Dienstag, 1. Juli 2014

Long time, no see...

So lange habe ich nichts mehr geschrieben. Dabei passiert gerade so viel. Vielleicht deswegen...

Mein Kopf raucht. So viele Gefühle, Unsicherheiten, Entscheidungen. Lolas Kindergartenzeit geht zu Ende. Eine goldene Zeit, Zeit der Ruhe. Aufgehoben an einem Ort, wo Lola ein Zuhause hatte. Die sein durfte, die sie ist. Mit so vielen wunderbaren Erziehern, Kindern, Eltern, die sie als die genommen haben, die sie ist. Und es auch mir nochmal und immer wieder gezeigt haben, wie wunderbar einzigartig, liebenswert, witzig, voller Schalk und Eigensinn Lola ist. So viel...

Die Zeit geht zu Ende. Und bald beginnt eine neue Zeit. Die Schulzeit.  Die Waldorfschule. Und gerade dieser Tage bin ich voller Unsicherheit, ob die Entscheidung die richtige war. Ein Auf und Ab meiner Gefühle, wie ich es nie vermutet hätte. Wird Lola dort auch die Förderung bekommen, die sie braucht? Wie wird sie mit der Waldorfpädagogik umgehen? Wie komme ich damit zurecht? Sind meine Methoden der Sprachförderung, des Frühen Lesen, der Frühförderung mit den Ideen der Waldorfschule vereinbar? Werden sie dort aufgenommen? Wie wird Lola mit den vielen Geschichten zurecht kommen, die man dort erzählt? Wird sie dem Unterricht folgen können? Wie viel Hilfe wird sie bekommen? Gerade kommt so viel Unsicherheit in mir hoch. Wäre die Beschulung in der integrativen Grundschule mit der Unterstützung durch die Förderschulpädagogen nicht doch viel besser gewesen?

Und wieder geht es um die Frage des Vertrauens. Vertraue ich meiner Intuition, diese Schule für Lola gefunden zu haben. Die Waldorfschule. Eine Schule, die so ganz anders ist als das, was ich bisher erlebt habe. Meine Schulzeit, mein Studium, mein Berufsleben, klar leistungsorientiert, ohne grosse künstlerische und musikalische Freiheiten.... Über Lola komme ich mit Dingen in Kontakt, die ich selber mir bis jetzt nicht gegönnt habe. Ist es das, was mich so verunsichert?

Der Grat, auf dem ich wandere.... Loslassen oder Kontrolle? Vertrauen oder Fordern? Fordere ich wieder viel zu viel? Von mir, von ihr?

Die Diagnostik, die uns im Rahmen des Förderausschusses zur Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfes gerade mitgeteilt wurde. Wichtig, damit Lola einen Integrationsplatz bekommt. Diagnostik ihres Leistungsstandes, gemessen an den mittleren Leistungen eines geistig behinderten Mädchens. Ihre Fähigkeiten liegen genau im Mittel. Stärken im Bereich des passiven Wortschatzes und der Abstraktionsfähigkeit, absolute Schwäche: Mitarbeitsbereitschaft (Lolas Lieblingswort heisst: Nö!) Keine neue Erkenntnis, und doch, diese GB (geistig Behinderten) Diagnostik da so liegen zu sehen. Irgendwie schmerzt es. Ich weiß nicht, warum.

Dabei hat es so lange nicht mehr geschmerzt. Lola ist Lola. Sie kann so viel. Und ich hab so lange vor allem das gesehen, was sie kann. Mich gefreut über ihre wunderbaren Fortschritte. Und doch, seit ein paar Wochen, diese Stiche, die ich so lange schon nicht mehr gefühlt habe. Zu sehen, wie schwer ihr vieles fällt. Wie lange sie braucht. Wie schnell sie aufgibt. Wie wenig sie kämpft. Sich lieber wieder fallen lässt, statt sich anzustrengen.

Vielleicht wegen Pavel. Vielleicht schmerzt es mich deshalb. Er, der vor drei Monaten sein erstes Wort gesagt hat. Und mittlerweile Lolas schon fast sprachlich überholt hat. Nichts anderes tut den ganzen Tag, als zu plappern. Seine Welt zu kommentieren. Alles benennt, wiederholt, nachfragt. Eine Freude hat beim Sprechen, sich mitteilen... Mit einer Leichtigkeit. Und ich freue mich, über diesen unglaublich süßen, witzigen, erfindungsreichen kleinen Mann. Und versuche, Lola zu motivieren, auch nachzusprechen, zu benennen, zu fragen... Und sie nimmt ganz ganz viel mit, macht mit, lernt für ihre Verhältnisse rasend schnell dazu. Aber im Verhältnis, so unendlich langsam. Und es schmerzt mich doch. Warum nur?

Und dann wieder Lola, wie sie da steht in der Gruppenumkleide nach dem Schwimmen und sich minutenlang einölt, innig und voller Hingabe, am ganzen Körper. Ohne Öl, im Spiel nur, weil da eine andere Frau steht und sich voller Hingabe einölt und Lolas das sieht und nachahmt. Wie nur Lola etwas  nachahmen kann, ganz im Sein, ganz im Moment. Und dann in der Innenstadt auf dem Weg zum Eisalden an einer der alten Telefonzellen stehen bleibt und telefoniert. Minutenlang. Steht und lacht und erzählt. Und ihrer Welt versunken da mit wem auch immer spricht und lacht und sich freut. Und sich ihre Welt macht, tralalalala, wie sie ihr gefällt. Nicht umsonst ist Pippi Langstrumpf (zusammen mit Lotta aus der Krachmacherstrasse) ihre größte Heldin. Lola ist eben doch Lola.....




1 Kommentar:

Elisabeth J.-S. hat gesagt…

Ich hab das jetzt 2 Mal gelesen, versteh Dich so gut ... mir fehlen die Worte. Und weisst Du was? Am meisten tut auch mir das "geistig behindert" weh in den Gutachten von Robert .... es hört und fühlt sich so diskriminierend und falsch an!
Deine Lola ist toll! Sie ist Lola, ein besonderes Mädchen!
liebe Grüsse
Elisabeth