Mittwoch, 6. Mai 2009

Spargelgemüse und Baiersbronn


Seit einer Woche gibt's jeden zweiten Tag Spargel. Grünzeug muss her. Lola hat schon lange genug nur Gläschenkost oder Nudeln und Fleisch bekommen. Jetzt muss mehr Gemüse her. Wer weiss, wie sehr sie die vielen Kohlenhydrate und das ganze künstliche Zeug (in den Gläschen) beeinflussen. Hab vorhin beim Down-Syndrom Forum gelesen, dass nach Herrn Castillo Morales die Muskelhypotonie im Zusammenhang steht mit einem hohen Cholesterinspiegel. Keine Ahnung wie hoch Lolas Cholesterinwerte sind (und keine Ahnunh, ob an dem Zusammenhang was dran ist), aber sie isst definitiv GANZ viel, was viel Cholesterin enthält. Jetzt kriegt sie mal ne Zeitlang viel Gemüse, mal schauen was passiert. Schaden kann es ja nicht, so werden auch ihre Geschmacksnerven mal verfeinert. Und an gesundes Essen kann man ja gerade sie nicht früh genug gewöhnen.

Zum Glück hat Lola nur eine Mahlzeit lang gestreikt: nach einem Probelecken hat sie das ganze Gemüse systematisch auf den Boden befördert, mit einem lässigen Handwurf. Bei der nächsten Mahlzeit (es gab sonst NIX anderes zu essen), hat sie dann das ganze Gemüse, einschliesslich Spargel, mit grösster Begeisterung vertilgt. Nur gut, dass sie so ein guter Esser ist. Da brauch ich mir jedenfalls keine Gedanken zu machen.

In den anderen Bereichen mache ich mir grad viel zu viele. Keine Ahnung was in mich gefahren ist. Aber irgendwie habe ich gerade Torschlusspanik bekommen, was ihre Fortbewegung angeht. Ich renne zu tausend Therapien, vergeige so viel Zeit in der Strassenbahn, beim Arzt, in der Sitzung. Mache Übungen, lese mich ein, bereite alles vor, baue auf, suche Spielzeug, halte Lola so und nicht anderes, nicht zu vergessen die ewige Strumnpfhose um die Beine. Und Madame? Brüllt was das Zeug hält, wenn sie Sit-ups machen soll. Und die Physiotherapeutin sagte, 2 x 10 Sit-ups am Tag, dann werden die wichtigen Bauchmuskeln gestärkt. Und Lola lässt sich hängen, macht alle möglichen Bewegungen, um ja nicht die Bauchmuskeln anstrengen zu müssen. Ich denke immer nur daran, die Sit-ups, dann die Brüllerei und dann lass ich es doch wieder. Und sie kraucht auf dem Boden, in ihrer Ziehtechnik, die so alles andere als aufs Krabbeln vorbereitet. Und bin einfach verzweifelt.

Sie muss ja nicht gleich vorbildlich los krabbeln. Aber vielleicht irgendeine Initiative zeigen, mal andere Bewegungen auszuprobieren. Sich stärker aufzurichten. Ein Zeichen, irgend ein kleines, dass sich ihre Bauchmuskulatur verbessert. Bei jeder Spielsituation, bei jedem Buch angucken, denke ich, ach ja, jetzt könnte ich sie so oder so halten, dann würde sie den oder den Muskelbereich trainieren. Dabei verlier aber ich und sie den Spass am Buch angucken. Ach, ich hab echt keine Lust mehr.


Ich will einfach nur ein paar nette Turnübungen, die ich regelmässig machen kann. Die ihr vielleicht auch Spass machen. Die man vielleicht 2 x 10 min am Tag machen kann. Und dann ist es gut, zumindest was die Grobmotorik angeht. Ich will nicht jede Minute zur potentiellen Krabbelübung machen müssen. Und weil ich heute echt so richtig fertig war mit den Nerven, hab ich Lola kurzerhand in Baiersbronn angemeldet. Zu einer Intensiv-Therapie-Woche. Kombinierte Ergo- Physio- und Logopädie. Turnübungen, begleitet von Liedern, Versen und Musik, in einem festen Rhythmus, genau abgestimmt auf das Kind. Es klingt einfach total überzeugend, was die da auf der Homepage schreiben. Und ich weiss, dass da viele Eltern mit ihren Kindern mit Down-Syndrom hingehen. Habe zwar keine klare Empfehlung bekommen, aber irgendetwas in mir sagt, dass das der richtige Ansatz ist. Von den verschienden Richtungen gemeinsam betreut zu sein. Körper und Seele zusammen zum Schwingen bringen. Freude dabei haben, trotz Anstrengung. Irgendwie muss das doch möglich sein? Ich will einfach nur das Gefühl haben, dass es motorisch weiter geht. Und vor allem, dass ICH was machen kann. Sie soll ja nicht gleich laufen können, aber irgendwie mal eine Etage höher kommen. Sich auch über den Spielplatz fortbewegen können.

Ich bin grad viel zu ungeduldig. Ich weiss. Lola ist grad wahrscheinlich wirklich auf dem Sprachtrip. Aber umso mehr nervt es mich, dass ich bei jedem Buch anschauen auch noch ein schlechtes Gewissen haben muss, dass ich sie nicht optimal halte. Da mach ich lieber mal ein paar Turnübungen und lass es den Rest der Zeit gut sein. Lass sie sich bewegen und setzen, wie sie will. Ach, Amelie. Geduld, Geduld. Und ich bin so gespannt auf Baiersbronn!

8 Kommentare:

Bettina hat gesagt…

Mensch Amelie, du könntest meine Mama sein. Die liest ja auch ständig was und überlegt, wie sie mich noch tragen, halten, aufrichten könnte, damit ich die Bauchlage besser akzeptiere und eine bessere Bauch- und Schultermuskulatur bekomme. Ganz zu schweigen von der Thematik "Drehen". Seit Wochen tut sich da nicht sonderlich viel, ich bemühe mich auch nicht recht und liege viel lieber in der Rückenlage rum. Habe übrigens gelernt, wie ich ratz fatz von der Bauchlage wieder auf den Rücken kullern kann, das heißt, dass man mich nicht mehr einfach so auf den Bauch legen und weglaufen kann. Verarscht!
Ihr würdet euch gut verstehen :-)
Grüße von Benjamin

P.S.: Schreib mal wie es in Baiersbronn war. Das würde meine Mama interessieren.

Monica Crumley hat gesagt…

Ich habe fast alles verstanden... I understand wanting to help Lola at every opportunity, but only to the point that it's not adding stress and frustration. She will crawl and stand and walk all at her own time. Yes, the stomach muscles are very important (for every movement). Music Therapy (and our cat) helped John Michael get motivated to crawl because he was interested in it and wanted to touch, reach, etc. Maybe you can find something that will motivate her and not feel like "therapy" or "exercise" and she'll get there. Hang in there!

Maria hat gesagt…

Ach, Amelie - es ist so toll, über die Blogs so "nah" dran zu sein, aber so schade, dass man nicht manchmal einfach "rüberkommen" kann...ich würde Lola so gerne mal live erleben und Dir den Druck ein bisschen wegnehmen.

Ich weiss nicht, warum Felix gerade so schnell alles "von selbst" macht, aber ich weiß, dass er absolut keinen Druck bekommt, sondern nur die Zeit, die er braucht. Hin und wieder zeigt ihm unsere Physiotherapeutin, wie etwas geht, aber das war's.

Ich würde Dir so gerne helfen, mal eine Woche komplett entspannt nur loszulassen, ohne die "lästigen" Hintergedankden...aber vielleicht hat Dir das Niederschreiben Deines Frustes ohnehin schon ein wenig geholfen.
Ich wünsche Dir viel Kraft und Gelassenheit, um geduldig durchhalten zu können!
Liebe Grüße
Maria

Anonym hat gesagt…

Ach Schwesterchen,

gönn dir doch ma n paar Fehler und schalt die Birne ab ;)

deen Brüderchen
und Küsschen an alle kleinen und großen Kinder bei dir.

P.S. an Ricardinho: das mit Barcelona gestern war echt n bischen peinlich :)

Sophia hat gesagt…

Hallo Amelie,

also von Baiersbronn hab ich schon viel gutes gehört. Da will ich auch hin wenn es bei Emelie mal nicht mehr voran geht. Ein neuer Ansatz kann nicht schaden und ein Tapetenwechsel schon gar nicht.

Und freu dich, dass Lola so gut isst, Emelie ist in der Hinsicht nämlich mal wieder lustlos und ich schaffe es gerade mal auf 400 ml am Tag. Außerdem kenne ich andere Kinder die nur Laugenbrötchen essen wollen, oder ein Anderes nur Lyoner. Da in ich gespannt was noch auf mich zukommt.

Liebe Grüße
Sophia

Beatrice hat gesagt…

Hallo Amelie,

genau so Gedanken hab ich mir auch ständig gemacht. Und dann irgendwann ganz plötzlich kam die Einsicht, das es nichts bringt. Unsere Kinder sind nicht auf der Welt um aus uns Müttern Supertherapeuten zu machen.
Charlotte bewegte sich bis vor einer Woche genau so fort wie Lola, und jetzt plötzlich hat sie etwas neues gelernt. Wieder nicht krabbeln, sonder eine Mischung aus krabbeln und Bärengang. Ein Bein angwinkelt, das andere u Seite aufgestellt. Und auch wenn das nicht physiologisch richtig ist was sie macht, es ist IHRE Art sich fortzubewegen.
Hab Geduld, auch Lola wird sich irgendwann aufrichten. Und komunizieren zu können ist wesentlich wichtiger als laufen.

Baiersbronn ist aber sicher eine gute Alternative.

Alles Liebe
Beatrice

Regula hat gesagt…

Liebe Amelie, unbekannter Weise und aus weiter Ferne schreibe ich Dir einfach das was es mir aufdrängt: Gönn Dir und Lola, dass Du einfach Mama bist; Von ganzem Herzen und mit aller Kraft. Ansonsten schliesse ich mich den Worten von Maria an, auch ich würde Lola so gerne mal kennenlernen (inkl. Mama natürlich). Herzliche Grüsse
aus der Schweiz Regula & Co. (2x46, 1x47 Chromosomen)

Kathrin hat gesagt…

Hallo Amelie,

sei Mama, nicht Therapeutin;), dafür wurdest Du ausgesucht ;).

Was spricht gegen ihre Sprach- und Buchphase - finde ich eigentlich prima. Draussen ist der Frühsommer, Sand schmeckt gut...Lass es einfach auf Dich zukommen. Du nimmst Dir sonst die so schöne Kleinkindzeit, geniesse sie einfach.

Übrigens haben fast alle Mütter solche Phasen, wo sie denken, nicht genug zu tun, oder hadern, weil es (gerade) scheinbar (!!!) nicht weitergeht. Aber es geht immer weiter, nur vielleicht an einer anderen Front.

"Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht"

Ich finde Lola klasse, sehr gut entwickelt, unheimlich interessiert, mobil, süß sowieso und nun auch noch Gemüse-essend - was willst Du mehr?

Ganz liebe Grüsse
Kathrin