Samstag, 30. Mai 2009

Schwarzwald und Padovan


Lola und ich sind wieder zurück aus dem schönen Schwarzwald, von der Intensivtherapiewoche im Therapiezentrum Iven in Baiersbronn.


Das Schönste an der Woche? Ich hatte mal wieder so richtig Zeit für mich (und Lola). Aber vor allem für mich. Hab die Abende und Nächte lesend verbracht, denn in unser Ferienwohnung gab es ganz unverhofft eine wunderschöne Buchsammlung. Und zum Glück KEIN Internet. So lag ich einfach auf dem Sofa und hab gelesen und gelesen und gelesen. Und morgens hingen an der Türe frische Brötchen, die Frau Dannich, unsere Wirtin da hingehängt hatte. Die Gute. 79 Jahre alt, auf einem Auge blind. Der ganze Körper in OPs nochmal erneuert. Und ein Strahlen und eine Lebenskraft an Frau. Was für eine Frau!

Und wenn wir nicht gerade zu den Therapien mussten, bin ich mit Lola auf dem Rücken durch die Berge und Wiesen gewandert. So wunderschön. Den Schwarzwald direkt vor der Türe. Und die Sonne. Zu schön. Erholung pur...

Erstaunlich immer wieder, wie einfach das Leben mit nur EINEM Kind ist (und ohne Mann, hihi). Wie schön aber auch wieder, hier zuhause wieder alle zusammen. Gefehlt haben sie uns ja schon, aber so einfach meine Seele baumeln lassen, meinen Gedanken nachhängen, das war schon schön. Und Lola war wie immer ausgeglichen und ruhig und hat sich an ihrer so gut erholten Mutter gefreut.


Vor allem war es toll, so viele andere Eltern mit Kindern mit Down-Syndrom oder anderen Sprach- und Entwicklungsverzögerungen zu treffen. Es war schön, sich mit so vielen austauschen zu können. Gemeinsam an den Kindern Freude haben zu können. Einmal gar nichts besonderes zu sein. Vor allem habe ich jedoch gemerkt, wieviel Glück wir haben, dass wir von Anfang an wussten, was an Lola besonders ist und wo und wie wir ihr helfen können. Dass wir gleich von Anfang an Therapien machen konnten und gelernt haben, worauf wir achten müssen. Ich wusste nicht, wie schwierig es sein kann, ein kleines Baby zu haben, dann ein Kleinkind, das sich einfach nicht so entwickelt, wie es die anderen tun. Und man weiss einfach nicht warum. Und viele wissen es immer noch nicht. Die ganze Unsicherheit. Die Fragen. Die Schuldgefühle. Das Gefühl, was verpasst zu haben. Das Gefühl, alleine zu sein. Da hab ich erstmal gemerkt, wieviel Unterstützung wir eigentlich immer bekommen haben, wie gut es tut, sich Teil einer grossen 'community' fühlen zu können, wie gute Therapeuten Lola von Anfang an hatte und wieviel Lola eigentlich schon kann. Und da hab ich mich gefreut, über Lola und mit Lola. Die freudestrahlend in der Cafeteria auf dem Boden sass (Babyhochstühle haben sie da leider nicht) und in ihren Apfel biss. Und strahlte. Unsere kleine grosse Lola!


Aber ihr würdet doch gerne wissen, wie die Therapien waren. Es war sicher nicht die grosse Supertherapie, wie ich es mir vorgestellt hatte. Vielmehr habe ich gemerkt, was für gute Therapeuten wir bei uns zuhause haben. Und wie gut Lola (mittlerweile) mit ihnen zurecht kommt. Und wie viel Lola bei ihnen schon gelernt hat.

Während der Woche in Baiersbronn war ich oft nicht so begeistert, vor allem, weil Lola die Anwendungen oft nicht so gut fand. Sie hat viel geweint, und ich musste oft die Therapeuten ein wenig zurückhalten in ihrem Ehrgeiz und ihrer Routine. Um Lola da ein wenig spielerischer ranzuführen. Egal wie, Lola war nicht besonders kooperativ. Und hat vieles nicht mitgemacht. Dementsprechend wenig hat sich getan. Am Ende hat sie doch manches zugelassen, aber ohne grosse eigene Motivation. Aber wir werden unsere Hausaufgaben, sprich die Turn- und Mundübungen regelmässig zuhause machen. Vielleicht tut sich ja doch etwas...


Turn- und Mundübungen? In allen Therapiesitzungen in Baiersbronn werden immer die gleichen Übungen gemacht, sowohl reine Körperübungen (Turnen nach Padovan) als auch Übungen für den Mundschluss und die Lautbildung (die sogenannte Mundtüte). Entwickelt wurden diese Übungen von der Logopädin Beatrice Padovan, die eine gute motorische Entwicklung auch für die Sprachentwicklung für unerlässlich hält. Da alles zusammen hängt.


Um die Motorik anzukurbeln hat sie eine Übungsreihe entwickelt, in der das Kind die Bewegungsentwicklung des Babys (wie auch der Evolution) nachturnt, allerdings passiv geführt. Die geführte Bewegung regt aber dennoch Neuronenkomplexe an und führt zu neuen Verschaltungen, als ob die Bewegung willentlich durchgeführt worden wäre. So werden die Bewegungsprogramme abrufbar. Die geführten Bewegungen sind allerdings nicht anstrengend für das Kind (wie bei Vojta). Es ging von einfachen Beinübungen (Bein anwinkeln, Beinrotation) über Armübungen (Aufstellen des Unterarmes auf flacher Hand dabei Kopfdrehung) über homolaterales und gekreuztes Kriechen, Rollen, Robben, Schubkarre bis zum Übergang Hocke-Stand... Keine schweren Übungen, auch nicht schwer zu erlernen, nur für Lola zu Beginn unangenehm, weil neu. Mal schauen, wie sie sie in den nächsten Wochen annimmt, denn die Übungsreihe soll täglich geturnt werden. Dauert aber nicht mehr als 15 min.


Zur Verbesserung der Mundmotorik gibt es die sogenannte Mundtüte, eine Plastiktüte voller Pfeifen, von der Brasilianischen Holzpfeife, über die Entenpfeife, die Trillerpfeife, die Hui-pfeife, in die das Kind blasen soll und dadurch den Mundschluss und das gezielte Auspusten trainiert. Dann gibt es noch einen Gummi und zwei Strohhalme, mit denen man 'die Zunge fängt'. Was die Zungenmuskulatur trainiert und die Zunge sensibilisiert. Schlucktraining durch Einspritzen von Wasser in die Wangentaschen, den Kauschlauch und das Saugen von Wasser durch einen dünnen Schlauch, was die gesamte Mundmuskulatur trainiert. Das fand Lola nach anfänglichen Protesten eigentlich alles ganz gut und hat auch auf allen pfeifeln erstaunlicherweise geblasen, auch wenn sie dazu immer noch selber mitgetönt hat.



Weitere Sprachübungen war die Lautkiste bzw. das Bilderbuch. Mehrere Gegenstände zu geschriebenen Buchstaben, bei denen man als Erwachsener einen Laut macht,den das Kind dann imitieren soll. Zum Beispiel eine Feder, die man mit einem 'P' wegpustet. Oder ein Luftballon, aus dem das Kind die Luft rauslassen kann, wobei man den Finger an den Mund legt und 'F' sagt. Oder ein Spiegel, den man mit einem 'H' anhauchen soll. Oder ein Bild von einem Brei, wozu man 'M' sagt und sich den Bauch reibt. Und viele mehr. Diese gezielte Lautimitation als tägliche immergleiche Übung ist wohl sehr hilfreich und wichtig, da so das geamte Lautrepertoire als Einzellaute eingeübt wird und dann für die Kinder leichter verfügbar wird.


Dann gab es noch das Bilderlotto. Ein Brett mit 9 Feldern (wir haben davon aber nur 4 benutzt), auf die Karten gelegt werden. Bilder von dem Kind bekannten Gegenständen (Katze, Apfel, Löffel, Haus). Der Therapeut hat die doppelten Karten in der Hand, zeigt eine davon dem Kind und fragt es. 'Wo ist der Apfel?' Das Kind soll den Apfel zeigen. Dann deckt man gemeinsam den Apfel mit der anderen Karte zu. 'Weg ist der Apfel'. So übt man Gegenstanderkennung, Zuordnung, Worte. Das war übrigens das einzige Spiel, das Lola ohne Proteste und sehr gut mitgemacht hat.

Als letztes gibt es noch das 'Mach du auch'- Spiel. Der Erwachsene macht etwas vor (z.B. rote Glöckchen in einen roten Eimer legen). Das Kind muss genau das nach machen, auf die Aufforderung hin, 'Mach du auch'. Abweichungen, Eigentinitiative, Wegwerfen, Anlutschen, wird nicht geduldet. Es geht hier um eine direktive Lehrsituation. Lola hat natürlich nie mitgemacht. Sie musste immer 'geführt' werden, als wüsste sie nicht, wie man eine Glocke in einen Behälter wirft. Die Therapeuten dachten sicher, sie kann das nicht. Zumindest haben sie nur milde gelächelt, als ich meinte, dass sie ohne Probleme Gegenstände in kleine Löcher steckt. Mein Hinweis, vielleicht langweile sie die Aufgabe, haben sie nicht ganz ernst genommen. Vielleicht ist sie einfach auch nur schlecht erzogen, freiwillig hat sie jedenfalls keine Glocke in den Eimer geworfen.

Das war eigentlich das Kernprogramm. Und unsere 'Hausaufgabe'. Wenn ich es so anschaue, doch recht umfangreich. Aber auch recht vielseitig. Mal schauen, was wir durch regelmässiges Üben erreichen. Ich bin gespannt. So schön die Woche in Baiersbronn war, glaube ich jedoch nicht, dass wir nochmal hinfahren. Man soll etwa 3 Mal im Jahr kommen, so Frau Iven. Ich denke, wir haben wichtigen Input bekommen, schönen Urlaub gemacht, werden uns aber jetzt auf unsere Therapien zuhause konzentrieren.

4 Kommentare:

Bettina Weidlitsch hat gesagt…

Schön, dass ihr eure Therapiewoche in eine Urlaubswoche zu ZWEIT umfunktioniert habt und die Therapie einfach nur als anregenden tagesfüllenden Fixpunkt gesehen habt.

Die Padovan Methode klingt sehr interessant und vorallem die Mundtüte mit den verschiedenen Pfeiferl find ich toll, denn wenn man so etwas dem Kind zu Hause so nebenbei anbietet ist es Spiel und Spaß mit untergejubelten therapeutischen Zwecken-Genial!
Vielleicht findest du die Zeit und könntest die Übungen mit den beiden Strohhalmen, dem dünnen Schlauch und dem Gummi beschreiben, denn das würde mich seh interessieren. Wirst ja sehn
:-).

Bei uns in Kärnten habe ich von dieser Methode noch nie gehört-Schade eigentlich.

Liebe Grüße
Bettina

Maria hat gesagt…

Willkommen zurück!
Und vielen Dank für den interessanten ausführlichen Bericht.
Das ist ja schon eine sehr positive Sache, wenn der Aufenthalt dazu geführt hat, so schön erkennen zu können, wie viel Lola schon gelernt hat und dass Ihr zu Hause bei Euren Therapeuten gut aufgehoben seid.

Liebe Grüße
Maria

Anonym hat gesagt…

Wir waren jetzt auch schon 2 mal in Baiersbronn und ich kann es nur empfehlen. Mein Sohn Dominik , 2 Jahre, (er ist nach Sauerstoffmangel bei der Geburt entwicklungsverzögert) hat immer riesen Fortschritte gemacht. Die Übungen macht er fast immer sehr gut mit. Inzwischen führt er die Bewegungen teilweise schon selber aus. Ich habe dazu beruflich mit schwerstbehinderten Kindern zu tun (Intensiv-Pflegedienst) und bin über einen Pateinten von mir auf dieses Konzept gestossen (so dass ich an so manchen Tag mit 2 Kindern turnen darf... ggg)
Wir freuen uns schon wieder auf den nächsten Aufenthalt (dann der Dritte) im Oktober...

Liebe Grüsse
Bernhard
B.Angrick@Sammarei.de

Anonym hat gesagt…

Hallo :)
Die kleine Lola kommt mir sehr bekannt vor, ui...
Ich war mit meinem Betreuungskind und deren Familie auch in Baiersbronn um mir das alles mal anzuschauen, und wir haben genau das selbe Programm wie ihr, Mundtüte, Bilderbuch, Mach du auch ....
Ich weiß leider nicht mehr genau wann wir dort gewesen waren, aber das Bild von Lola kommt mir sehr bekannt vor und ich glaube, auch ein kleines Mädchen mit dem Namen dort "kennengelernt" zu haben. Klein ist die Welt ;)
Liebe Grüße und viel Erfolg