgen pro Monat so viel wie ich im ganzen Jahr.

Zufrieden lehnt er sich zurück.

Begeistert berichtet er von seinem letzten Blogbeitrag über den Wirtschafts Nobelpreis-Träger Thaler. Im Bereich Behavioral Economics. Ich versuche möglichst unauffällig zu vertuschen, dass ich den Namen Thaler nicht erinnere. Von der Verleihung nichts mitbekommen habe. Und von Behavioral Economics noch nie etwas gehört habe.

Wie schlecht ich doch informiert bin. Damals hätte ich mitreden können. Zum Glück erzählt er so begeistert, dass er mein Unwissen kaum bemerkt, und mein interessiertes Nicken eher als informierte Zustimmung erlebt.

Er berichtet enthusiastisch von einem Buch, das er gerade verschlungen hat und mir dringend empfiehlt. Von einem Japaner. Es sei zu seiner neuen Bibel geworden. Unbedingt muss ich das lesen.

Der Autor zeige darin sehr deutlich anhand umfangreicher Forschungsergebnisse, dass unser freier Wille nur eine Illusion ist und unsere Entscheidungen im Grunde alle getroffen werden, bevor wir uns dessen bewusst werden. Dass von bewusster Entscheidung also überhaupt keine Rede sein kann.

Freier Wille, Bewusstsein. Damit kenne ich mich besser aus.

"Und welche Instanz in uns trifft dann diese Entscheidung?", frage ich neugierig.

"Im Grund ist es vorherbestimmt. Durch unsere Prägungen, früh erlernten Muster, eingeschliffene Gewohnheiten. Wirklich frei ist man in seiner Entscheidungen nie, auch wenn man das glaubt."

"Aber irgendetwas in uns trifft doch die Entscheidung? Das bin doch ICH am Ende."

"Nein, das glaubst du nur. Im Grunde ist das vorherbestimmt. Determinert. Freiheit ist nur eine Illusion."

Ich erinnere mich an Forschungsergebnisse, die zeigen, dass ein unbewusster Teil von uns Informationen verarbeitet und Regelmäßigkeiten erfasst, lange bevor unser bewusster Verstand dies explizit erkennt. Ich habe das immer als 'Intuition' verstanden.

"Vielleicht weisen die Daten darauf hin, dass wir viele Entscheidungen eben nicht bewusst, sondern unbewusst treffen, auf Basis unserer Intuition, einer viel umfasssenderen Wahrnehmungsfähigkeit als der, über die unser bewusster Verstand verfügt", werfe ich ein.

"Was soll das denn sein? Im Grunde sind das nur angelernte Verhaltensweisen, übernommene Entscheidungsmuster, Konditionierungen... "

"Und wenn ich dir jetzt eine reinhaue, dann ist das meine freie Entscheidung. Oder?"

"Nein, das wäre determiniert."

"So ein Quatsch", sage ich. "Es gibt immer diesen einen Moment, so klein er auch sein mag, in dem ich die Möglichkeit habe, mich dafür oder dagegen zu entscheiden. Zuzuschlagen. Oder - mich zu beherrschen. Das ist meine Freiheit. Die macht mich doch erst zum Menschen!"

"Du denkst du hast die Wahl. Aber im Grunde verhälst du dich nur so, wie du es gelernt hast. Weil es alle anderen um dich herum auch so machen. Das determiniert dich", antwortet A. und nimmt einen kräftigen Zug aus der Bierflasche.

"Aber wenn ich keine Freiheit habe, keine Wahl, entziehe ich mich damit meiner menschlichen Verantwortung! Ich kann nicht anders, das haben mir meine Eltern so beigebracht, das wird bei uns so gemacht, tut mir leid... Dann habe ich auch keine Grundlage mehr für ethische Grundsätze und Werte, auf deren Basis ich handle. Das ist doch eine zutiefst pessimistische Vorstellung.... ", erwidere ich, nun immer emotionaler.

"Werte, die sind ja auch nur ein gesellschaftlich akzeptiertes Konstrukt. Genauso wie der Humanismus. Das ist auch nur eine Ideologie unter anderen ... ", erwidert A.

"Aber eine, die ein gutes menschliches Miteinander mit gegenseitigem Respekt möglich macht. Wenn ich unsere Freiheit negiere, dann sind wir doch alle nur Zombies unserer Vergangenheit oder Opfer irgendwelcher Trends und populistischer Führer, denen wir blind hinterherrennen."

"Genauso. Das sind wir auch... Und genau damit arbeitet beispielsweise das Marketing!"

Ich bin schockiert.

"Aber damit negierst du auch jede Möglichkeit des Menschen, sich zu ändern. Psychotherapie: arbeitet genau an diesem Punkt. An dem der Mensch sich entscheiden kann, einen kurzen Moment lang, einem erlernten Muster gemäß zu reagieren, oder eine andere Reaktion zu zeigen. Bewusst einen anderen Weg zu wählen. Das ist seine Freiheit, seine Kreativität und seine Menschlichkeit. Wenn ich die den Menschen abspreche, dann kann ich mich gleich vom Turm stürzen..."

A. nimmt noch einen Schluck aus der Flasche und zuckt mit den Schultern. "Wenn du an die Freiheit glauben möchtest, kannst du das ja."

"Aber das ist doch keine Glaubensfrage. Unsere Freiheit ist ein Faktum!"

"Es gibt bisher keine wissenschaftlichen Belege dafür. Die bisherigen Studien konnten es nicht nachweisen. Im Gegenteil... "

"Weil die Messinstrumente dafür nicht geeignet sind. Weil wir an den falschen Stellen suchen, weil unsere Freiheit sich nicht in einem bestimmten Hirnareal lokalisieren und auf ein Modul reduzieren lässt. Weil sie unser gesamtes Menschsein umfasst... "

"Was schwafelst du denn da? Das ist ja fast Esoterik... Wo sind denn die Fakten? Was ist denn aus Dir geworden, Amelie...?"

Nun fühle ich mich angegriffen. Habe ich doch zu viele Psycho-Bücher gelesen? Nein! 

"Bloß weil man etwas nicht anhand von Daten wissenschaftlich nachweisen kann, bedeutet es nicht, dass es nicht existiert. Was für eine gnadenlose Überschätzung unserer modernen wissenschaftlichen Methoden. Große menschliche Geister waren zeitlebens durch reines Nachdenken zu großen Einsichten fähig, die nicht weniger bedeutsam sind", sage ich mit Heftigkeit. Und fahre fort:

"Wenn du dem Menschen seine Freiheit absprichst, dann enthebst du ihn seiner Verantwortung. Dann hat er einen Freibrief für jedes Verhalten. Denn er konnte ja nicht anders. Ihn trifft keine Schuld. Er ist Opfer seiner Muster. Dagegen wehre ich mich."

"Naja, dann glaub halt weiter dran", sagt A. und steht auf, um eine Zigarette zu rauchen.

Und ich verstehe nichts mehr.

Ticken so die Business Leute im Innersten? Ist das das Menschenbild, das dem Wirtschaftsleben im Kern zugrunde liegt? Ich habe doch auch einmal Volkswirtschaft studiert? Habe ich da auch so gedacht?

Was ist mit unserem kritischen Denken passiert? Wo ist es hin, unter der stillen Diktatur des Kapitals? Freie Meinungsäußerung ohne Freiheit?

Kurz später - ich kann nicht anders - mache ich von meiner Freiheit Gebrauch: und gehe ins Bett.

Zum Glück haben A. und ich danach noch zwei Tage miteinander verbringen können, waren wandern mit den Kindern, haben gelacht, gegessen und getrunken. Und über viel anderes diskutiert, was unser Leben heute so bereit hält. Und das ist nicht wenig.

Aber unser Gespräch hat mich nachdenklich gestimmt. Sehr nachdenklich.

Zum Abschluss dieses Zitat von Viktor Frankl, einem großartigen Denker, Psychologen und Überlebenden von Ausschwitz:
"Zwischen Reiz und Reaktion gibt es einen Raum.
In diesem Raum haben wir die Freiheit und die Macht,
unsere Reaktion zu wählen.
In unserer Reaktion liegen
unser Wachstum und unsere Freiheit."

Sonntag, 19. November 2017

Wie Du eine Vision entwickelst

Eine Leben zu leben voller Leidenschaft. Mit Überzeugung. Den eigenen Werten gemäß.

Das ist doch das Ziel!

Oder?

Setz dich hin und frage Dich.

Wie will ich leben? Wie kann ich helfen? Wie kann ich die Welt ein Stückchen besser machen?

Auch wenn ich nicht die großen Strippen ziehen kann. Insektizide nicht verbieten kann. Große Immobilieninvestoren aus Leipzig nicht vertreiben kann. Auf amerikanische und die Hälfte der sächsischen Wähler keinen direkten Einfluss habe. So habe ich doch Einfluss auf mein direktes Umfeld. Auf alle Menschen, denen ich täglich begegne.

Und ich kann mich immer wieder bemühen, mein Bestes zu geben. Mich und sie zu respektieren. Zuzuhören. In mich hineinzuhören. Und mich zu fragen: welcher Weg und welches Wort hilft allen im Moment am meisten weiter? Auch welches Wort, das ich nicht sage? Welchen Zorn, den ich nicht an jemandem auslasse?

Und was dabei am meisten hilft. Sofort Energie frei werden lässt.

Ist eine Vision! Die Vision vom Leben, das ich leben möchte.

Und ist die Vision da, in meinem Kopf. Dieses Bild. So wird es Wirklichkeit werden.

Wenn ich es schaffe, die Angst loszulassen. Vor meiner eigenen Freiheit.


Samstag, 18. November 2017

Wie schön, dass Du geboren bist....

Das Schönste an ihrem Geburtstag war, dass wir dieses Lied für sie gesungen haben. Erklärt mir Lola mit glänzenden Augen beim Zubett-Bringen.

"Wie schön, dass Du geboren bist. Wir hätten Dich sonst sehr vermisst...."


Wie sie da liegt. Im neuen gestreiften Nachthemd. Neben ihr das neue Bibi-und-Tina-4-Buch für Erstleser. Ihr Tisch voller Kratze-Bilder, die sie schon fast fertig 'ausgemalt' hat, während ich die Reste ihrer Geburtstagsparty beseitigt habe.

"Freurich. Meine Gebutstag", sagt sie, mit diesem Strahlen in den Augen, das direkt aus der Seele zu kommen scheint. Und gibt mir einen Kuss. Eine Minute später ist sie eingeschlafen, tief und fest.

Wenn ich das vor zehn Jahren gewusst hätte. Wieviel Innnigkeit und Freude sie in unser Leben bringen würde.

Oder hat sie mich das erst gelehrt? Die kleinen Dinge zu sehen. Die leisen Worte. Die langsamen Bewegungen.

Danke, Lola. Dass es Dich gibt!


Donnerstag, 16. November 2017

Die Gabe, einen Fleck zum Leuchten zu bringen

Manche Tage passen wie ein Mosaik zusammen. Andere sind wie Dominosteine. Erst läuft es wie am Schnürchen, doch auf einmal stürzt alles zusammen.

Du willst nur noch eines: Verschwinden. Davonlaufen. Am besten fliegen.

Nur wo sind die Flügel geblieben? 

Alle schauen Dich an. Und warten. Die Luft ist zum Zerschneiden. Und du? Nickst - und gehst.

Was machst du? Dich unter einen Busch legen und die Wunde lecken?

Manche Türen verschließen sich, an irgendeinem Punkt im Leben.

Macht es Sinn, sie mit Gewalt wieder aufzusprengen? Mit Schlagstöcken gegen das Leben anzuhämmern?

Vielleicht ist es endlich an der Zeit, eine andere Türe zu öffnen. 

Mittwoch, 15. November 2017

Energietankstelle gefällig?

5 Uhr Nachmittag. Es ist schon dunkel. Die Kinder spielen in ihren Zimmern. Und ich? Könnte einen Artikel in der Zeitung lesen. Etwas Schönes kochen. Oder den Geschirrspüler ausräumen.

Aber ich fühle mich so kraft- und saftlos, dass ich zu nichts in der Lage bin. Dabei war der Tag eigentlich schön. Und gar nicht so energieraubend.

Habe ein erquickliches Seminar in der Uni gehalten. Ohne dass mich die Studierenden ausgebuht haben.

Habe mit meinem ehemaligen Chef angenehm zu Mittag gegessen und Möglichkeiten einer Weiterbeschäftigung eruiert (noch ohne Aussicht auf Erfolg, aber egal).

War mit Pavel im 'kleinen Garten', habe in der Erde gewühlt und Zweige zerhexelt. Derweil Pavel Steine zerkloppt hat, um einen Weg zu "pflastern". (Jetzt liegt alles voller Steinbrocken, aber egal).

Während Lola und Greta beim Geigen waren und alleine mit der Straßenbahn wieder nach Hause gekommen sind.

Ein runder, schöner, voller Tag.

Und ich? Bin ohne jede Energie.

Kennt ihr das?

Warum nur? denke ich. 

Was kann ich machen, um mich besser zu fühlen? Mich aufzupumpen, mit neuer Energie? Da muss es doch Tricks geben, Tipps.

Hab ich den falschen Job?

War die Gartenarbeit doch zuviel?

Denke ich zu viel nach, während ich etwas tue? Müsste ich mich mehr auf das Hier und Jetzt konzentrieren?

Mehr Sport, das ist es. Mehr Sport machen.

Wirklich?

Oder sollte ich mich vielleicht einfach einen Moment auf das Sofa legen? Mich einfach einen Moment lang auf das Sofa legen. Und - nichts tun! Nichts denken. Nichts fragen. Nichts lösen. Einfach: nichts.

Und wie wunderbar, liegt es sich da. Beine hoch. Kissen unter den Kopf. An die Decke starren. Ruhe, Endlich Ruhe.

Bestimmt 5 Sekunden. Da kommt Greta ins Wohnzimmer. "Mama, was machst DU denn da?" fragt sie und starrt mich entgeistert an.

"Ähm. Ich glaube, ich liege auf dem Sofa."

"Und was MACHST du da?"

"Nichts", sage ich. So selbstverständlich wie möglich.

"Na, dann ist ja gut", sagt sie und geht in die Küche, um sich etwas zum Naschen zu holen.

"Und was gibt's zum Essen heute?"

"Weiß ich noch nicht...", antworte ich.

Und denke: Nichts.

Montag, 4. September 2017

Durch den Wald...






Kleiner Indianer





Auschau halten nach...