Montag, 4. November 2024

Auf in die große Welt!

 Ja, heute war es soweit. Greta, die große Schwester von Lola, ist mit ihrem Rucksack und ihrem kleinen roten Köfferchen - auf in die 'Welt'. Für ein Jahr nach Spanien, um in Córdoba einen 'Europäischen Freiwilligendienst' zu machen. 

Welch Schritt für sie, ganz alleine in eine ihr fremde Stadt zu gehen. In ihr 'Vaterland', das sie zwar von den vielen Besuchen bei der spanischen Großfamilie in Gijón schon gut kennt. Zumal sie ja auch fließend spanisch spricht, als Halbspanierin. Wo sie aber noch nie länger gelebt hat, erst recht nicht alleine. Und ja, Andalucia ist auch nicht Asturias (die Familie also nicht in der Stadt). 

Umso mehr freue ich mich für sie, dass sie diesen Schritt gewagt hat. Nachdem sie ihr ganzes Leben hier in Leipzig verbracht hat, fest verwurzelt, mit vielen Freunden, ihrem Freund und Familie. Wo sie sich so wohl fühlt.

Und doch hat sie sich nach dem Abi entscheiden, für ein Jahr nach Spanien zu gehen. Um die Welt kennen zu lernen. Und um endlich einmal längere Zeit in dem Land zu leben, aus dem ihr Vater Ricardo stammt. 

Es war ihr diesjähriger Silvesterwunsch gewesen, den sie als einzigen von 13 Zetteln in der Hand behalten hat. Während sie die anderen 12 Wünsche dem Feuer übergeben hat. Der Wunsch, um den sie sich selber kümmern muss. Während sich - so das Ritual - das 'Universum' um die Erfüllung der anderen Wünsche kümmert. Und sie hat sich drum gekümmert: und ist nun in Spanien! Ja, so straight und zielstrebig, wie sie ihr ganzes Leben lang schon ist. 

Wahnsinn, jetzt ist sie nicht nur schon erwachsen, sendern lebt auch schon ganz alleine. Welch Schritt für sie! 

Es ist doch gefühlt gerade eben erst her, dass sie geboren wurde, sich das erste Mal bewusst im Spiegel betrachtete, dass sie ihr Schwesterchen Lola bekommen hat, dass beide tapsend über die Plätze in Spanien rannten.... Wo ist die Zeit nur hin? 

Meine Mutter sagte mir mal, als Greta so ca. 10 Jahre alt war, dass die Zeit zu fliegen beginne, kaum dass die Kinder 10 Jahre alt sind. Und ich lachte und schüttelte den Kopf. Nein, mein Leben war so voll und intensiv, die Kinder so klein noch, das Leben würde weiter so langsam vergehen.

Und jetzt? Ist die Zeit wirklich so schnell verflogen. Reich und intensiv, trotz mancher Durststrecken, aber wie ein Wimpernschlag. Und sie ist groß und erwachsen und geht ihren Weg alleine.

Und in mir ist natürlich auch ein Tumult der Gefühle, der Mutter, die ihre Tochter in die Welt ziehen lässt. Aber vor allem freue ich mich für sie. Und wünsche mir, dass sie dort schnell liebe Menschen kennen lernt und tolle Erfahrungen machen kann, die sie ihr Leben lang begleiten und prägen werden.


Sonntag, 3. November 2024

Abendsonne am Cossi

Heute Nachmittag habe ich mit Lola noch eine kleine Radtour um den Cospudener See gemacht. Obwohl wir um halb vier losfuhren, wurde es schon 'Abend'... (An die frühe Dunkelheit muss ich mich echt noch gewöhnen.)

Lola wollte unbedingt nochmal mit dem Fahrrad an den See. 'Sport machen'. Und abgesehen davon dass sie zu Beginn permanent jammerte, dass ihr kalt ist, ihre Füße schmerzen, ihr Hintern friert und sie durch die Brille nichts sehen kann, war es einfach nur wunderschön! 

Nach einer 20 minütigen Fahrt durch den schon dunklen Auwald öffnete sich endlich der Cossi vor uns, lag glänzend im Abendlicht, die Silhouetten der Bäume und Spaziergänger standen gegen den abendblauen Himmel. Überall das Laub der Bäume in Flammen. Lola juchzte auf: "Mama schau nur, wie schön!"


Als wir die Bistumshöhe erreichten, ging die Sonne schon unter und tauchte den See in rosafarbenes Licht. Wie ein Schleier, der sich über das Wasser, die Bäume, die Binsen legte. Magisch. Ich hätte schreien wollen vor Freude - und tat es auch! 

Bei der Rückweg durch das Elsterhochflutbett zogen weiße Nebel über die Gräser der Niederungen. Bilder so schön, dass sie sich kein Maler ausdenken könnte. 

Mit eiskalten Füßen und Wangen, aber nass geschwitztem Körper kehrten wir bei Dunkelheit wieder heim. Überglücklich an solch einem schönen Ort zu leben.  

Mädelstrip nach Berlin und ans Märkische Meer

Hier noch ein kleiner Rückblick von unserm Herbst-Mädelstrip nach Berlin und Brandenburg. Lola, Greta und ich waren mal ganz alleine unterwegs, für fünf ganze Tage. Soooo schön!

Nachdem Lola von drei Wochen Sozialpraktikum zurück war, und Greta von einem zweimonatigen Interrail Trip durch Spanien, Portugal und Italien, hatte ich die Idee, mal ganz alleine mit den beiden ein paar Tage Urlaub zu machen. 

Ich wäre ja auch nach Italien gefahren. Aber da Greta da grade herkam, und ein Freund in Berlin seinen 50. Geburtstag feierte, dachte ich: Warum nicht Berlin? Und danach noch ein paar Tage 'Wandern' im Berliner Umland.

Und nach der grossen Geburstags-Party am Samstag besuchten wir am Sonntag noch ein paar alte Freunde in Berlin, die ich sage und schreibe 20 Jahre nicht gesehen hatte (!!!). Wir trafen uns um 11 Uhr zum Frühstück in ihrer Wohnung am Spreebogen und saßen dann gefühlt den Rest des Tages am Frühstückstisch und quatschten und quatschten und quatschten. So wie 'früher'... 

 Erinnerten uns an unser altes Haus in der Mühsamstrasse im Friedrichshain, mit Kohleofen und Außenklos und meiner Dusche in der Küche. An M's erste Wohnung am Ostkreuz, mit Alufolie an den Küchenwänden (als Deko) und den verlassenen Strassen, über die ab und an ein altes Auto holperte. An die 'Tagung', die damals noch einzige Bar in der Wühlischstrasse. Und an den Geruch von Kohle in der Luft, wenn es draussen kalt wurde. Es war eine Zeitreise in die 90er Jahre in Berlin, und die Mädels lauschten mit großen Ohren. Ich hatte das Gefühl, aus einer 'anderen Zeit' zu erzählen.


Am Montag erkundeten wir noch den Prenzlauerberg, wo sich am Kollwitzplatz mittlerweile eine schicke Bar an die nächste reiht, neben unzähligen Design-, Antiquitäten- und Bioläden. Aber in den abgelegeneren Strassen fand ich dennoch einen Hauch des alten Lebensgefühls wieder. Beim Anblick der letzten, vereinzelten geschwärzten, bröckelnden Fassaden, kamen Erinnerungen zurück an damals, an die ersten improvisierten Bars mit Pappmachee-Figuren und ausgesessenen Ledersofas, Parties in leerstehenden Kellern oder der 'Freitagsbar', erreichbar durch schneebedeckte Innenhöfe hindurch, von einer Kette von Teelichtern ausgeleuchtet. 
 
Es war eine kleine Zeitreise für mich, in meine ''Studentenjahre' in Berlin, wo ich 1998 hinzog, damals nur wenig älter als meine Töchter jetzt. Gefühlt erst gestern, und doch in einer anderen Zeit. Fast wie in einem anderen Land. 

Wenn Greta darüber nachdenkt, wo sie studieren könnte, fällt Berlin meist sofort aus. Viel zu teuer, unbezahlbar die Wohnugen, wenn man überhaupt eine findet. Was für ein Glück hatten wir, damals dort leben zu können. In dieser Zeit des Um- und Aufbruchs, wo alles möglich schien.


Doch nach diesem Tag im Prenzlberg taten uns irgendwann die Füße weh, vom vielen Laufen über Kopfsteinpflaster, und wir fuhren weiter, nach Brandenburg, wo ich direkt am Scharmützelsee eine Ferienwohnung gefunden hatte.

Und die folgenden drei Tage wanderten wir bei herrlichstem Sonnenwetter am 'Märkischen Meer' entlang...

 

Durch ausgedehnte Nadel und Mischwälder, ....

 

Gingen nach Bad Saarow in die Therme ....

Wanderten am Storkower See entlang....


Umrundeten den Glubik- und den Springsee...



Und verbrachten die Abende gemütlich in unserer Ferienwohnung über dem 'Atelierhaus' in Wendisch-Rietz. Kochten lecker, spielten Scrabble (woran Lola riesig Spass hatte) oder chillten lesend auf dem Sofa. 

Welch herrliche Tage! Danke dafür!

Freitag, 1. November 2024

'Meine Lieblingsdorf'

Lola hatte heute in der Schule eine kleine Präsentation, in der sie gemeinsam mit den anderen Schüler-/innen ihrer Klasse über ihr Sozialpraktikum berichten sollte. Vor ihrer eigenen 11. Klasse, der 10. Klasse und interessierten Eltern und Lehrern der Schule. 

Für sie ist es immer sehr aufregend, vor  vielen Menschen zu sprechen. Selbst in ihrer eigenen Klasse ist sie im normalen Unterricht manchmal so schüchtern, dass sie sich nicht laut zu sprechen oder vorzulesen traut.

Gestern Nachmittag  hatte sie zu Hause extra für den Vortrag ein Poster zusammengestellt, mit Fotos und kurzen Texten über ihre dreiwöchige Zeit in der Lebensgemeinschaft in Sassen. Voller Eifer hatte sie es sogar noch 'gestaltet', wie sie sagte, mit unzähligen bunten Blumen und Herzchen. Ausdruck der Freude, die sie beim Praktikum hatte.


Schon beim Frühstück machte sie sich aber Sorgen über den heutigen Vortrag. Zum Glück konnte ich sie beruhigen, dass sie nicht alleine vorne stehen und sprechen müsste, sondern eine Vertrauenslehrerin sie fragen würde. Sie müsste nur antworten. Das beruhigte sie zunächst.

Als ich um 13 Uhr jedoch in die Schule kam, und den Theatersaal betrat, gut angefüllt mit Leuten, saß sie  eingekrümelt auf ihrem Stuhl in der ersten Reihe, eingehüllt in ihren Mantel, einen dicken Pulli, Mütze über dem Kopf, den Blick weg gerichtet von der Bühne. Als wolle sie verschwinden. Oh je, dachte ich für mich. Ob das was wird?

Doch nachdem sie sich vom Mantel und Pulli befreit hatte, und in ihrem schicken roten 'Auftrittskleid' da saß, dass sie extra zur Feier des Tages angezogen hatte, ging tatsächlich eine kleine Verwandlung vor sich. Und obwohl sie zuerst ganz in sich versunken war, als die Lehrerin ihr ankündigte, sie solle als erste präsentieren, entspannte sie sich schon während der weiterten Eröffnungsworte zusehends, richtete sich auf, Schultern gerade, Blick nach vorne. 

Und als die Lehrerin sie schließlich aufrief, als ALLERERSTE vor dem vollen Saal zu sprechen, sprang sie auf, stellt sich mutig neben ihr Plakat und beantwortete laut und deutlich, sichtlich selbstbewusst alle Fragen. 

Erzählte von dem schönen 'Rafaelhaus', wo sie gewohnt hatte und fünf Freunde gefunden hat. Deren Namen sie alle einzeln nannte. Erzählte von den Werkstätten im Dorf und vom Weben in der Textilwerkstatt, was ihr Spass gemacht hatte. Erzählte von ihrer Freizeit und dass sie mir zum Geburstag per Videokonferenz ein Lied auf der Geige vorgespielt hatte, begleitet vom 'Hausvater'. Und strahlte.  

Und wie sie das so gemeistert hat, ganz alleine für drei Wochen, fragte die Lehrerin noch. "Super", sagte sie lachend. "Ich mutig!" Und der Saal lachte, so herzerfrischend und selbstbewusst war ihre Antwort. 

"Und, kannst Du das Dorf empfehlen", fragte diie Lehrerin. "Und könntest Dir vorstellen, dort nochmal hinzugehen?" - "Ja", sagte sie strahlend. "Meine Liebelinsgdorf!" Und alle klatschten und stolz - aber auch erleichtert - ging sie zurück zu ihrem Platz. 

Wie ich mich wieder freue, dass sie auch diesen Schritt geschafft hat.

Es war aber auch ein wunderschönes Praktikum in der 'Lebensgemeinschaft'. So liebevolle Hauseltern, die sie genommen haben, wie sie war, mit ihrer Energie und ihrem Eigensinn, ihrer 'Power' und ihrem gelegentlichen Rückzug. Und engagierte Gruppenleiter-/innen in der Weberei, die ihr geduldig die Handgriffe am Webstuhl und das Arbeiten mit der Wolle und dem Schiffchen nahe gebracht haben, und - trotz ihrer häufigen Müdigkeit -  sie immer wieder gut motivieren konnten. 

Es war auch eine wertvolle Erfahrung für sie, mal mit vielen anderen Menschen mit 'Behinderung' zusammen zu leben, auf Augenhöhe - und nicht immer die 'Exotin' in ihrer inklusiven Schule zu sein, wo sie lange das einzige Kind mit Förderbedarf in ihrer Klasse war.  Sie ist sichtlich gewachsen in dieser Zeit. Und hat ohne jedes Heimweh diese drei Wochen alleine gestemmt. Große Lola!