Heute vor 13 Jahren ist mein Vater von uns gegangen. Ein Tag, der sich in mein Leben gebrannt hat. Mir den Boden unter den Füssen weggezogen hat. Mein Grundvertrauen in das Leben tief erschüttert hat.
Wie habe ich damals all die Trauer, den Schock, den tiefen freien Fall, bewältigen können? Ich war gerade schwanger mit Pavel, Lola war drei Jahre alt und Greta fünf. So klein noch, und ich, so jung.
Mit großer Kraft bin ich durch diese Zeit der tiefen Trauer und Fassungslosigkeit gegangen! Woher sie kam, erinnere ich nicht mehr. Kann es mir heute kaum erklären.
Ich fühlte mich innerlich getragen, von der Liebe zu meinen Kindern und einem tiefen Vertrauen. In Gott - oder welcher Kraft auch immer, die uns lenkt. Im Wissen, dass ich die Dinge nicht ändern kann. Dass ich die Entscheidung meines Vaters nicht ändern oder rückgängig machen kann. Sondern dass wir geführt werden.
Dieser tiefe Glaube und ein grosses Vertrauen in das Leben haben mich damals getragen. Sowie der Halt und die Liebe so vieler Freunde, von Kollegen, Bekannten - und damals auch den vielen Lesern meines Blogs, denen ich mich so nah und verbunden fühlte. Dass ich hier direkt über seinen Tod geschrieben habe. (Wenn auch nie über das innere Chaos, in das er mich zunächst gestürzt hat. Dafür war das nicht der Raum.)
Und ich bin heute noch zutiefst dankbar für all diese Liebe und Unterstützung, die ich damals geschenkt bekam. Und von meinem tiefen Vertrauen in das Leben, das mich und meine Kinder so gesund und stark durch diese Zeit geführt hat. Dass ich nie am Leben verzweifelt bin, gehadert habe, sondern immer mit Zuversicht nach vorne geschaut habe. Und mit grosser Fülle und Liebe gesegnet wurde.
Und ja, auch wenn mein Vater viel zu jung gegangen ist, mit damals 68 Jahren, habe ich diese Kraft, mit Zuversicht und Optimismus nach vorne zu blicken, das Machbare in die Hand zu nehmen, immer die Fülle zu sehen und nicht das, was fehlt, von ihm geschenkt bekommen. Er hat es mir zeitlebens vorgelebt, mich bestärkt, weiterzugehen, auch wenn es aussichtslos schien. Mich ermutigt, neue Wege auszuprobieren, neue Länder zu bereisen, neue Berufe zu erlernen. Er stand immer, sein Leben lang, vertrauensvoll hinter mir.
Und dafür bin ich ihm heute noch zutiefst dankbar. Für diese innere Kraft, diesen Glauben an mich selbst, und vor allem den Glauben an das Gute im Menschen und den Wert eines sinnerfüllten Lebens, im Dienste von anderen. Das er mir immer vorgelebt hat, auch als Arzt und Familienvater.
Noch heute bin ich tieftraurig, dass ihn in dieser Lebensphase vor seinem Tod die Schwermut erfasst hat, er auf einmal am Leben verzweifelte und sich nicht mehr kraftvoll genug sah für die Aufgaben, die er sich selber gestellt hatte - leider viel zu groß und ehrgeizig. Dass er seine Kraft verloren glaubte, und auf einmal nur noch sah, was er nicht mehr hatte und nicht mehr konnte. Wir alle sind nicht vor Phasen gefeit, dass auch uns die Kraft, der Glaube und die Zuversicht auf einmal fehlen. Dass wir nur noch das Dunkle sehen.
Leider hat er sich damals niemandem anvertraut. Konnte sich nicht öffnen, den Schmerz und das Zweifeln, seine Schwäche niemandem zeigen und irgendwann nicht länger ertragen. Sondern suchte neue Sicherheit - die er damals für sich nur im Tode fand. Heute noch bin ich bestürzt, dass niemand von uns das damals gesehen hat. Niemand ihm hat helfen können.
Aber es ist, wie es ist. Ich konnte es damals nicht ändern, sondern nur annehmen, und ebenso heute. Gottes Wille? Sein Schicksal? Ein dummer Zufall? Ein Hirninfarkt? Ich weiß es nicht.
Doch der Gedanke hilft mir immer noch, dass wir dem Leben vertrauen können. Dass es uns führt. Damals wie heute. Auch wenn mein Vater dem Leben leider damals nicht mehr vertraut hat. Wie er es jahrelang vorher getan hatte.
Ich wünsche mir und uns allen weiterhin das tiefe warme Vertrauen in das Leben, seine Wendungen und Wirbel, seine Höhen und Tiefen, durch die es uns trägt. Wie ein Boot über das aufgewirbelte Meer.
Was mir dabei immer sehr hilft, mich daran zu erinnern, ist das Schreiben. Und das Lesen.
Ein Gedicht, das mir damals sehr geholfen hat, wieder neues Vertrauen zu gewinnen, in 'das Unmögliche', den Neuanfang, ist dieses wunderbare Gedicht von Mascha Kaléko.
Resignation für Anfänger
Suche du nichts. Es gibt nichts zu finden,
Nichts zu ergründen. Finde dich ab.
Kommt ihre Zeit, dann blühen die Linden
Über dem frischgeschaufelten Grab.
Kommt seine Zeit, dann schwindet das Dunkel,
Funkelt das wiedergeborene Licht.
Nichts ist zu Ende. Alles geht weiter.
Und du wirst heiter. Oder auch nicht.
Zwischen Vergehen und Wiederbeginnen
Liegt das Unmögliche. Und es geschieht.
Wie und Warum waren nie zu ersinnen.
neu klingt dem Neuen das uralte Lied.
Geh nicht zu Grunde, den Sinn zu ergründen.
Suche du nicht. Dann magst du ihn finden.
Danke, Papa, dass es Dich - für mich und uns alle - gegeben hat! Dein Licht leuchtet weiter.