Seit Jahren wollte ich mir ein Bett kaufen. Ein richtiges echtes Bettgestell, mit vier Beinen, Lattenrost und breiter Matratze. Doch ich konnte mich für kein Modell entscheiden. Sollte es ein elegantes weißes Designerbett werden? Ein antikes Bett aus Metall? Oder eines der schönen Holzbetten von Möbelum mit breitem Rand? Und wenn aus Holz, dann welches? Walnuss, Eiche oder einfach Buche? Ich blätterte Kataloge, recherchierte im Internet, grübelte. Doch ich konnte mich nicht entscheiden. Das Geld, das ich vor Jahren für ein Bett geschenkt bekommen hatte, einmal an Weihnachten 2010 und einmal an Weihnachten 2017 gab ich für eine Reise nach Spanien aus und für eine Paartherapie. Doch: ein Bett kaufte ich mir nicht dafür.
Eine Zeitlang lagen die Matratzen in einem einfachen Bettkasten, den dann aber die Mädels bekamen, als sie nicht mehr im Hochbett schlafen wollten. Und die Matratze legte ich einfach auf den Fußboden. Als Übergangslösung. Und nach dem letzten Umzug kam ich auf die geniale Idee, sie einfach auf die Umzugskisten zu legen, deren Inhalt in keinen Schrank mehr gepasst hatte. Eine win-win-Situation. Die alten Akten und Bücher in den Kisten waren verstaut, und ich hatte eine Art Bett. Mit großem beigen Bettüberwurf auch als Sofa nutzbar, und wie ich fand, nicht wirklich als Provisorium erkennbar.
Gut, es wackelte etwas. Und manchmal gaben die Umzugskisten nach. Dann schlief ich etwas schief, was ich erst daran merkte, dass ich Nackenverspannungen bekam und tagelang meinen Hals nicht mehr bewegen konnte. Dann legte ich ein grosses Buch unter, und die Stabilität und Horizontale war wieder hergestellt. Doch sollte das nun wirklich eine Dauerlösung sein?
Ein paar Freunde erzählten mir von einer Bekannten, die seit Jahren kein Bett besitzt und immer nur auf einer Matraze auf dem Boden schläft. Was sie sehr wunderte und sie sich fragten, was da tiefenpsychologisch dahinter stecken könnte? Ich fühlte mich ertappt. Wenn meine Weigerung, mir ein festes Bett zuzulegen auch irgendwelche tieferen psychischen Blockaden offenbarte? Eine Angst vor dem Ankommen vielleicht, mich festzulegen auf einen Ort, den ich mein Zuhause nenne? Weil ich mein Leben immer nur als Provisorium empfinde, ein Leben auf Koffern, immer bereit zum neuen Aufbruch?
Ich fand trotz intensiven Nachdenkens keine eindeutige Erklärung. Doch ich traf die Entscheidung: ich kaufe mir jetzt endlich ein Bett! Egal welches. Schluss mit dem Zögern und Zaudern. Ich will ein festes Bett. Auch um zu sehen, was das vielleicht in meinem Leben verändert.
Und nachdem ich von meiner lieben Mutter zu Weihnachten einen runden Betrag auf mein Konto überwiesen bekam, mit dem ich mir was Schönes gönnen sollte zum Fest, war auch die Frage der Finanzierung geklärt. Die Entscheidung stand fest. Ich kaufe mir ein Bett mit dem Geld. Das dritte Mal würde ich das für ein Bett gedachte Geld nicht anderweitig ausgeben.
Ich öffnete die Interseite des erstbesten schwedischen Möbelhauses, gab "Bett mit Aufbewahrungsfunktion" in die Suchleiste ein und befand das dritte Bett auf der Seite als ausreichend gut für meine Zwecke. Weiß, schlicht, mit großen Schubfächern für die Inhalte meiner Umzugskisten. Und es kostete genau so viel, wie ich als Weihnachtsgeld erhalten hatte. Das wird es sein. Komme was wolle.
Und da Lola in der ersten Woche nach den Ferien keine Schule hatte, fuhren wir am Freitag gemeinsam zu besagtem Möbelhaus und erhielten knapp drei Stunden später - ich hatte in der Zwischenzeit noch einige Kleinigkeiten für unseren Haushalt erworben, die ich zwar gar nicht unbedingt brauchte, die aber so hübsch waren - vier überdimensionierte Pakete auf einem Wagen. Der so schwer und sperrig war, dass ich beim Versuch, ihn über den Parkplatz zu schieben, mehrere Autos rammte und einen kleinen Stau verursachte.
"So eine Diskiminierung. Als Frau alleine ist man hier so was von benachteiligt, wer hat sich solche Pakete ausgedacht?" schimpfte ich lauthals, während die Autoschlange hinter mir immer länger wurde. Ein junger Mann, der gerade die Strasse kreuzte, hatte Erbarmen mit mir und übernahm den sperrigen Wagen und seine Last, als ich ihn in meiner Verzweiflung um Hilfe bat. Und verlud die Ungetüme an Kisten sogar in mein Auto, nachdem er meinen ersten Versuch beobachtet hatte, das zwei Meter lange und 50cm dicke Paket anzuheben. Was für ein Ausbund an Ritterlichkeit. Wir wir feststellten, kam er aus meiner Heimatstadt Wuppertal und hatte im selben Jahr Abitur gemacht wie ich. Wenn das kein Zeichen war! Dass mir mein Bett vielleicht ein Stück Heimat schenken würde...
Als wir nach kurzer Autofahrt vor unserem Haus ankamen, stand ich vor der nächsten Herausforderung. Wie bitte sollte ich die Pakete nun in den zweiten Stock befördern? Alleine mit Lola? Die zwar bereitwillig die große blaue Tüte mit den hübschen Kleinigkeiten trug, aber weder die Bereitschaft noch die Kraft hatte, die Riesenpakete zu schleppen.
Glücklicherweise kam einer meiner Nachbarn genau in diesem Moment durch die Türe, ein junger Mann, sehr schlank und zierlich, mit langen Haaren und Hipsterbrille, der aussah, als wäre er gerade aufgestanden, aber doch kräftiger als Lola schien. Vorsichtig bat ich ihn um Hilfe. Unsicher, wie er reagieren würde, und ob er die Last würde tragen können.
"Na klar, kein Problem", antwortete er. Packte das überdimensionierte Paket, zog es flugs aus dem Auto und trug es mit einer Hand die Treppen hoch - zwei Treppenstufen auf einmal nehmend. Der Mund blieb mir offen stehen. Er sei auf einem Dreiseitenhof aufgewachsen und hatte schon früh mit anpacken müssen, erklärte er lachend. Und ehe ich mich versah, standen die vier Pakete oben vor unsrer Wohnungstüre. Aus einem der oberen Stockwerke erklang eine helle Frauenstimme: "Wo bleibst Du denn so lange?" Da sprang er schon davon... Ich rief ihm noch einen herzlichen Dank hinterher. Und verbrachte die nächste halbe Stunde damit, die vier Pakete irgendwie in unsere Wohnung zu zerren und so hinzustellen, dass ich sie auch in der richtigen Reihenfolge würde öffnen können.
Erschöpft machte ich erstmal einen Mittagschlaf - und Punkt 16 Uhr begann ich mit dem Aufbau. Ich erinnerte mich an ein paar Einträge im Internet, dass der Aufbau etwas langwierig sei, doch die Anleitung sehr gut und hilfreich. Und es war ja nicht das erste Möbelstück des besagten Möbelhauses, das ich aufbaute. Und Lola half sogar mit. Geschickt steckte sie Schrauben rein, drehte sie mit dem Schrauber rein und schlug Gummistöpsel mit dem Hammer fest. Wobei sie mir begeistert erzählte, dass das Fach "Werken" ihr Lieblingsfach ist und sie später mal als Beruf Betten zusammenbauen will. So dass wir geschwind und voller Elan nach nur einer Stunde schon alle 6 Schubladen zusammengebaut hatten.
Wenn ich gut war, würde ich in zwei Stunden zum Abendbrot fertig sein, überlegte ich. Und öffnete die nächste Kiste, mit der Nummer 2. Doch die in der Anleitung angegeben Holzteile waren nicht zu entdecken. Waren sie vergessen worden? Hatten sie doch andere Dimensionen als erwartet? Ich grübelte und brauchte etwa eine halbe Stunde, um auf die Idee zu kommen, dass die Teile in den drei Kisten verteilt waren und ich alle drei öffnen musste, um alle nötigen Einzelteile zu haben.
Mein Arbeitstempo nahm langsam ab, auch Lola wollte nicht mehr helfen, und gegen 19 Uhr hatte ich gerade mal die Basis des Bettes zusammengeschraubt. Meine Arme und Handgelenke schmerzten, und mein Kopf war ganz schwummerig.
Wütend schrieb ich im Geiste Einträge beim Möbelanbieter und beschwerte mich über den hochkomplizierten Aufbau, der für eine Frau alleine nicht zu bewältigen war. Hätte ich M. doch gefragt, ob er mir bei Kauf und Aufbau behilflich sein würde. Auch wenn er besagtes Möbelhaus nicht schätzte, so hatte er mir doch früher schon geholfen. Doch nein, dazu war ich zu stolz gewesen. Ich hatte es alleine machen wollen. Erschöpft schraubte und hämmerte ich weiter.
Zum Glück erklärte sich Greta bereit, zum Abendbrot Pfannkuchen zu backen. Und nach einer kleinen Stärkung machte ich gegen 20.30 Uhr weiter. Wobei die Teile nicht weniger wurden, und mein Arbeitstempo noch weiter sank. Ich wusste jetzt, warum ich mir nie ein eigenes Bett besorgt hatte. Das war es wirklich nicht wert. Sehnsuchtsvoll dachte ich an meine Umzugskisten, die ich einfach hingestellt hatte. Fertig war das Bett. So ein unnötiger Aufwand.
Da klingelte das Telefon. M. am Apparat. Was ich so treibe und ob ich heut Abend Zeit hätte? Erschöpft berichtete ich von meinem Vorhaben, meinem unermüdlichen Kampf mit den Schrauben und Seitenteilen. Er lachte. "Soll ich Dir vielleicht helfen? Und mal kurz mit dem Akkuschrauber rumkommen?"
"Ja, bitte", sagte ich kleinlaut und wollte meinem Glück kaum trauen.
Knappe zwei Stunden später, gegen 23 Uhr, kam er mit einem kleinen schwarzen Köfferchen bewaffnet bei mir an. Ich hatte mit all meiner Kraft weitergeschraubt, und immerhin zwei weitere Seitenteile anbringen können, nachdem ich sie dreimal wieder hatte abschrauben müssen, weil ich sie verquert herum anmontiert hatte.
"Lass mal schauen", sagte M. Setzte den Akkuschrauber an. Und eine halbe Stunde später war das Bett komplett fertig. Sogar die Schubladen waren eingesetzt. Erschöpft und dankbar zog ich die Matraze auf den fertigen Bettkasten und ließ ich mich darauf fallen. Herrlich. Den lieben Männern und ihrer Ritterlichkeit sei Dank!
Nun bin ich gespannt, was in meinem Leben passiert. Da ich nun jeden Tag
auf einem echten, eigenen Bett schlafen kann. Was ich hoffentlich nie
wieder abbauen muss. Und falls ja, bitte ich lieber gleich den lieben Mann um Hilfe. - Meine Unabhängigkeit hab ich mir ja nun ausreichend bewiesen.