Heute morgen bin ich sogar eine Viertelstunde früher aufgestanden als sonst und fühlte mich dennoch erstaunlich ausgeschlafen. Obwohl ich weniger als die eigentlich nötigen sieben Stunden geschlafen hatte. Auch mal schön, dachte ich, und weckte Lola.
„Nikolaus da?“, fragte sie, noch vor dem Augenöffnen und stürmte zu ihren gestern säuberlich geputzten und mit einer halben Dose Impragnierspray eingedieselten Stiefeln, die immer noch leicht chemisch rochen.
„Eine Haarband“ jubelte sie über das türkise Band, das ihr ‚der Nikolaus gebracht hatte‘ und schleppte auch noch den Rest des Stiefelinhalts in die Küche.
Nach einem entspannten Frühstück animierte ich sie doch zur Eile, denn heute musste sie alleine mit der Tram in die Schule fahren, da das Auto in der Werkstatt war. Pünktlich um 8.27 verließen wir das Haus, um die Bahn um 8.33 zu kriegen, wie ich gerade noch auf der App nachgeschaut hatte. Draußen war es schon erstaunlich hell, anders als sonst am Morgen. ‚Auch mal schön!‘
Sogar fünf Minuten vor der Zeit waren wir an der Tramhaltestelle und warteten auf ihre Straßenbahn, in der sie gleich bestimmt viele Kinder aus ihrer Schule treffen würde. Doch als die Bahn einfuhr, war sie die einzige Schülerin. Die Tram war halbleer. ‚Auch mal schön‘, dachte ich und schlenderte gemütlich wieder nach Hause. Bestimmt würden die anderen Schüler später noch dazu steigen, und zur Not würde Lola den Weg in die Schule auch alleine schaffen.
Erst zu Hause bemerkte ich, dass ihre Lehrerin viermal bei mir angerufen hatte. Seltsam dachte ich und rief sofort zurück.
„Wo ist Lola denn?“, fragte sie, mit leichter Ungeduld in ihrer sonst so freundlichen Stimme.
Ich schaute auf die Uhr. 8.45 Uhr. Noch eine Viertelstunde bis Schulbeginn. Wirklich kein Grund, so einen Stress zu machen.
„Die sitzt in der Tram“, erklärte ich. „Und sollte in 5 Minuten aussteigen und dann gleich da sein. Hoffe ich.“
„Mmmh“, hörte ich aus der Leitung. Und auf einmal fiel der Groschen.
8.45 Uhr!!!?
Die Schule beginnt um 8 Uhr!!!!
Wie konnte das sein? Wir hatten den ganzen Morgen um eine Stunde verschoben gelebt! Statt um 6.45 Uhr war ich um 7.45 Uhr aufgestanden. Was ich zwar durchaus wahrgenommen hatte, aber an keiner Stelle darüber gestolpert war.
„Ich glaube, ich hab mir den Wecker aus Versehen um eine Stunde später gestellt“, sagte ich entschuldigend. Und fragte mich, wieso mir das an keiner Stelle ins Bewusstsein gedrungen war. Trotz so vieler Hinweise, wie fehlender Müdigkeit, hellem Tageslicht, menschenleerer Bahn und der Uhrzeit natürlich.
Ich war so der festen Überzeugung gewesen, ‚pünktlich‘ aufgestanden zu sein, dass mich keine der widersprechenden Fakten der Außenwelt daran zweifeln ließ, in der Zeit zu sein. Wie stark kann doch der Glaube sein, selbst im Widerspruch zu allen Tatsachen, und doch halten wir daran fest.
„Kann ja mal passieren“ sagte die Lehrerin etwas irritiert und legte auf.
Und ich schüttelte noch einmal ungläubig den Kopf und machte mich – gut ausgeschlafen - an die Arbeit.
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