Donnerstag, 6. Juni 2019

Opas Insel

Wer würde schon zurück wollen, von einer wunderschönen Insel? Zwischen Elefanten, Schmetterlingen und Cocktail schlürfenden Orang-Utans seinen Lebensabend zu verbringen, ist nicht die schlechteste Vorstellung.


Warum also sollte Sams Opa zurückwollen, von dieser wilden, fantastischen und magischen Insel, zu der er gemeinsam mit seinem Enkel auf einem Dampfer reist, um ihn dann alleine wieder nach Hause zu schicken.

Als Sam am nächsten Tag sein Haus betritt, ist sein Opa nicht mehr da. Und auch die Tür, durch die sie am vorigen Tage zu dem magischen Ort gelangt sind, ist verschwunden.

"Gestorben", sagt Lola leise. Und streichelt mich.

Pavel, mein Jüngster, bald 7 Jahre alt, hat uns die Geschichte vorgelesen. Zufrieden klappt er das Buch zu.

"Und, was glaubst du, wo der Opa jetzt ist?, frage ich ihn.

"Na, der ist auf der Insel geblieben. Weil es da so schön war", sagt Pavel. Und schaut mich erstaunt an.

"Lola meint, dass er gestorben ist. Und deswegen dageblieben ist", sage ich. Lola nickt.

"Wieso das denn? Davon steht nichts in dem Buch", sagt Pavel. Und liest sogar den Klappentext vor, in dem auch kein eindeutiger Hinweis auf den Tod zu finden ist. Nur, dass es eine Geschichte darüber sei, wie man sich lieben Menschen immer nah fühlen kann, egal wie weit sie fort sind.

"Und wieso ist dann die Tür auf dem Dachboden verschwunden?", frage ich ihn.

"Die ist nur hinter einem Tuch versteckt. Sieht man doch...", sagt er. Und zeigt mir das Bild vom Speicher, auf dem ein abgehängter Gegenstand zu sehen ist.

Wie schwer es ist, zwischen den Worten und Bildern eine andere Wahrheit zu lesen, als die, die ausgesprochen und gezeigt wird. Vielleicht hat auch jeder seine Wahrheit.

Lola hat einen so erstaunlich intuitiven Zugang zu diesen feinstofflichen Räumen, die sich zwischen den Worten öffnen. Vielleicht weil sie der Sprache nicht so mächtig ist. Dass sie die Bewegungen des Herzens spürt und zwischen den Zeilen lesen kann.

Zum Tod hat sie immer schon einen sehr klaren, und intuitiven Zugang.

"Ich will nicht sterben, Mama", sagt sie mir heute auf dem Weg mit dem Rad zur Schule. Nachdem wir eine heftige Bremsung hinlegen mussten. "Will leben."

Das Buch "Opas Insel" von Benni Davies ist jedenfalls ein wunderschönes Buch über den Abschied und die innere Verbundenheit mit geliebten Menschen. Egal wie weit fort sie sind. Vielleicht sogar im Paradiese...