Sonntag, 9. November 2008

Nomen est omen (II)

Wie der Begriff 'geistige Behinderung' unsere eigene Einstellung und auch unsere Verhaltensweisen beeinflusst, merke ich leider auch selbst manchmal im Umgang mit Lola. Oft spreche ich nicht so viel und zugewandt mit ihr wie ich es mit Greta gemacht habe. Ich zeige ihr nicht so viele Sachen, lasse sie nicht so oft mitmachen, sage ihr nicht, wozu die Sachen gut sind, wie sie heissen. Mache nicht so viele Spiele mit ihr.

Sie zeigt nicht so viel Initiative wie die kleine Greta in ihrem Alter, reagiert nicht immer sofort, lacht nicht so über Spielchen, guckt oft nicht so interessiert. Sie fordert es einfach nicht so ein. Aber ich tu es auch deswegen oft nicht, weil irgendwo in meinem Herzen dieser Gedanke ist, dass sie es ja vielleicht sowieso nicht versteht und vielleicht auch nie verstehen wird. Ich traue ihr das einfach nicht zu. Sehe nicht sofort den Output und widme mich deswegen lieber vermeintlich ergiebigeren Dingen und lasse sie mit ihrem Spielzeug alleine spielen.

Aber sind es dann nicht auch meine eigenen Vorurteile über Lola's vermeintliche kognitive Beeinträchtigung, die eben diese verursachen? Wie soll sie die Dinge lernen, wenn ich sie nicht an sie heranbringe? Ich wollte, ich hätte nicht selber dieses (Fehl-)Urteil über ihre vermeintlich geringeren Fähigkeiten im Kopf und würde ihr mit der gleichen Ausdauer unsere Welt erklären. Denn vieles lernen unsere Kinder zwar durch eigenes Ausprobieren und Imitation, aber sehr sehr vieles muss man doch auch an sie heranführen. Und gerade Kinder mit Down-Syndrom haben vielleicht nicht den eigenen Drang, das immer und immer wieder einzufordern und in den Eltern zu verstärken.

Vorhin auf dem Spielplatz stand ich mit einer befreundeten Mutter und wir unterhielten uns, während Lola in der Trage vor meiner Brust quengelte (sie hatte Hunger). Als die Mutter sie ansprach, strahlte sie eines ihrer zauberhaftesten Lächeln und hörte sofort auf zu quengeln. Und dann spielte die Mutter mit ihr 'das ist der Daumen, der schüttelt die Pflaumen, der hebt sie auf, der bringt sie ins Haus und der Kleine, der ißt sie alle auf.' Und Lola schaute zu, die ganze Zeit, denn die Mutter sagte es bestimmt sechs Mal. Ich hatte das noch nie mit ihr gespielt.... Und es hat ihr so gefallen.

Also will ich das Label in meinem eigenen Kopf einfach mal beiseite schieben, sie wirklich 'für voll' nehmen - und ihr die Welt erklären, auf dass sie es lerne. Langsamer, öfter, immer wieder - solange sie eben braucht.

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