Als ich Lola heute früh zur Schule brachte, war sie müde, hatte Bauschmerzen, krümelte sich vor dem Klassenzimmer auf dem Boden und war nicht zu motiveren, den Klassenraum zu betreten. Was tun?
Sollte ich darauf bestehen, dass sie in der Schule bleibt? Wollte sie wieder eine Grenze austesten? Zumal sie in letzter Zeit, sicher auch altersbedingt, oft gar kein Bock auf Schule hatte. Und morgens urplötzlich Bauchschmerzen.
Als ich erfuhr, dass heute sowohl ihre Schulbegleiterin krank zu Hause war, wie auch die zweite Klassenlehrerin, so dass sicher kaum jemand wirklich auf ihre Müdigkeit eingehen konnte und frei war, um sie zu motivieren, entschied ich intuitiv: ich nehme sie wieder mit nach Hause.
Kaum im Auto, war all ihre Müdigkeit verflogen. Sie drehte das Radio auf volle Lautstärke und sang fröhlich und LAUT mit. Das konnte doch nicht wahr sein, hatte sie mich doch wieder an der Nase herumgeführt? Und war gar nicht so krank und leidend, wie sie eben noch schien?
Zuhause bestand ich dann darauf, dass wir Schulaufgaben machten. Wenn sie schon nicht wirklich krank ist, machen wir zusammen was für die Schule. Wozu sie sich sofort bereit erklärte. Zu meinem grossen Erstaunen.
Sie übte ihre Zeugnisspruch, zeigte mir alle ihre Mitschriften aus Menschenkunde, mit allen Teilen und Knochen des menschlichen Skeletts, machte sogar ohne Protest Sprachübungen mit. Das hatte es ja schon lange nicht mehr gegeben... So viel Motivation.
Und so nutzte ich die Gelegenheit, um mit ihr gemeinsam zu überlegen, was sie denn für eine Projektarbeit machen will. Die in der Walddorfschule im 8. Schuljahr ansteht. Und zu welchem Thema?
Ein Musikvideo würde sie gerne machen, erklärte sie begeistert. Zum Song 'Sofia' von Alvaro Soler. Mit ihr selber am Mikro und ihrer halben Klasse an den verschiedenen Instrumenten. Wer was spielen sollte, erklärte sie mir auch gleich und sprühte vor Begeisterung... Und zeigte mir das Video auf youtube.
Zweifelnd schüttelte ich den Kopf und bemühte mich, ihr nahe zu bringen, dass das Projekt doch recht ehrgeizig sei. Und sie alleine etwas machen solle, für die Projektarbeit. "Egal", schnaubte sie und blickte mich grimmig an. Und dann war es auch schon vorbei mit ihrer Motivation. Sie klagte über Bauchweh, gähnte, rieb sich den Kopf. Und wollte nicht mehr überlegen. Egal, was ich vorschlug, fand sie doof.
Erst als ich meinte, sie könnte doch ein Kochbuch selber machen, horchte sie auf. "Oh ja, oder ein Backbuch", sagte sie und sprang auf. "Pizza backen". Und war Feuer und Flamme.
Gemeinsam überlegten wir. Sie könnte ihre Lieblingsrezepte aufschreiben.
Bilder davon machen, wie sie es selber kocht. Das ganze vielleicht noch
illustrieren. Und kleine Geschichten dazu schreiben. Und vielleicht
sogar ein kleines Kochvideo drehen. Ja, das passte doch wunderbar zu ihrer Freude am Kochen, am Gestalten, am Fotografieren... Sie war begeistert! Und machte sie gleich die ersten Notizen über mögliche Rezepte in ein kleines Heft.
Als ich kurz mal außer Haus ging, zu einem meiner Workshops, fand ich sie bei meiner Rückkehr, tief schlafend im Wohnzimmer an. Unter einer Decke und umgeben von ihren Büchern. War sie also doch wirklich etwas kränklich. Doch als sie erwachte war sie wie neu: fröhlich und ausgeruht. Und wollte gleich ihr erstes Rezept kochen. Ganz alleine. Tortellini mit Tomatensosse. Ihr Lieblingsessen.
Und ganz begeistert machte sie sich ans Kochen. Machte wirklich alles von Anfang bis Ende alleine. Goß sogar zum ersten Mal das kochende Nudelwasser ab, was sie sich sonst nie zugetraut hatte. Und ich dokumentierte - und assistierte natürlich.
Und am Ende aß sie stolz ihre selbst gemachten Tortellini mit Tomatensoße. Was für ein Erfolg!
1 Kommentar:
Was für eine schöne Idee für die Jahresarbeit!
Ich hatte mich damals in der 8. Klasse mit Sklaverei und Menschenhandel beschäftigt... Ich erinnere mich aber nicht mehr wie ich auf diese Idee gekommen bin.
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