Sonntag, 18. Januar 2009

Vier Leben

Ich war am Samstag in der Schaubühne und habe den Dokumentarfilm 'Vier Leben' gesehen. Es war total schön, der Film und auch die Aufführung. Der Saal war rappelvoll und Stimmung trotz Hitze und schlechter Luft bestens. Bei jedem Witz johlte der Saal. Auf die Frage der Regisseurin Cornelia Thau nach Ende des Filmes, ob der Film gefallen habe, johlte der Saal laut, 'Jooh, super, toll'. Ich habe noch nie so viele Menschen mit irgendwelchen Besonderheiten, genetischer oder sonstiger Art auf einem Haufen gesehen. Und muss sagen: es hat Spass gemacht. Die Stimmung war einfach nur gut, spätestens nachdem ein junger Mann mit Down-Syndrom aus der ersten Reihe vor Beginn der Vorstellung alle Anwesenden mit wildem Winken grüsste und rief: 'Hallo, ich grüsse euch. Hallo!' Und ein Großteil des Saales ähnlich wild zurückwinkte und ebenfalls grüsste. So eine Freude!

Und der Film hat dann das seine dazu gegeben, dass die Stimmung gut blieb. Er war zwar auch ehrlich, hat all die Trauer und Verzweiflung der Eltern, gerade am Anfang, nicht ausgespart. Aber hat gerade durch die liebvolle Porträtierung der vier Protagonisten und ihres Alltages, mit allen Höhen und Tiefen, ihrer genetischen Besonderheit alle Schwere genommen. Sie waren einfach sie selbst, so echt und strahlend und ganz bei der Sache, wie ich es selten bei Menschen erlebt habe. 'An manchen Abenden bin ich ganz verliebt in meine Protagonisten', sagte die Regisseurin am Ende. 'Heute war einer solcher Abende'. Und man spürte es während des Filmes, wie einem diese vier so ganz unterschiedlichen Menschen, zwischen 2.5 Jahren und 40 Jahren, richtig an's Herz wuchsen. Denen man zuschauen durfte beim Laufenlernen, beim Klavierspielen, beim Lauftraining, beim Arbeiten in der Werkstatt, beim Theaterspielen in der Schule...

Berührt hat mich besonders der kleine Finian. Vielleicht weil er ähnlich alt ist wie Lola. Vielleicht weil er einfach so unglaublich süss war. Wirklich zum verlieben, einfach der Hammer! Und berührt hat mich umso mehr, wie sehr die Mutter immer noch mit seinem gewissen Extra zu hadern schien. Wie sie ihn immer verteidigte, in Schutz nahm. Ich sah mich selber manchmal, in meiner überkritischen Art, diesem Hang zum ständigen Analysieren und Reflektieren. Wie anders war da doch der Vater, wie strahlend und voller Vaterglück. Als die Mutter einwarf, dass der Kleine seinen Altersgenossen ja doch sicher 1.5 Jahre hinterher sei, meinte der Vater nur lächelnd, dass er noch nie einen Jungen habe aufwachsen sehen, insofern auch gar nicht vergleichen könne. Das sei etwa so wie bei Asterix in der Trabantenstadt, als dieser eine Eichel in den Boden steckt und diese sich in atemberaubender Geschwindigkeit zu einer riesigen Eiche entfaltet. Obelix wundert sich allerdings überhaupt nicht darüber und sagt nur: 'Ich hab' zum ersten Mal eine Eiche wachsen sehen. Ich weiß also nicht, mit welcher Geschwindigkeit sie sonst wachsen.'

6 Kommentare:

Julia hat gesagt…

Hätte den Film auch sehr gerne gesehen. Ich war kurz nach 17.00 Uhr an der Schauburg und da ging leider gar nichts mehr (platzmäßig) und ich musste schweren Herzens (wie auch viele andere) wieder abziehen... Habe dafür eine Freunding in Leipzig besucht, denn wann bekommt man schon mal den Abend frei.. LG, Julia

Julia hat gesagt…

An der Schaubühne natürlich..

Amelie, weißt du ob der Film auch noch in einem anderen Kino läuft?

Julia hat gesagt…

Freundin.. ich bin wohl bettreif..;)

Anonym hat gesagt…

liebe Amelie

Das hast du so wunderschön beschrieben. Beim Lesen der Zeilen über die Eltern des kleinen Finjan sind mir natürlich wieder einmal prompt die Tränen gelaufen. Diese Situationen kenne ich ja sooooo gut. Zum Glück gibt es die totale Annahme vieler Väter unserer Kinder! Bin von meinem Mann auch scho oft in der Art tief im Herzen berührt worden!

Lieben Gruss

Christina

amelie hat gesagt…

Liebe Julia,

wie schade, dass du nicht rein gekommen bist. ach, ne! hättest mal vorher bescheid gesagt.... aber freundinnen treffen, ganz ohne kinder, ist auf jeden fall ein ganz wunderbarer ersatz. das sollten wir viel öfter tun, gerade samstag abends.

der film wurde am sonntag nochmal geszeigt, auch in der schaubühne. aber das ist wohl jetzt auch zu spät. vielleicht könnten wir ja mal mit der schaubühne sprechen, damit sie ihn nochmal zeigen. interesse gab es ja genug.

ganz liebe grüsse und schlaf gut!
amelie

amelie hat gesagt…

liebe christina,

ja, nur gut, dass wir unsere männer an unserer seite haben, mit ihren riesengrossen herzen ohne wenn und aber. wie oft habe ich mir da schon was abgeguckt...

ganz liebe grüsse,
amelie