Montag, 9. Dezember 2024

Ich kann mich gar nicht an die Corona-Zeit erinnern...

Ein grauer Dezembertag heute. Nach langem Ausschlafen und gemütlichem Frühstück, ließen sich die Kinder erst am Nachmittag aus dem Haus bewegen. Zu einem kurzen Spaziergang zum Caracan im Auwald, zu einer Tasse Kakao. Doch schon nach einer Stunde wollten sie wieder zurück. Genug der 'Ausflüge'.

Als wir am Nachmittag in der Küche saßen, ein paar Plätzchen ausstachen und Pavel eigentlich Latein lernen sollte, begann er mir von der Pest zu erzählen, die im Mittelalter halb Europa dahingerafft hat. Alle einmal Infizierten starben, und die Pestdoktoren konnten ihre Leiden kaum lindern. 

"Wie konnten die sich überhaupt schützen?", fragte ich ihn.

"Durch schwarze Schutzanzüge und die typischen Schnabelmasken, in denen sich Heilkräuter befanden", erzählte Pavel. - Ja, woran man damals so glaubte.

 

"Weißt Du, Mama. Ich kann mich überhaupt nicht an die Corona - Zeit erinnern", fügte er hinzu. "Wann waren die Lockdowns überhaupt? Und was haben wir da die ganze Zeit gemacht?" 

Er war gerade in der zweiten Klasse, 7 Jahre alt, als es 'losging'. Am 13. März 2020. Und 9 Jahre alt, als die Maßnahmen wieder aufgehoben wurde. Immerhin über zwei Jahre lang, für einen Jungen seines Alters eine lange Zeit. 

Gemeinsam versuchten wir diese surreale Zeit zu erinnern, die wir in den letzten Jahren vollkommen verdrängt hatten.

Wir erinnerten uns an den Feuerwehrwagen, der im Tiefschnee vor unserer Haustüre stecken geblieben war, und erst nach zwei Stunden wieder freigeschaufelt war. 

 

Und wie die halbe Südvorstadt, entgegen der Anordnungen, auf dem Fockeberg rodeln ging. Ein Gewimmel an Schlitten und Skifahrern - und wir mitten drin.

Wir erinnerten uns an die vielen Workouts, die wir bei uns im Wohnzimmer gemacht haben. Selten, dass ich so viel Sport getrieben habe und körperlich so fit war :-)

Wir erinnerten uns an die Harry-Potter-Bände, die Pavel alle verschlungen hat. Weil die Bibliotheken geschlossen waren und Greta alle Bände im Regal stehen hatte. Obwohl er gerade erst lesen gelernt hatte, aber dringend neuen Lesestoff suchte. Und eben nahm, was es gab.

Und ich erinnerte mich an Pavel vor dem Rechner, singend mit dem Kinderchor, in der zoom-Session. Die Arme weit ausgebreitet für die anfänglichen Lockerungs- und Atemübungen. Ganz alleine am Tisch. 

Und er erinnerte sich an die Corona-Nasen-Tests, die sie in der Schule immer machen mussten vor dem Unterricht. Montag, Mittwoch und Freitag. 

An die Aufgaben, die er zu Hause machen musste, erinnerte er sich allerdings überhaupt nicht. Nur dunkel an den dicken Ordner, in dem wir sie alle abgeheftet haben. 

Was für eine verrückte Zeit damals, vor allem für einen kleinen, bewegungslustigen Jungen. Wenn er heute wie wild durch die Wohnung springt, mit seinem Basketball, und Lola mal wieder in ihrem Zimmer ohrenbetäubend laut singt, frage ich mich, wie wir das überhaupt alles geschafft haben. 

 

Und ich bin heute noch zutiefst dankbar, dass wir als Familie körperlich und seelisch gesund durch diese Jahre gekommen sind. Mit einer großen Demut und Freude an den kleinen Dingen und am täglichen Zusammensein. 

Manchmal, so seltsam das scheinen mag, sehne ich mich fast nach dieser überschaubaren Ereignislosigkeit der Tage. In denen der tägliche Spaziergang zum Fockeberg für uns das allergrößte Highlight war. Und mein Schreiben am Abend mir eine Reise in die Vergangenheit, ins Innere oder andere Welten ermöglichte, die sich nicht wie eine Flucht anfühlte, sondern wie ein Ankommen zu Hause.


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